Aktualisiert 18/09/2024
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Erwägungsgründe

DELEGIERTE VERORDNUNG (EU) 2016/860 DER KOMMISSION

vom 4. Februar 2016

zur Präzisierung der Umstände, unter denen ein Ausschluss aus dem Anwendungsbereich der Herabschreibungs- oder Umwandlungsbefugnisse gemäß Artikel 44 Absatz 3 der Richtlinie 2014/59/EU des Europäischen Parlaments und des Rates zur Festlegung eines Rahmens für die Sanierung und Abwicklung von Kreditinstituten und Wertpapierfirmen erforderlich ist

DIE EUROPÄISCHE KOMMISSION —

gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union,

gestützt auf die Richtlinie 2014/59/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Mai 2014 zur Festlegung eines Rahmens für die Sanierung und Abwicklung von Kreditinstituten und Wertpapierfirmen und zur Änderung der Richtlinie 82/891/EWG des Rates, der Richtlinien 2001/24/EG, 2002/47/EG, 2004/25/EG, 2005/56/EG, 2007/36/EG, 2011/35/EU, 2012/30/EU und 2013/36/EU sowie der Verordnungen (EU) Nr. 1093/2010 und (EU) Nr. 648/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates (1), insbesondere Artikel 44 Absatz 11,

in Erwägung nachstehender Gründe:

(1)

Im Zusammenhang mit Abwicklungen ist es unerlässlich, dass Abwicklungsbehörden über ausreichende Orientierungshilfen verfügen, um zu gewährleisten, dass das Bail-in-Instrument in der gesamten Union ordnungsgemäß und einheitlich angewandt wird. Der Grundsatz, dass das Bail-in-Instrument auf alle Verbindlichkeiten angewandt werden kann, sofern sie nicht ausdrücklich gemäß Artikel 44 Absatz 2 der Richtlinie 2014/59/EU ausgeschlossen sind, ist als übergreifend anzusehen. Deshalb sollte bei Verbindlichkeiten nicht vorausgesetzt werden, dass sie in jedem Fall vom Bail-in ausgeschlossen sind, es sei denn, sie fallen unter die Liste der Verbindlichkeiten, die nach dieser Bestimmung ausdrücklich ausgenommen sind. Vielmehr sollte die Abwicklungsbehörde schon in der Phase der Abwicklungsplanung und Bewertung der Abwicklungsfähigkeit darauf abstellen, Ausschlüsse vom Bail-in möglichst gering zu halten, um dem Grundsatz zu genügen, dass Anteilseigner und Gläubiger die Kosten der Abwicklung tragen.

(2)

Ein allgemeiner Abwicklungsgrundsatz lautet, dass Anteilseigner und Gläubiger Abwicklungsverluste in der Rangfolge der Forderungen im regulären Insolvenzverfahren tragen sollten. Ferner sollten Gläubiger derselben Klasse in gleicher Weise behandelt werden. Vor diesem Hintergrund muss der Ermessensspielraum für die Abwicklungsbehörden beim vollständigen oder teilweisen Ausschluss von Verbindlichkeiten vom Bail-in und der Weitergabe der Verluste an andere Gläubiger oder gegebenenfalls an den Abwicklungsfonds eindeutig festgelegt werden. Daher müssen die Umstände, unter denen Gläubiger vom Bail-in ausgenommen werden können, eng definiert werden, und jegliche Abweichung vom Grundsatz der Gleichbehandlung von Gläubigern desselben Rangs (Grundsatz der Pari-passu-Behandlung) muss verhältnismäßig, durch das öffentliche Interesse begründet und nichtdiskriminierend sein.

(3)

Es ist wichtig, ein Regelwerk für Abwicklungsbehörden bereitzustellen, wenn sie ihre Befugnis zum Ausschluss einer Verbindlichkeit oder Kategorie von Verbindlichkeiten vom Bail-in unter den außergewöhnlichen Umständen von Artikel 44 Absatz 3 der Richtlinie 2014/59/EU ausüben, um größere Klarheit für ein gegebenes Abwicklungsszenario zu schaffen. Doch es bedarf auch einer gewissen Flexibilität der Abwicklungsbehörden, wenn diese im Einzelfall beurteilen, ob ein Ausschluss zwingend erforderlich und angemessen ist.

(4)

Die Entscheidung für einen Einsatz des Bail-in-Instruments (oder anderer Abwicklungsinstrumente) sollte getroffen werden, um die Abwicklungsziele von Artikel 31 Absatz 2 der Richtlinie 2014/59/EU zu erreichen. In gleicher Weise sollten diese Abwicklungsziele auch in die Entscheidungen hinsichtlich der Verwendung des Instruments einfließen, so auch in die Entscheidung, eine Verbindlichkeit oder Kategorie von Verbindlichkeiten von der Anwendung eines Bail-in in einem bestimmten Fall auszunehmen.

(5)

Im Einklang mit diesen Grundsätzen sollte die Fähigkeit, bestimmte Verbindlichkeiten aus dem Anwendungsbereich der Herabschreibungs- oder Umwandlungsbefugnisse gemäß Artikel 44 Absatz 3 der Richtlinie 2014/59/EU auszuschließen, auf das erforderliche Mindestmaß zur Erreichung der Ziele, die den Ausschluss rechtfertigen, begrenzt sein. Zu diesem Zweck sollte nach Möglichkeit die Option des teilweisen Ausschlusses einer Verbindlichkeit durch Begrenzung des Umfangs ihrer Herabschreibung, wenn dies zur Verwirklichung des Ziels ausreicht, ihrem vollständigen Ausschluss vom Bail-in vorgezogen werden.

(6)

Die ausnahmsweise Ausübung der Befugnis, eine Verbindlichkeit oder Kategorie von Verbindlichkeiten vollständig oder teilweise auszuschließen, sollte keinen Einfluss auf die Zuständigkeiten der Abwicklungsbehörden dafür haben, sicherzustellen, dass Institute und Gruppen abwicklungsfähig sind und über ausreichende Mittel verfügen, um der Mindestanforderung an Eigenmittel und berücksichtigungsfähige Verbindlichkeiten zu genügen, um Verluste bei der Abwicklung auszugleichen und um die Rekapitalisierung im Einklang mit dem Abwicklungsplan zu gewährleisten. So müssen die jeweiligen Abwicklungsbehörden gemäß Artikel 45 Absatz 6 Buchstabe c der Richtlinie 2014/59/EU alle wahrscheinlichen Ausschlüsse berücksichtigen, wenn sie sicherstellen, dass ein Institut über ausreichende Verlusttragungs- und Rekapitalisierungskapazitäten verfügt. Soweit der Ausschluss bestimmter Verbindlichkeiten vom Bail-in diese in der Abwicklung verfügbaren Kapazitäten erheblich reduzieren könnte, sollte die Abwicklungsbehörde die wahrscheinliche Notwendigkeit solcher Ausschlüsse in Betracht ziehen, wenn sie Eigenmittel und berücksichtigungsfähige Verbindlichkeiten gemäß Artikel 45 Absatz 6 Buchstabe c der Richtlinie 2014/59/EU festlegt.

(7)

Angesichts des Ausnahmecharakters der Möglichkeit, dass die Abwicklungsbehörde eine Verbindlichkeit oder Kategorie von Verbindlichkeiten gemäß Artikel 44 Absatz 3 der Richtlinie 2014/59/EU vom Bail-in ausschließt, muss die Bewertung durch die Abwicklungsbehörde hinreichend begründet sein. Laufen solche Ausschlüsse darauf hinaus, dass der Abwicklungsfonds in Anspruch genommen wird, sollte die Abwicklungsbehörde eine fundierte Erklärung der außergewöhnlichen Umstände geben, die zum Ausschluss führen. Diese Erklärung ist unerlässlich, damit die Kommission ihr Mandat nach Artikel 44 Absatz 12 der Richtlinie 2014/59/EU erfüllen kann, wonach sie binnen 24 Stunden nach Mitteilung der Entscheidung durch die Abwicklungsbehörde, bestimmte Verbindlichkeiten auszuschließen, entscheiden muss, ob sie den vorgeschlagenen Ausschluss untersagt oder Änderungen daran verlangt. Die der Kommission von der Abwicklungsbehörde gegebene Erklärung sollte angemessen sein, und dem Gebot der Zweckmäßigkeit je nach den konkreten Umständen des Falls sollte Rechnung getragen werden.

(8)

Im Falle einer Abwicklung sollten auf die Eigenmittel und berücksichtigungsfähige Verbindlichkeiten angerechnete Verbindlichkeiten grundsätzlich immer im erforderlichen Umfang in das Bail-in einbezogen werden, um die Verluste des Instituts auszugleichen oder das Institut zu rekapitalisieren, soweit die Abwicklungsbehörden zum Zeitpunkt der Abwicklungsplanung tatsächlich absehen, dass diese Verbindlichkeiten in glaubhafter und durchführbarer Weise zum Verlustausgleich und zur Rekapitalisierung beitragen. In den Ausnahmefällen, in denen die Abwicklungsbehörden einen Ausschluss gemäß Artikel 44 Absatz 3 der Richtlinie 2014/59/EU anwenden müssen, der in der Abwicklungsplanung nicht in Betracht gezogen wurde, und wenn solche Ausschlüsse auf eine Inanspruchnahme des Abwicklungsfonds hinauslaufen, sollte die Abwicklungsbehörde erläutern, welche außergewöhnlichen Umstände den Ausschluss rechtfertigen und warum diese außergewöhnlichen Umstände von der Abwicklungsbehörde zum Zeitpunkt der Abwicklungsplanung nicht abzusehen waren. Die Anforderung, dass diese Faktoren zu erläutern sind, sollte verhältnismäßig und angemessen im Hinblick auf die Notwendigkeit rechtzeitiger Abwicklungsmaßnahmen zur Anwendung kommen.

(9)

Die Möglichkeit, Verbindlichkeiten nach Artikel 44 Absatz 3 der Richtlinie 2014/59/EU vom Bail-in auszuschließen, sollte unter vollständiger Wahrung der allgemeinen Grundsätze des Unionsrechts ausgeübt werden und insbesondere keinen Einfluss auf die Garantien für andere Gläubiger haben, nämlich auf den Grundsatz, dass kein Gläubiger größere Verluste tragen sollte, als er im Falle einer Liquidierung des Instituts nach dem regulären Insolvenzverfahren erlitten hätte (der Grundsatz „keine Schlechterstellung von Gläubigern“). Die Abwicklungsbehörden sollten beachten, dass diese Garantien eingehalten werden müssen und dass die Gefahr besteht, dass Gläubiger entschädigt werden müssen, falls gegen diese Garantien verstoßen wird, wenn Ausnahmen gemäß Artikel 44 Absatz 3 der Richtlinie 2014/59/EU gemacht werden und wenn der Abwicklungsplan ausgearbeitet wird. Die Tatsache, dass Gerichte die Entscheidung der Abwicklungsbehörde, eine Verbindlichkeit auszuschließen, prüfen können, sollte nicht der einzige Grund für einen weiteren Ausschluss sein. Unabhängig davon sollte früheren Gerichtsentscheidungen zu Abwicklungsmaßnahmen gebührend Rechnung getragen werden, wenn sie für den konkreten Fall von Belang sind.

(10)

Die Fähigkeit der Abwicklungsbehörde insgesamt, Ausschlüsse vorzunehmen, ist dadurch begrenzt, dass Verluste, die aufgrund von Ausschlüssen nicht von Gläubigern voll absorbiert werden, nur dann vom Abwicklungsfinanzierungsmechanismus abgedeckt werden können, wenn Anteilseigner und Gläubiger zu einem Betrag in Höhe von mindestens 8 % der gesamten Verbindlichkeiten einschließlich Eigenmittel des Instituts beigetragen haben.

(11)

Ausschlüsse sollten fallweise abgewogen werden, indem relevante Erwägungen anhand der einzelnen potenziellen Gründe für Ausnahmen gemäß Artikel 44 Absatz 3 der Richtlinie 2014/59/EU analysiert werden, statt den besonderen Charakter der betreffenden Institute für sich genommen zu betrachten. Dieser Ansatz dürfte eine kohärente Berücksichtigung außergewöhnlicher Umstände gewährleisten und unnötige Wettbewerbsverzerrungen vermeiden. Die Merkmale eines Instituts (wie Größe, Vernetzung oder Komplexität) sollten, wenn relevant, mitberücksichtigt werden, um zu bewerten, ob die den Ausschluss einer Verbindlichkeit vom Bail-in rechtfertigenden Umstände vorliegen. Allerdings sollten diese Merkmale nicht automatisch Ausschlüsse von Verbindlichkeiten eines Instituts vom Bail-in rechtfertigen.

(12)

Einige allgemeine Faktoren, beispielsweise Marktbedingungen, Umstände des Ausfalls oder Höhe der Verluste, die für das Institut entstanden sind, könnten die Wahrscheinlichkeit beeinflussen, dass außergewöhnliche Umstände im Sinne von Artikel 44 Absatz 3 der Richtlinie 2014/59/EU entstehen. Allerdings sollten solche allgemeinen Faktoren keine weiteren unabhängigen Gründe für einen Ausschluss neben den in Artikel 44 Absatz 3 Buchstabe a bis d der Richtlinie 2014/59/EU genannten Gründen bilden.

(13)

Wenn geprüft wird, ob ein oder mehrere Umstände vorliegen, die Ausschlüsse vom Bail-in rechtfertigen, sollte die Abwicklungsbehörde die Zeitspanne in Betracht ziehen, nach der der bevorstehende Ausfall eines Instituts nicht mehr geordnet geregelt werden kann. Wenn Abwicklungspläne sowie Eigenmittel und berücksichtigungsfähige Verbindlichkeiten für jedes Institut festgelegt und Hindernisse für die Abwicklung geklärt worden sind, ist davon auszugehen, dass das Institut über die erforderliche Kapazität verfügt, um die Verluste zu absorbieren und rekapitalisiert zu werden. So sollte das Abwicklungskonzept dem Abwicklungsplan einschließlich der Abwicklungsstrategie folgen, es sei denn, die Abwicklungsbehörden gelangen unter Berücksichtigung der Sachlage zu der Einschätzung, dass die Ziele der Abwicklung mit Maßnahmen, die im Abwicklungsplan nicht enthalten sind, wirksamer zu erreichen sind.

(14)

In dem Zeitraum, in dem Abwicklungspläne sowie Eigenmittel und berücksichtigungsfähige Verbindlichkeiten noch nicht angenommen wurden, und wenn nur eine begrenzte Zeit für eine Entscheidung über die konkrete Umsetzung der Abwicklungsstrategie durch die Abwicklungsbehörde zur Verfügung steht, ist eher davon auszugehen, dass es Fälle geben wird, in denen die Anwendung des Bail-in-Instruments auf alle berücksichtigungsfähigen Verbindlichkeiten innerhalb einer angemessenen Frist nicht möglich ist. Die Festlegung, was „eine angemessene Frist“ darstellt, sollte darauf beruhen, mit welchem Tempo und welcher Sicherheit das Bail-in bis zu einem bestimmten Zeitpunkt abgeschlossen sein muss, um die Firma wirksam zu stabilisieren. Wenn sich nicht alle Aufgaben ausführen lassen, um bestimmte Verbindlichkeiten bis zu diesem Zeitpunkt in das Bail-in einzubeziehen, sollte davon ausgegangen werden, dass es nicht möglich ist, das Bail-in „innerhalb einer angemessenen Frist“ durchzuführen. Die Entscheidung, wann aus „schwierig“„nicht möglich“ wird, sollte anhand der Kriterien zur Definition einer „angemessenen Frist“ erfolgen.

(15)

Grundsätzlich können Verbindlichkeiten, die dem Recht eines Drittlands unterliegen, in das Bail-in einbezogen werden, sofern sie nicht nach Artikel 44 Absatz 2 ausgeschlossen sind. Der in Artikel 55 vorgesehene Mechanismus soll die Wahrscheinlichkeit erhöhen, dass diese Verbindlichkeiten innerhalb einer angemessenen Frist in das Bail-in einbezogen werden können. Ebenso sieht Artikel 67 der Richtlinie 2014/59/EU vor, dass es den Abwicklungsbehörden freisteht zu verlangen, dass der Verwalter, der vorläufig bestellte Verwalter oder eine andere Person, die die Kontrolle über das in Abwicklung befindliche Institut ausübt, alle erforderlichen Maßnahmen ergreifen muss, um sicherzustellen, dass die Herabschreibung oder die Umwandlung von Verbindlichkeiten, die dem Recht eines Drittlands unterliegen, wirksam wird. Angesichts der Tatsache, dass derartige Verbindlichkeiten nicht dem EU-Recht unterliegen, bleibt allerdings ein Restrisiko, dass in Ausnahmefällen trotz aller Bemühungen der Abwicklungsbehörde, einschließlich der Ausübung ihres Ermessens nach Artikel 67, Probleme auftreten, derartige Verbindlichkeiten innerhalb einer angemessenen Frist in das Bail-in einzubeziehen.

(16)

Ein praktisches Hindernis für das Bail-in bestimmter Verbindlichkeiten kann darin bestehen, dass die Höhe der Verbindlichkeit zum Zeitpunkt der Anwendung des Bail-in-Instruments durch die Abwicklungsbehörde nicht ermittelt oder schwer zu ermitteln ist. Dies kann bei besicherten Verbindlichkeiten der Fall sein, die den Wert der entsprechenden Sicherheit übersteigen, oder bei Verbindlichkeiten, die von ungewissen Ereignissen in der Zukunft abhängig sind, wie etwa außerbilanzielle Posten oder nicht gezogene Kreditzusagen. Solche Hindernisse können durch eine geeignete Bewertung überwunden werden, beispielsweise die Kündigung der Verbindlichkeit und Ermittlung des Werts mittels Schätzung anhand einer einschlägigen Bewertungsmethodik oder Anwendung eines „virtuellen“ prozentualen Reduzierungsanteils.

(17)

Zwar trifft es zu, dass in einigen Fällen auch bei Derivaten Schwierigkeiten mit dem Bail-in bestehen können, doch in Artikel 49 der Richtlinie 2014/59/EU ist klar festgelegt, wie Derivate in das Bail-in einbezogen werden sollten, nämlich nach einer Glattstellung. Der Umstand, dass es schwierig sein kann, den Saldo nach der Glattstellung kurzfristig zu bestimmen, sollte nicht zu einem automatischen Ausschluss führen, da dies auch mit einer einschlägigen Bewertungsmethodik gelöst werden kann, wie sie von der Kommission gemäß Artikel 49 Absatz 5 der Richtlinie 2014/59/EU festgelegt wurde, insbesondere in der Phase der vorläufigen Bewertung. In diesem Sinne sollten die Institute gehalten sein nachzuweisen, dass sie fähig sind, die Informationen beizubringen, die zur Durchführung einer Bewertung für die Zwecke der Abwicklung erforderlich sind. Insbesondere sollten die Abwicklungsbehörden sicherstellen, dass die Institute in der Lage sind, die benötigten aktuellen Informationen innerhalb der in der Abwicklungsstrategie vorgesehenen Frist vorzulegen, vor allem zur Unterstützung einer glaubhaften Bewertung vor und während der Abwicklung gemäß Artikel 36 der Richtlinie 2014/59/EU. Ferner ist in den Leitlinien festgelegt, dass die Abwicklungsbehörden erwägen sollten, von den Instituten die Veräußerung von Vermögenswerten zu verlangen, die die Durchführbarkeit der Bewertung beeinträchtigen.

(18)

In Artikel 2 der Richtlinie 2014/59/EU wird das Konzept der kritischen Funktionen und Kerngeschäftsbereiche definiert. Die Kommission hat die Befugnis, einen delegierten Rechtsakt zu erlassen, in dem präzisiert wird, unter welchen Umständen bestimmte Tätigkeiten, Dienstleistungen und Geschäfte unter die Definition der „kritischen Funktionen“ oder „Kerngeschäftsbereiche“ fallen könnten. Diesbezüglich ist die Rentabilität eines Geschäftsbereichs für sich genommen kein ausreichender Grund für den Ausschluss von Verbindlichkeiten im Zusammenhang mit diesem Geschäftsbereich vom Bail-in. Der Ausschluss kann jedoch gerechtfertigt sein, wenn die Fortführung eines Kerngeschäftsbereichs entscheidend für die Erreichung der Abwicklungsziele ist, was auch die Erhaltung kritischer Funktionen einschließt, wenn diese durch die Fortsetzung der wichtigsten Geschäfte, Dienste und Transaktionen befördert werden.

(19)

Abwicklungsbehörden dürfen nur Verbindlichkeiten ausschließen, die für Risikomanagementzwecke (Absicherungszwecke) im Zusammenhang mit kritischen Funktionen benötigt werden, wenn das Risikomanagement (Absicherung) für Aufsichtszwecke anerkannt und unerlässlich ist, um Geschäfte im Zusammenhang mit kritischen Funktionen zu erhalten, sodass der Fortbestand der kritischen Funktionen ernsthaft gefährdet wäre, wenn die Absicherung abgewickelt würde.

(20)

Zudem dürfen die Abwicklungsbehörden nur Verbindlichkeiten ausschließen, die für Risikomanagementzwecke (Absicherungszwecke) im Zusammenhang mit kritischen Funktionen benötigt werden, wenn sie, sollte die Risikomanagementmaßnahme abgewickelt werden, vom Institut nicht zu vertretbaren Bedingungen innerhalb der zur Erhaltung der kritischen Funktion erforderlichen Zeitspanne, beispielsweise aufgrund von Spreads oder Unsicherheiten bei der Bewertung, ersetzt werden könnten.

(21)

Die Verhinderung einer Ansteckung zur Vermeidung erheblicher negativer Auswirkungen auf die Finanzstabilität ist ein weiteres Abwicklungsziel, das eine Ausnahme von der Anwendung des Bail-in-Instruments rechtfertigen würde. In jedem Fall sollte ein Ausschluss auf dieser Grundlage nur erfolgen, wenn er zwingend erforderlich und angemessen ist, aber auch, wenn die Ansteckung so schwerwiegend ist, dass sie ausgedehnt wäre und das Funktionieren der Finanzmärkte derart stören würde, dass dies die Wirtschaft eines Mitgliedstaats oder der Union erheblich beeinträchtigen könnte.

(22)

Ein gewisses Risiko einer Ansteckung kann in der Anwendung des Bail-in-Instruments angelegt sein. Die Rechtsetzungsentscheidung, das Bail-in-Instrument in der Richtlinie 2014/59/EU als wichtiges Abwicklungsinstrument zusammen mit dem Grundsatz zu verankern, dass Gläubiger und Anteilseigner Verluste tragen sollten, bedeutet, dass das mit einem Bail-in möglicherweise verbundene Ansteckungsrisiko nicht automatisch als Grund für den Ausschluss von Verbindlichkeiten angesehen werden sollte. Abwicklungsbehörden sollten deshalb diese Gründe sorgfältig beurteilen und den Ausschluss einer Verbindlichkeit vom Bail-in damit erklären, dass sie mit höherer Wahrscheinlichkeit eine ausgedehnte Ansteckung der in Artikel 44 Absatz 3 Buchstabe c der Richtlinie 2014/59/EU beschriebenen Art verursacht als die nicht ausgeschlossenen Verbindlichkeiten. Zu diesem Zweck sollten sie ihre Bewertung auf geeignete Methoden stützen, wozu auch eine quantitative Analyse gehört, um das Risiko und den Schweregrad einer ausgedehnten Ansteckung und einer erheblichen Beeinträchtigung der Wirtschaft eines Mitgliedstaats oder der Union zu bestimmen.

(23)

Die Notwendigkeit eines Ausschlusses aufgrund des Risikos einer ausgedehnten Ansteckung könnte durch die Marktbedingungen zum Zeitpunkt des Bail-in beeinflusst sein, insbesondere, wenn der Ausfall der Firma stattfindet, wenn das Finanzsystem unter erheblichem Stress steht oder an mangelndem Vertrauen leidet. Das Risiko, dass der Einsatz der Abwicklungsinstrumente und -befugnisse eine erhebliche unmittelbare oder mittelbare Beeinträchtigung der Finanzstabilität und des Marktvertrauens bewirken könnte, sollte in die Bewertung der Abwicklungsfähigkeit wie in Punkt 26 von Abschnitt C des Anhangs der Richtlinie 2014/59/EU verlangt einfließen. Daher wird, wenn eine Verbindlichkeit gemäß Artikel 44 Absatz 3 dieser Richtlinie vom Bail-in wegen des Risikos einer ausgedehnten Ansteckung ausgeschlossen wird, von der Abwicklungsbehörde erwartet, dass sie erläutert, warum die Hindernisse für das Bail-in nicht im Zuge der Abwicklungsplanung geklärt wurden, wenn diese Ausschlüsse auf ein Hindernis für die Abwicklungsfähigkeit hinauslaufen. Die Abwicklungsbehörde sollte ferner bewerten, ob der Ansteckungseffekt aus dem Einsatz des Bail-in-Instruments bei den infrage stehenden Verbindlichkeiten herrührt oder dadurch erheblich verschärft wird oder vielmehr durch den Ausfall des Instituts an sich entsteht.

(24)

Das Risiko einer ausgedehnten Ansteckung kann unmittelbar bestehen, wenn die direkten Verluste, die den Gegenparteien des in Abwicklung befindlichen Instituts entstehen, zum Ausfall oder zu ernsten Problemen mit der Zahlungsfähigkeit dieser Gegenparteien und wiederum für deren Gegenparteien führen. Die Möglichkeit eines Ausfalls eines oder mehrerer Finanzinstitute, die als unmittelbare Folge des Bail-in ausfallen oder in Notlage geraten, sollte nicht automatisch zum Ausschluss von Verbindlichkeiten vom Bail-in führen. Entscheidungen über Ausschlüsse sollten im Verhältnis zu den Systemrisiken erfolgen, die durch eine direkte Ansteckung entstehen können.

(25)

Das Risiko einer ausgedehnten Ansteckung kann auch mittelbar bestehen, zum Beispiel infolge des Verlustes des Vertrauens bestimmter Marktteilnehmer, wie etwa Bankkunden, oder durch Vermögenspreiseffekte. Ein wichtiger Kanal einer indirekten Ansteckung kann der Verlust des Vertrauens in Refinanzierungsmärkte (Privat- und Firmenkredite) sein: Versiegen des Angebots, höhere Einschussanforderungen im Allgemeinen oder für Institute mit ähnlichen Merkmalen wie das ausfallende Institut oder kurzfristige Verkäufe von Vermögenswerten durch Institute mit Liquiditätsengpässen.

(26)

Die Einbeziehung bestimmter Verbindlichkeiten in das Bail-in könnte zu einer Wertvernichtung führen, wenn diese Verbindlichkeiten Teil eines erfolgreichen Geschäftsbereichs sind, der ansonsten den Wert der Bank erheblich steigern würde, beispielsweise bei einer Veräußerung an einen privaten Käufer. Damit die Abwicklungsbehörde eine Verbindlichkeit oder Kategorie von Verbindlichkeiten vom Bail-in ausnehmen kann, müsste der erhaltene Wert hoch genug sein, um die Lage nicht ausgeschlossener Gläubiger, gemessen an ihrer Lage bei Nichtausschluss der infrage stehenden Verbindlichkeiten vom Bail-in, (potenziell) zu verbessern. Daher können die Abwicklungsbehörden eine Verbindlichkeit vom Bail-in gemäß Artikel 44 Absatz 3 Buchstabe d der Richtlinie 2014/59/EU ausschließen, wenn der Nutzen eines Ausschlusses für andere Gläubiger höher wäre als deren Beitrag zum Verlustausgleich und zur Rekapitalisierung, fände der Ausschluss nicht statt. Dies kann zum Beispiel der Fall sein, wenn der erhaltene Wert durch einen entsprechenden Anstieg der von einem privaten Käufer zu entrichtenden Gegenleistung eindeutig festzustellen wäre.

(27)

Im Zuge der Bewertung der möglichen Vorteile hinsichtlich der Werterhaltung eines Ausschlusses vom Bail-in wird der Kommission mit Artikel 36 Absatz 16 bzw. Artikel 49 Absatz 5 der Richtlinie 2014/59/EU die Befugnis übertragen, technische Regulierungsstandards für die Bewertung für die Zwecke der Abwicklung und die Bewertung von Derivaten zu erlassen. Je nach der geltenden Methodik können sich aus der Auflösung von Derivaten zusätzliche Verluste ergeben und das Bail-in-Potenzial der entsprechenden Verbindlichkeit übersteigen, was weitere Verluste zur Folge hätte, die die Belastung für andere Gläubiger des in Abwicklung befindlichen Instituts durch das Bail-in erhöhen würden. Zusätzliche Verluste können aus den für die Gegenpartei entstehenden Wiederbeschaffungskosten oder durch dem in Abwicklung befindlichen Institut entstehende Kosten zur Wiederherstellung von offengelassenen Absicherungen, die nicht im Fortführungswert von Derivaten berücksichtigt sind, erwachsen. Unter diesen Umständen sollte die Abwicklungsbehörde bewerten, ob diese Wertminderung bedeuten würde, dass die von nicht ausgeschlossenen Gläubigern zu tragenden Verluste höher wären als bei einem Ausschluss der infrage stehenden Verbindlichkeit vom Bail-in. Rein spekulative Erwartungen einer potenziellen Wertsteigerung dürfen nicht als Ausschlussgrund dienen —

HAT FOLGENDE VERORDNUNG ERLASSEN:


(1)  ABl. L 173 vom 12.6.2014, S. 190.