Aktualisiert 19/09/2024
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Ursprungsrechtsakt
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Erwägungsgründe

DELEGIERTE VERORDNUNG (EU) 2020/1303 DER KOMMISSION

vom 14. Juli 2020

zur Ergänzung der Verordnung (EU) Nr. 648/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates durch die Kriterien, die die ESMA bei der Feststellung, ob eine in einem Drittstaat niedergelassene zentrale Gegenpartei für die Finanzstabilität der Union oder eines oder mehrerer ihrer Mitgliedstaaten Systemrelevanz hat oder wahrscheinlich erlangen wird, berücksichtigen sollte

(Text von Bedeutung für den EWR)

DIE EUROPÄISCHE KOMMISSION —

gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union,

gestützt auf die Verordnung (EU) Nr. 648/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. Juli 2012 über OTC-Derivate, zentrale Gegenparteien und Transaktionsregister (1), insbesondere auf Artikel 25 Absatz 2a Unterabsatz 2,

in Erwägung nachstehender Gründe:

(1)

Bei der Bewertung des Systemrisikos, das von einer Drittstaaten-CCP für die Finanzstabilität der Union oder eines oder mehrerer ihrer Mitgliedstaaten ausgeht, sollte die ESMA ihre Entscheidung über die Anerkennung einer Drittstaaten-CCP als Tier 1-CCP oder Tier 2-CCP auf eine Reihe objektiver quantitativer und qualitativer Kriterien stützen. Sie sollte ferner den Bedingungen Rechnung tragen, unter denen die Kommission ihren Gleichwertigkeitsbeschluss erlassen hat. Insbesondere muss die ESMA bei der Bewertung des Risikoprofils einer Drittstaaten-CCP objektive und transparente quantitative Tätigkeitsindikatoren für Geschäfte heranziehen, die zum Zeitpunkt der Bewertung in Bezug auf in der Union ansässige Clearingteilnehmer getätigt werden oder auf Unionswährungen lauten. Zwar muss die ESMA die Geschäfte der CCP ganzheitlich prüfen, doch sollte ihre Bewertung das Risiko widerspiegeln, das von der betreffenden CCP für die Finanzstabilität der Union ausgehen könnte.

(2)

Bei der Festlegung der Kriterien, die die ESMA bei der Bestimmung der Systemrelevanz einer Drittstaaten-CCP zu berücksichtigen hat, sollten die Art der von der CCP geclearten Geschäfte, einschließlich ihrer Komplexität, ihres Risikoprofils und ihrer durchschnittlichen Fälligkeit, sowie die Transparenz und Liquidität der betreffenden Märkte und der Umfang, in dem die Clearingtätigkeiten der CCP auf Euro oder andere Unionswährungen lauten, berücksichtigt werden. In diesem Zusammenhang ist bei bestimmten auf geregelten Märkten in Drittstaaten notierten und gehandelten Produkten, wie landwirtschaftlichen Erzeugnissen, auf Märkten, die weitgehend inländische nichtfinanzielle Gegenparteien im betreffenden Drittstaat bedienen, die ihre Geschäftsrisiken über solche Kontrakte steuern, aufgrund ihrer spezifischen Merkmale nur eine schwache systemische Verflechtung mit dem übrigen Finanzsystem und deshalb ein vernachlässigbares Risiko für Clearingmitglieder und Handelsplätze in der Union gegeben.

(3)

Die Länder, in denen die CCP tätig ist, der Umfang der von ihr erbrachten Dienstleistungen, die Merkmale der von ihr geclearten Finanzinstrumente sowie die geclearten Volumen sind objektive Indikatoren für die Komplexität der Geschäftstätigkeit der CCP. Bei der Prüfung des in Artikel 25 Absatz 2a Buchstabe a der Verordnung (EU) Nr. 648/2012 genannten Kriteriums sollte die ESMA daher die Eigentums-, Geschäfts- und Unternehmensstruktur der CCP sowie das Spektrum, die Art und die Komplexität der von der CCP angebotenen Clearingdienste sowie den Umfang berücksichtigen, in dem diese Dienstleistungen für in der Union niedergelassene Clearingmitglieder und Kunden (im Folgenden „Clearingteilnehmer“) von Bedeutung sind. Auch wenn die Systemrelevanz einer CCP ganzheitlich zu bewerten ist, sollte die ESMA in besonderem Maße berücksichtigen, welcher Anteil der Geschäftstätigkeiten der CCP auf Unionswährungen lautet und welcher Anteil ihrer Geschäftstätigkeiten auf in der Union niedergelassene Clearingteilnehmer zurückzuführen ist. Bei CCPs, die mit höherer Wahrscheinlichkeit Systemrelevanz für die Union haben, ist es wichtig, dass die ESMA bei der Feststellung einer möglichen Gefährdung der Interessen der Union die Struktur und die Eigentumsverhältnisse der Gruppe bewertet, der die CCP möglicherweise angehört. Darüber hinaus sollten auch die Tiefe, Liquidität und Transparenz der von einer solchen CCP bedienten Märkte bewertet werden, damit die ESMA das Risiko für in der Union niedergelassene Clearingmitglieder im Falle von Ausfall-Auktionen besser erfassen kann.

(4)

Das Kapital der CCP und die von den Clearingteilnehmern gebundenen Finanzmittel sowie die Art und die Merkmale der von ihnen gestellten Sicherheiten sind wesentliche Elemente, die bei der Prüfung, wie gut eine CCP in der Lage ist, einer nachteiligen Entwicklung standzuhalten, zu berücksichtigen sind. Daher sollte die ESMA bei der Bewertung des Kriteriums nach Artikel 25 Absatz 2a Buchstabe b der Verordnung (EU) Nr. 648/2012 sich einen Überblick über die Finanzmittel verschaffen, die der CCP im Falle eines Ausfalls- oder anderen Ereignisses zur Verfügung stehen. Die ESMA sollte auch prüfen, ob es sich um besicherte, unbesicherte, gebundene, nicht gebundene, kapitalgedeckte oder nicht kapitalgedeckte Mittel handelt, und die Mittel berücksichtigen, die von der CCP eingesetzt werden, um Rechtssicherheit und Vertrauen in Bezug auf die von ihr abgewickelte Zahlungen und die ihr gestellten Sicherheiten zu schaffen. Schließlich sollte die ESMA das Vorhandensein, die Art und die Auswirkungen eines Sanierungs- und Wiederherstellungsrahmens für CCPs im Rechtsraum, in dem die CCP, die die Anerkennung beantragt, tätig ist, berücksichtigen. Solche Sanierungs- und Wiederherstellungsrahmen sollten anhand international vereinbarter Leitlinien und Schlüsselmerkmale bewertet werden. Bei der Betrachtung des Abwicklungs- und des Liquiditätsrisikos sollte die ESMA besonders auf wahrscheinlich systemrelevante CCPs achten und prüfen, wie sicher der Liquiditätszugang dieser CCPs ist und welche Liquiditätsengpässe für Unionswährungen bestehen. Zwar können die Distributed-Ledger-Technologie oder andere neue Technologien die Sicherheit von Zahlungen und Abwicklungen wahrscheinlich verbessern, doch sollte die ESMA zusätzlichen Risiken, die von diesen Technologien für die CCP ausgehen können, insbesondere Cyberrisiken, Rechnung tragen.

(5)

Die Art der Bedingungen, die eine CCP auferlegt, damit Clearingteilnehmer ihre Dienstleistungen in Anspruch nehmen können, und die Verflechtungen zwischen diesen Clearingteilnehmern haben Auswirkungen auf die Art und Weise, in der eine CCP durch ein ungünstiges Ereignis im Zusammenhang mit diesen Teilnehmern beeinträchtigt werden kann. Daher sollte die ESMA bei der Bewertung des in Artikel 25 Absatz 2a Buchstabe c der Verordnung (EU) Nr. 648/2012 genannten Kriteriums so weit wie möglich die Identität der Clearingteilnehmer der CCP bestimmen, insbesondere wenn die CCP Dienstleistungen für in der Union niedergelassene Clearingteilnehmer erbringt. Die ESMA sollte ferner den relevanten Marktanteil oder die relative Bedeutung von Clearingteilnehmern oder Gruppen von Clearingteilnehmern dieser CCP bestimmen. Soweit dies für eine Bewertung der möglichen Auswirkungen auf die Struktur der Clearingmitglieder erforderlich ist, sollte die ESMA die Bedingungen und Optionen bewerten, unter denen die CCP Zugang zu ihren Clearingdiensten gewährt. Bei CCPs, die für die Union wahrscheinlich Systemrelevanz haben, sollte die ESMA bewerten, ob die rechtlichen und aufsichtsrechtlichen Anforderungen, die eine CCP ihren Clearingmitgliedern auferlegt, ausreichend streng sind.

(6)

Im Falle einer Unterbrechung der Tätigkeit einer CCP müssen sich die Clearingteilnehmer möglicherweise direkt oder indirekt auf die Erbringung ähnlicher oder identischer Dienstleistungen durch andere CCPs verlassen. Um die relative Bedeutung der CCP, die die Anerkennung beantragt, beurteilen zu können, sollte die ESMA daher bei der Bewertung des Kriteriums nach Artikel 25 Absatz 2a Buchstabe d der Verordnung (EU) Nr. 648/2012 bestimmen, ob Clearingteilnehmer einige oder alle von der betreffenden CCP erbrachten Clearingdienste durch Dienstleistungen anderer CCPs ersetzen können, insbesondere wenn diese alternativen CCPs in der Union zugelassen oder anerkannt sind. Wenn in der Union niedergelassene Clearingmitglieder und Kunden bestimmte clearingpflichtige Produkte nur durch eine Drittstaaten-CCP clearen lassen können, sollte die ESMA die Systemrelevanz dieser CCP besonders sorgfältig prüfen.

(7)

CCPs können in vielerlei Hinsicht mit anderen Finanzinfrastrukturen wie anderen CCPs oder Zentralverwahrern verbunden sein. Eine Störung dieser Verbindungen kann sich nachteilig auf das Funktionieren der CCP auswirken. Daher sollte die ESMA bei der Bewertung des Kriteriums nach Artikel 25 Absatz 2a Buchstabe e der Verordnung (EU) Nr. 648/2012 prüfen, in welchem Umfang die CCP in einer Art und Weise mit anderen Finanzmarktinfrastrukturen oder Finanzinstituten verbunden ist, die sich auf die Finanzstabilität der Union oder eines oder mehrerer ihrer Mitgliedstaaten auswirken könnte. Dabei sollte die ESMA Verbindungen und wechselseitigen Abhängigkeiten mit in der Union ansässigen Unternehmen besondere Aufmerksamkeit widmen. Schließlich sollte die ESMA die Art der von der CCP ausgelagerten Dienstleistungen und das Risiko, das solche Vereinbarungen im Falle einer etwaigen Unterbrechung oder Beeinträchtigung für die CCP darstellen könnten, ermitteln und bewerten.

(8)

Wenn anhand objektiver quantitativer Indikatoren eine signifikante Risikoexponierung von in der Union niedergelassenen Clearingmitgliedern und Kunden gegenüber einer CCP ermittelt wurde, sollte die ESMA für jedes Kriterium zusätzliche Elemente bewerten. Je mehr Indikatoren bei einer CCP erfüllt sind, desto wahrscheinlicher wird die ESMA zu dem Schluss kommen, dass die betreffende CCP für die Finanzstabilität der Union oder eines oder mehrerer ihrer Mitgliedstaaten Systemrelevanz hat.

(9)

Diese delegierte Verordnung sollte umgehend in Kraft treten, um eine möglichst schnelle Anwendung der Verordnung (EU) 2019/2099 des Europäischen Parlaments und des Rates (2) zu gewährleisten —

HAT FOLGENDE VERORDNUNG ERLASSEN:


(1)  ABl. L 201 vom 27.7.2012, S. 1.

(2)  Verordnung (EU) 2019/2099 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 2019 zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 648/2012 hinsichtlich der für die Zulassung von zentralen Gegenparteien anwendbaren Verfahren und zuständigen Behörden und der Anforderungen für die Anerkennung zentraler Gegenparteien aus Drittstaaten (ABl. L 322 vom 12.12.2019, S. 1).