DELEGIERTE VERORDNUNG (EU) 2016/451 DER KOMMISSION
vom 16. Dezember 2015
zur Festlegung allgemeiner Grundsätze und Kriterien für die Anlagestrategie und von Regeln zur Verwaltung des einheitlichen Abwicklungsfonds
DIE EUROPÄISCHE KOMMISSION —
gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union,
gestützt auf die Verordnung (EU) Nr. 806/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Juli 2014 zur Festlegung einheitlicher Vorschriften und eines einheitlichen Verfahrens für die Abwicklung von Kreditinstituten und bestimmten Wertpapierfirmen im Rahmen eines einheitlichen Abwicklungsmechanismus und eines einheitlichen Abwicklungsfonds sowie zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 1093/2010 (1), insbesondere auf Artikel 75 Absatz 4,
in Erwägung nachstehender Gründe:
(1) |
Mit der Verordnung (EU) Nr. 806/2014 wird der einheitliche Abwicklungsfonds (im Folgenden „Fonds“) errichtet, dessen Eigentümer der Ausschuss für die einheitliche Abwicklung (im Folgenden „Ausschuss“) ist. |
(2) |
Anhand der allgemeinen Grundsätze und Kriterien für die Anlagestrategie des Fonds sollten die wesentlichen und maßgeblichen Elemente der vom Ausschuss zu entwickelnden Anlagestrategie definiert werden. Die Anlageziele sollten eines dieser Elemente darstellen. Entsprechend der Anforderung an den Ausschuss, eine auf Sicherheit bedachte und vorsichtige Anlagestrategie zu verfolgen, sollte das übergeordnete Ziel darin bestehen, den Wert des Fonds zu schützen und den Liquiditätsbedarf zu decken. Jedoch können aufgrund der immanenten Charakteristika von Anlagen, aufgrund wechselnder Marktbedingungen und aufgrund des Zinsumfelds auch die sichersten und liquidesten Vermögenswerte zu negativen Renditen führen. In diesem Sinne sollte ein Verlust im Portfolio nicht als Verletzung der Anlageziele gelten. |
(3) |
Nach Maßgabe der Verordnung (EU) Nr. 806/2014 sind die Mittel des Fonds in Schuldverschreibungen der Mitgliedstaaten oder zwischenstaatlicher Organisationen oder in hochliquiden Vermögenswerten hoher Bonität anzulegen, wobei der delegierten Verordnung (EU) 2015/61 der Kommission (2) Rechnung zu tragen ist, in der Vermögenswerte hoher Liquidität und hoher Kreditqualität definiert und Anforderungen zu deren Zusammensetzung bestimmt werden. Daher sollten Vermögenswerte, die für Anlagen des Fonds in Frage kommen, sowie Kriterien für die Zusammensetzung des Portfolios unter Berücksichtigung der delegierten Verordnung (EU) 2015/61 festgelegt werden. Die grundsätzliche Eignung eines Vermögenswerts für Anlagezwecke sollte beim Ausschuss nicht automatisch zu einer Anlageentscheidung führen. Der Ausschuss sollte stattdessen in jedem Fall eine Bewertung von in Frage kommenden Vermögenswerten durchführen. Bei der Bewertung der Umsichtigkeit jeder Anlageentscheidung sollten mögliche Wechselwirkungen innerhalb des gesamten Anlageportfolios berücksichtigt werden. So könnte beispielsweise ein Vermögenswert einer volatilen Anlageklasse mit negativen Korrelationseffekten im Portfolio für sich genommen als zu risikoreich beurteilt werden, jedoch einen positiven Diversifizierungseffekt auf das Portfolio als Ganzes haben. Um zu dieser Bewertung zu gelangen, sollte der Ausschuss zwischen den verschiedenen Ebenen (Emittent, Anlagenklasse, Sicherheit) und Informationsquellen unterscheiden, die es ihm ermöglichen, die Liquidität, Bonität und Vereinbarkeit mit den Anlagezielen zu beurteilen. |
(4) |
Es sollten Kriterien zur genaueren Regelung einer branchenspezifischen Diversifizierung vorgegeben werden. Um eine branchenspezifische Diversifizierung anwenden zu können, ist zunächst der Begriff „Branche“ zu klären. Aus praktischen Gründen sind für die branchenspezifische Klassifizierung nur die höchsten Ebenen heranzuziehen. In der Verordnung (EG) Nr. 2223/96 des Rates (3) werden institutionelle Sektoren definiert, die herangezogen werden können, um die Anlagen des Fonds nach der Art der wirtschaftlichen Einheit zu diversifizieren. Darüber hinaus wird in der Verordnung (EG) Nr. 1893/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates (4) eine statistische Systematik der Wirtschaftszweige aufgestellt, deren höchste Ebene (Abschnitt) dem Ausschuss geeignete Kriterien für eine Diversifizierung liefert. Schließlich sollten in Anbetracht des Auftrags des Fonds nicht nur direkte, sondern auch indirekte Risikopositionen gegenüber dem Finanzsektor begrenzt werden. |
(5) |
Es sollten Kriterien zur genaueren Regelung einer geografischen Diversifizierung vorgegeben werden. Um eine ausreichend hohe geografische Diversifizierung zu gewährleisten, sollte der Ausschuss auf leicht zugängliche Kriterien zurückgreifen, und zwar auf die in Artikel 77 der Verordnung (EU) Nr. 806/2014 genannten Grundsätze, nach denen sich die Berechnung der Beitragsanteile für die in jedem teilnehmenden Mitgliedstaat niedergelassenen Institute bestimmt. In Anbetracht der Tatsache, dass sich diese Anteile nach der Größe der beitragenden Kreditinstitute und Wertpapierfirmen richten und an deren Risikoprofil angepasst werden, werden sie positiv mit der Größe und Tiefe der entsprechenden Finanzmärkte korreliert sein. Da andere Erwägungen zusätzliche Anlagen in einem teilnehmenden Mitgliedstaat rechtfertigen könnten, sollte ein Puffer eingeführt werden, um dem Ausschuss weiteren Ermessensspielraum einzuräumen und gleichzeitig ein Mindestmaß an Diversifizierung über eine ausreichende Zahl von teilnehmenden Mitgliedstaaten sicherzustellen. Da diese Anteile für Anlagen in nicht teilnehmenden Mitgliedstaaten oder Drittländern nicht berechnet werden können, sollte der Ausschuss zudem für diese Anteile Begrenzungen festlegen, die denen für vergleichbare teilnehmende Mitgliedstaaten proportional sind. |
(6) |
Es sollten Kriterien zur genaueren Regelung einer proportionalen Diversifizierung vorgegeben werden. Im Rahmen einer vorsichtigen Anlagestrategie ist es sinnvoll, wenn der Ausschuss die Risikopositionen gegenüber einer bestimmten Emission oder einem bestimmten Emittenten begrenzt und unterschiedliche Laufzeiten nutzt, um seine Anlageziele zu erreichen. Was einzelne Emissionen anbelangt, so werden Geldmarktpapiere mit einer Wertpapierkennnummer (ISIN) ausgegeben, die der jeweiligen Anlage des Anlegers (hinsichtlich Laufzeit, Betrag und sonstiger Merkmale) entspricht, so dass der Anleger zu 100 % Eigentümer des Wertpapiers ist, auch wenn er das gesamte Commercial-Paper-Programm nicht zu 100 % in seinem Besitz hält. Dies sollte bei der Festlegung der Obergrenzen für Risikopositionen gegenüber einer bestimmten Emission berücksichtigt werden. Da unwiderrufliche Zahlungsverpflichtungen einen bedeutenden Anteil am Gesamtbetrag der für den Fonds erhobenen Beiträge ausmachen können, sollte der Ausschuss bei der Überwachung des gesamten Konzentrationsrisikos außerdem auch die zur Besicherung unwiderruflicher Zahlungsverpflichtungen gestellten Sicherheiten berücksichtigen. |
(7) |
Angesichts der Notwendigkeit, eine vorsichtige und auf Sicherheit bedachte Anlagestrategie zu entwerfen, sollte der Ausschuss den Einsatz von Derivaten im Fonds begrenzen. Zur Minimierung des Gegenparteiausfallrisikos sollte der Ausschuss ausschließlich Derivate einsetzen, die über eine zentrale Gegenpartei gecleart werden, die gemäß der Verordnung (EU) Nr. 648/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates (5) zugelassen oder anerkannt ist. Transaktionen mit bestimmten Zentralbanken könnten ebenfalls mit dem Ziel der Minimierung von Gegenparteiausfallrisiken im Einklang stehen, vorausgesetzt alle anderen Risiken, wie z. B Kreditrisiken, werden angemessen gesteuert. Angesichts der Tatsache, dass Derivate in der Regel von Kreditinstituten und anderen in Artikel 7 Absatz 4 der delegierten Verordnung (EU) 2015/61 genannten Stellen emittiert werden, sollte das allgemeine Verbot, in von diesen Stellen emittierte Vermögenswerte zu investieren, das mit dieser Bestimmung aufgestellt wird, nicht für den Einsatz von Derivaten gelten. |
(8) |
Der Ausschuss sollte sich bemühen, Währungsrisiken in einer Zusammensetzung aus verschiedenen Währungen der am Fonds beteiligten Mitgliedstaaten abzusichern, und zwar auf der Grundlage der finanziellen Leistungsfähigkeit des Fonds und der erwarteten Auszahlungen, die durch aktuelle Informationen, Annahmen und Stressszenarien zu bestimmen sind. Der Umfang der Absicherung und infolgedessen die verbleibenden offenen Währungspositionen sollten austariert werden, um das Währungsrisiko für den Fonds auf ein angemessenes und den Anlagezielen entsprechendes Maß zu begrenzen. |
(9) |
Im Hinblick auf das Risikomanagement sollte der Ausschuss auf bewährte Praktiken zurückgreifen und interne Kapazitäten und Funktionen schaffen, um sie anwenden zu können. Die adäquate Messung von Risiken sollte ein wesentliches Element in diesem fortlaufenden Prozess sein. |
(10) |
Wenngleich der Ausschuss befugt ist, über die Durchführung von Investitionen zu entscheiden und somit seine Anlagetätigkeiten teilweise auszulagern, sollte — unter Berücksichtigung des öffentlichen Interesses an der Fähigkeit des Fonds, jederzeit seinen Auftrag erfüllen zu können — jeglicher Konflikt mit der vom Ausschuss beizubehaltenden vorsichtigen und auf Sicherheit bedachten Vorgehensweise und mit seinen übergeordneten Anlagezielen vermieden werden. Der Ausschuss sollte Anlagetätigkeiten daher nur an Anbieter auslagern, bei denen es sich um nicht gewinnorientierte Organisationen handelt. Dies sollte Dienstleistungsanbieter und den Ausschuss nicht daran hindern, Dritte vertraglich mit der Erbringung von für die Ausführung notwendigen Dienstleistungen zu beauftragen. Des Weiteren sollten, unabhängig von jedweder Entscheidung, Aufgaben auszulagern, die Verantwortung und die Aufsicht jederzeit beim Ausschuss verbleiben. Bei der Bezugnahme auf bewährte Geschäftspraktiken im Rahmen von Auslagerungen innerhalb des Finanzsektors sollte der Ausschuss, soweit möglich, vorhandene bewährte Praktiken berücksichtigen, wie z. B. die Outsourcing-Leitlinien des Ausschusses der europäischen Bankaufsichtsbehörden vom 14. Dezember 2006. |
(11) |
Bis zur Annahme seiner ersten Anlagestrategie sollte es dem Ausschuss gestattet sein, zur Anwendung von Artikel 75 Absatz 3 der Verordnung (EU) Nr. 806/2014 auf Zentralbankeinlagen zurückzugreifen. Desgleichen sollte es ihm gestattet sein, zur Bestimmung der prozentualen Begrenzung einer geografischen Konzentration nach Maßgabe der vorliegenden Verordnung Schätzungen heranzuziehen, solange noch keine aktuellen Daten zu ihrer Berechnung zur Verfügung stehen. |
(12) |
In Anbetracht der Einzigartigkeit des Fonds könnte es erforderlich werden, die in der vorliegenden Verordnung festgelegten allgemeinen Grundsätze und Kriterien für seine Anlagestrategie sowie die Regeln für seine Verwaltung, nachdem der Ausschuss mit ihrer Anwendung begonnen hat, relativ bald nach ihrem Inkrafttreten zu überprüfen. Zu diesem Zweck sollte der Ausschuss der Kommission ein Jahr nach Errichtung des Fonds nach Maßgabe von Artikel 99 der Verordnung (EU) Nr. 806/2014 geeignete Informationen über die praktische Anwendung der neuen Vorschriften vorlegen. |
(13) |
Diese Verordnung sollte ab 1. Januar 2016, und somit ab dem Tag gelten, an dem der Fonds gemäß der Verordnung (EU) Nr. 806/2014 seine Tätigkeit aufnimmt — |
HAT FOLGENDE VERORDNUNG ERLASSEN:
(1) ABl. L 225 vom 30.7.2014, S. 1.
(2) Delegierte Verordnung (EU) 2015/61 der Kommission vom 10. Oktober 2014 zur Ergänzung der Verordnung (EU) Nr. 575/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates in Bezug auf die Liquiditätsdeckungsanforderung an Kreditinstitute (ABl. L 11 vom 17.1.2015, S. 1).
(3) Verordnung (EG) Nr. 2223/96 des Rates vom 25. Juni 1996 zum Europäischen System Volkswirtschaftlicher Gesamtrechnungen auf nationaler und regionaler Ebene in der Europäischen Gemeinschaft (ABl. L 310 vom 30.11.1996, S. 1).
(4) Verordnung (EG) Nr. 1893/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Dezember 2006 zur Aufstellung der statistischen Systematik der Wirtschaftszweige NACE Revision 2 und zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 3037/90 des Rates sowie einiger Verordnungen der EG über bestimmte Bereiche der Statistik (ABl. L 393 vom 30.12.2006, S. 1).
(5) Verordnung (EU) Nr. 648/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. Juli 2012 über OTC-Derivate, zentrale Gegenparteien und Transaktionsregister (ABl. L 201 vom 27.7.2012, S. 1).