Aktualisiert 22/10/2024
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Ursprungsrechtsakt
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Erwägungsgründe

DELEGIERTE VERORDNUNG (EU) 2022/804 DER KOMMISSION

vom 16. Februar 2022

zur Ergänzung der Verordnung (EU) 2016/1011 des Europäischen Parlaments und des Rates durch Festlegung von Verfahrensvorschriften für im Rahmen der Beaufsichtigung bestimmter Referenzwert-Administratoren durch die Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (ESMA) geltende Maßnahmen

(Text von Bedeutung für den EWR)

DIE EUROPÄISCHE KOMMISSION —

gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union,

gestützt auf die Verordnung (EU) 2016/1011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2016 über Indizes, die bei Finanzinstrumenten und Finanzkontrakten als Referenzwert oder zur Messung der Wertentwicklung eines Investmentfonds verwendet werden, und zur Änderung der Richtlinien 2008/48/EG und 2014/17/EU sowie der Verordnung (EU) Nr. 596/2014 (1), insbesondere auf Artikel 48i Absatz 10,

in Erwägung nachstehender Gründe:

(1)

Gemäß Artikel 48f und Artikel 48g der Verordnung (EU) 2016/1011 ist die Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (‚ESMA‘) befugt, unter bestimmten Voraussetzungen Geldbußen und Zwangsgelder gegen Referenzwert-Administratoren unter ihrer Aufsicht zu verhängen. Gemäß Artikel 48i Absatz 10 der Verordnung (EU) 2016/1011 hat die Kommission die Verfahrensvorschriften für die Ausübung der Befugnis zur Verhängung dieser Geldbußen oder Zwangsgelder im Einzelnen zu regeln, einschließlich der Bestimmungen zum Recht auf Verteidigung, zur Einziehung der Geldbußen oder Zwangsgelder und zur Verjährung bezüglich der Verhängung und Vollstreckung von Buß- oder Zwangsgeldzahlungen.

(2)

Gelangt die ESMA zu dem Schluss, dass es ernsthafte Anhaltspunkte für das mögliche Vorliegen von Tatsachen gibt, die einen oder mehrere Verstöße gegen die in Artikel 42 der Verordnung (EU) 2016/1011 festgelegten Anforderungen an die ihrer Aufsicht unterstehenden Referenzwert-Administratoren darstellen könnten, benennt sie aus dem Kreis ihrer Bediensteten einen unabhängigen Untersuchungsbeauftragten zur Untersuchung des Sachverhalts. Nach Abschluss der Untersuchung sollte der Untersuchungsbeauftragte der ESMA eine vollständige Akte übermitteln. Die Unterrichtung über diese Erkenntnisse und die Möglichkeit, darauf zu reagieren, ist ein wesentlicher Bestandteil des Rechts auf Verteidigung. Daher sollte die Person, die Gegenstand der Untersuchung ist, über die Feststellungen des Untersuchungsbeauftragten unterrichtet werden und die Möglichkeit erhalten, innerhalb einer angemessenen Frist zu diesen Feststellungen Stellung zu nehmen. Der Person, die Gegenstand der Untersuchung ist, sollte es gestattet sein, sich von einem Berater ihrer Wahl unterstützen zu lassen. Der Untersuchungsbeauftragte sollte prüfen, ob es aufgrund der Eingaben der Person, die Gegenstand der Untersuchung ist, erforderlich ist, die Auflistung der Prüfungsfeststellungen vor Übermittlung an die ESMA zu ändern.

(3)

Die ESMA sollte die Vollständigkeit der vom Untersuchungsbeauftragten übermittelten Akte anhand einer Liste von Dokumenten bewerten. Um sicherzustellen, dass die Person, die Gegenstand der Untersuchung ist, ihre Verteidigung angemessen vorbereiten kann, sollte die ESMA sicherstellen, dass die betreffende Person Gelegenheit erhält, weitere schriftliche Bemerkungen abzugeben, bevor die ESMA einen endgültigen Beschluss über Geldbußen oder Aufsichtsmaßnahmen erlässt.

(4)

Die ESMA sollte bestimmte Zwangsmaßnahmen ergreifen können, um dafür zu sorgen, dass Personen, die Gegenstand einer Untersuchung sind, bei der Untersuchung kooperieren. Hat die ESMA einen Beschluss erlassen, mit dem eine Person aufgefordert wird, einen Verstoß abzustellen, vollständige Informationen zu übermitteln oder vollständige Aufzeichnungen, Daten, oder sonstiges Material vorzulegen, oder hat sie einen Beschluss zur Durchführung einer Prüfung vor Ort erlassen, so kann sie Zwangsgelder verhängen, um die Person, die Gegenstand der Untersuchung ist, zu zwingen, dem erlassenen Beschluss nachzukommen. Vor Verhängung eines Zwangsgeldes sollte die ESMA der Person Gelegenheit geben, sich schriftlich zu äußern.

(5)

Da der Untersuchungsbeauftragte seine Arbeit unabhängig ausübt, sollte die ESMA nicht an die von ihm erstellte Akte gebunden sein. Um jedoch sicherzustellen, dass die Person, die Gegenstand der Untersuchung ist, ihre Verteidigung angemessen vorbereiten kann, sollte sie, wenn die ESMA nicht einverstanden ist, informiert werden und die Möglichkeit erhalten, dazu Stellung zu nehmen.

(6)

Um sicherzustellen, dass die Person, die Gegenstand der Untersuchung ist, ihre Verteidigung angemessen vorbereiten kann, sollte sie informiert werden und die Möglichkeit erhalten, Stellung zu nehmen, wenn die ESMA den Feststellungen des Untersuchungsbeauftragten ganz oder teilweise zustimmt.

(7)

Das Recht auf Anhörung sollte gegen die Notwendigkeit abgewogen werden, dass die ESMA unter bestimmten Umständen dringende Maßnahmen ergreifen muss. Wenn dringende Maßnahmen gemäß Artikel 48e der Verordnung (EU) 2016/1011 gerechtfertigt sind, sollte das Recht der Person, die Gegenstand der Untersuchung ist, auf rechtliches Gehör, die ESMA nicht am Ergreifen dringender Maßnahmen hindern. In einem solchen Fall sollte das Recht der Person, die Gegenstand der Untersuchung ist, auf rechtliches Gehör, so bald wie möglich nach Erlass des Beschlusses gewährleistet werden. Das Verfahren sollte gleichwohl für die Person, die Gegenstand der Untersuchung ist, das Recht vorsehen, vom Untersuchungsbeauftragten angehört zu werden.

(8)

Die Befugnis der ESMA zur Verhängung eines Zwangsgelds sollte unter gebührender Berücksichtigung des Rechts auf Verteidigung ausgeübt werden und nicht über den erforderlichen Zeitraum hinaus aufrechterhalten werden. Erlässt die ESMA einen Beschluss zur Verhängung eines Zwangsgelds, sollte die betreffende Person daher Gelegenheit erhalten, angehört zu werden, und ein etwaiges Zwangsgeld sollte nicht mehr fällig sein, sobald die betreffende Person der entsprechenden Anordnung der ESMA Folge leistet.

(9)

Die von der ESMA und dem Untersuchungsbeauftragten erstellten Akten enthalten Informationen, welche die betreffende Person zur Vorbereitung auf Gerichts- oder Verwaltungsverfahren unbedingt benötigt. Nachdem eine Person, die Gegenstand einer Untersuchung ist, entweder vom Untersuchungsbeauftragten oder von der ESMA eine Mitteilung mit der Auflistung der Prüfungsfeststellungen erhalten hat, sollte sie daher vorbehaltlich des berechtigten Interesses anderer Personen an der Wahrung ihrer Geschäftsgeheimnisse Recht auf Akteneinsicht haben. Die Akten, in die Einsicht genommen wird, sollten nur für Gerichts- oder Verwaltungsverfahren im Zusammenhang mit Verstößen gegen Artikel 42 der Verordnung (EU) 2016/1011 verwendet werden dürfen.

(10)

Sowohl die Befugnis zur Verhängung von Geldbußen und Zwangsgeldern als auch die Befugnis zur Vollstreckung von Geldbußen und Zwangsgeldern sollten innerhalb einer angemessenen Frist ausgeübt werden und daher einer Verjährungsfrist unterliegen. Aus Gründen der Einheitlichkeit sollten bei Verjährungsfristen für die Verhängung und Vollstreckung von Geldbußen oder Zwangsgeldern die bestehenden Rechtsvorschriften der Union, die auf die Verhängung und Vollstreckung von Sanktionen gegen beaufsichtigte Unternehmen anwendbar sind, und die Erfahrung der ESMA mit der Anwendung solcher Rechtsvorschriften berücksichtigt werden. Damit die sichere Verwahrung eingezogener Geldbußen und Zwangsgelder durch die ESMA gewährleistet ist, sollte die ESMA diese auf verzinslichen Konten hinterlegen, die ausschließlich für eine einzelne Geldbuße oder ein einzelnes Zwangsgeld eröffnet werden, durch die bzw. das ein einzelner Verstoß beendet werden soll. Nach dem haushaltspolitischen Vorsichtsprinzip sollte die ESMA die Beträge erst dann an die Kommission überweisen, wenn die Beschlüsse rechtskräftig sind, weil alle Rechtsmittel ausgeschöpft wurden oder die Frist zum Einlegen von Rechtsmitteln abgelaufen ist.

(11)

Gemäß der Verordnung (EU) 2021/168 des Europäischen Parlaments und des Rates (2) können Referenzwerte aus Drittländern in der Union verwendet werden, ohne dass die betreffenden Administratoren in einem bis 2023 verlängerten Übergangszeitraum die Gleichwertigkeit, Anerkennung oder Übernahme ihrer Referenzwerte anstreben müssen. Während dieses Übergangszeitraums ist die Anerkennung in der Union eine Opt-in-Regelung für Referenzwert-Administratoren mit Sitz in Drittländern, was darauf hindeutet, dass ihre Referenzwerte auch nach Ablauf des Übergangszeitraums weiterhin zur Verwendung in der Union zur Verfügung stehen werden. Folglich sollten während dieses Zeitraums die Bestimmungen über Geldbußen nur für in Drittländern ansässige Administratoren gelten, die ihre Anerkennung vor Ablauf des mit der Verordnung (EU) 2021/168 eingeführten Übergangszeitraums freiwillig beantragt haben und die von ihrer jeweiligen zuständigen nationalen Behörde anerkannt wurden.

(12)

Um die reibungslose Anwendung der der ESMA übertragenen neuen Aufsichtsbefugnisse zu gewährleisten, sollte die vorliegende Verordnung so rasch wie möglich in Kraft treten —

HAT FOLGENDE VERORDNUNG ERLASSEN:


(1)  ABl. L 171 vom 29.6.2016, S. 1.

(2)  Verordnung (EU) 2021/168 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 10. Februar 2021 zur Änderung der Verordnung (EU) 2016/1011 im Hinblick auf die Ausnahme bestimmter Devisenkassakurs-Referenzwerte aus Drittstaaten und die Bestimmung von Ersatz-Referenzwerten für bestimmte eingestellte Referenzwerte und zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 648/2012 (ABl. L 49 vom 12.2.2021, S. 6).