Aktualisiert 22/10/2024
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Ursprungsrechtsakt
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Erwägungsgründe

DELEGIERTE VERORDNUNG (EU) 2022/803 DER KOMMISSION

vom 16. Februar 2022

zur Ergänzung der Verordnung (EU) Nr. 600/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates durch Festlegung von Verfahrensvorschriften für die Ausübung der Befugnis der Europäischen Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde, Geldbußen oder Zwangsgelder gegen Datenbereitstellungsdienstleister zu verhängen

(Text von Bedeutung für den EWR)

DIE EUROPÄISCHE KOMMISSION —

gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union,

gestützt auf die Verordnung (EU) Nr. 600/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Mai 2014 über Märkte für Finanzinstrumente und zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 648/2012 (1), insbesondere auf Artikel 38k Absatz 10,

in Erwägung nachstehender Gründe:

(1)

Angesichts der grenzüberschreitenden Dimension des Umgangs mit Marktdaten, der Datenqualität und der Notwendigkeit der Erzielung von Skaleneffekten und im Bestreben, die negativen Auswirkungen möglicher Unterschiede auf die Qualität der Daten und auf die Aufgaben der Datenbereitstellungsdienstleister zu vermeiden, wurden der Europäischen Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (im Folgenden „ESMA“) mit der Verordnung (EU) 2019/2175 des Europäischen Parlaments und des Rates (2) Zulassungs- und Aufsichtsbefugnisse in Bezug auf die Tätigkeiten von Datenbereitstellungsdienstleistern in der Union übertragen.

(2)

Es sollten Verfahrensvorschriften für die Ausübung der Befugnis zur Verhängung von Geldbußen und Zwangsgeldern gegen der Beaufsichtigung durch die ESMA unterliegenden Datenbereitstellungsdienstleistern festgelegt werden. Die Verordnung (EU) Nr. 600/2014 schreibt insbesondere vor, dass diese Verfahrensvorschriften Bestimmungen zum Recht auf Verteidigung, zur Einziehung der Geldbußen oder Zwangsgelder und zur Verjährung bezüglich der Verhängung und Vollstreckung von Buß- oder Zwangsgeldzahlungen beinhalten sollten.

(3)

Gelangt die ESMA zu dem Schluss, dass es ernsthafte Anhaltspunkte für das mögliche Vorliegen von Tatsachen gibt, die einen oder mehrere Verstöße gegen die Anforderungen für Datenbereitstellungsdienstleister darstellen könnten, benennt sie aus dem Kreis ihrer Bediensteten einen unabhängigen Untersuchungsbeauftragten zur Untersuchung des Sachverhalts. Nach Abschluss der Untersuchung gibt der Untersuchungsbeauftragte der Person, die Gegenstand der Untersuchung ist, Gelegenheit, angehört zu werden. Das heißt, dass diese Person/n das Recht haben sollte/n, innerhalb einer angemessenen Frist von mindestens vier Wochen schriftlich Stellung zu nehmen, bevor der Untersuchungsbeauftragte seine Feststellungen an die ESMA übermittelt. Der Person, die Gegenstand der Untersuchung sind, sollte es gestattet sein, sich von einem Berater ihrer Wahl unterstützen zu lassen. Der Untersuchungsbeauftragte sollte prüfen, ob es aufgrund der Eingaben der Person, die Gegenstand der Untersuchung ist, erforderlich ist, die Auflistung der Prüfungsfeststellungen vor Übermittlung an die ESMA zu ändern.

(4)

Die ESMA sollte die Vollständigkeit der vom Untersuchungsbeauftragten übermittelten Akte anhand einer Liste von Dokumenten prüfen. Um sicherzustellen, dass die Person, die Gegenstand der Untersuchung ist, ihre Verteidigung angemessen vorbereiten kann, sollte ihr die ESMA das Recht einräumen, weitere schriftliche Bemerkungen abzugeben, bevor sie einen endgültigen Beschluss über Geldbußen oder Aufsichtsmaßnahmen erlässt.

(5)

Die ESMA sollte bestimmte Zwangsmaßnahmen ergreifen können, um dafür zu sorgen, dass Personen bei einer Untersuchung kooperieren. Hat die ESMA einen Beschluss erlassen, mit dem eine Person aufgefordert wird, einen Verstoß abzustellen, vollständige Informationen zu übermitteln oder vollständige Aufzeichnungen, Daten oder sonstiges Material vorzulegen, oder hat sie einen Beschluss zur Durchführung einer Prüfung vor Ort erlassen, so kann sie Zwangsgelder verhängen, um die Person, die Gegenstand der Untersuchung ist, zu zwingen, dem erlassenen Beschluss nachzukommen. Vor Verhängung eines Zwangsgeldes sollte die ESMA der Person Gelegenheit geben, sich schriftlich zu äußern.

(6)

Das Recht auf Verteidigung sollte gegen die Notwendigkeit abgewogen werden, dass die ESMA unter bestimmten Umständen dringende Maßnahmen ergreifen muss. Wenn dringende Maßnahmen gemäß Artikel 38l der Verordnung (EU) Nr. 600/2014 gerechtfertigt sind, sollten das Recht der Person, die Gegenstand der Untersuchung ist, auf Verteidigung die ESMA nicht am Ergreifen dringender Maßnahmen hindern. In einem solchen Fall kann die ESMA, um ernsthaften und unmittelbar bevorstehenden Schaden vom Finanzsystem abzuwenden, einen Interimsbeschluss erlassen, ohne der Person, die Gegenstand der Untersuchung ist, Gelegenheit zu geben, Eingaben zu machen. Die ESMA sollte der betreffenden Person Gelegenheit geben, so bald wie möglich nach Erlass des Interimsbeschlusses und vor Erlass eines bestätigenden Beschlusses gehört zu werden. Das Verfahren sollte gleichwohl für die Person, die Gegenstand der Untersuchung ist, das Recht vorsehen, im Voraus vom Untersuchungsbeauftragten angehört zu werden.

(7)

Die von der ESMA und dem Untersuchungsbeauftragten erstellten Akten enthalten Informationen, welche die betroffene Person zur Vorbereitung auf Gerichts- oder Verwaltungsverfahren unbedingt benötigt. Nachdem eine Person, die Gegenstand einer Untersuchung ist, entweder vom Untersuchungsbeauftragten oder von der ESMA eine Mitteilung mit der Auflistung der Prüfungsfeststellungen erhalten hat, sollte sie daher vorbehaltlich des berechtigten Interesses anderer Personen an der Wahrung ihrer Geschäftsgeheimnisse Recht auf Akteneinsicht haben. Die Akten, in die Einsicht genommen wird, sollten nur für Gerichts- oder Verwaltungsverfahren im Zusammenhang mit Verstößen gegen die Verordnung (EU) Nr. 600/2014 verwendet werden dürfen.

(8)

Sowohl die Befugnis zur Verhängung von Geldbußen und Zwangsgeldern als auch die Befugnis zur Vollstreckung von Geldbußen und Zwangsgeldern sollte einer Verjährungsfrist unterliegen. Aus Gründen der Einheitlichkeit sollten bei Verjährungsfristen für die Verhängung und Vollstreckung von Geldbußen oder Zwangsgeldern die bestehenden Rechtsvorschriften der Union, die auf die Verhängung und Vollstreckung von Sanktionen gegen beaufsichtigte Unternehmen anwendbar sind, und die Erfahrung der ESMA mit der Anwendung solcher Rechtsvorschriften berücksichtigt werden.

(9)

Damit die sichere Verwahrung eingezogener Geldbußen und Zwangsgelder durch die ESMA gewährleistet ist, sollte die ESMA diese auf verzinslichen Konten hinterlegen, die ausschließlich für eine einzelne Geldbuße oder ein einzelnes Zwangsgeld eröffnet werden, durch die bzw. das ein einzelner Verstoß beendet werden soll. Nach dem haushaltspolitischen Vorsichtsprinzip sollte die ESMA die Beträge erst dann an die Kommission überweisen, wenn die Beschlüsse rechtskräftig sind, weil alle Rechtsmittel ausgeschöpft wurden oder die Frist zum Einlegen von Rechtsmitteln abgelaufen ist.

(10)

Um das reibungslose Funktionieren des neuen Aufsichtsrahmens für Datenbereitstellungsdienstleister gemäß Artikel 4 der Verordnung (EU) 2019/2175 sicherzustellen, sollte die vorliegende Verordnung so rasch wie möglich in Kraft treten —

HAT FOLGENDE VERORDNUNG ERLASSEN:


(1)  ABl. L 173 vom 12.6.2014, S. 84.

(2)  Verordnung (EU) 2019/2175 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Dezember 2019 zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 1093/2010 zur Errichtung einer Europäischen Aufsichtsbehörde (Europäische Bankenaufsichtsbehörde), der Verordnung (EU) Nr. 1094/2010 zur Errichtung einer Europäischen Aufsichtsbehörde (Europäische Aufsichtsbehörde für das Versicherungswesen und die betriebliche Altersversorgung), der Verordnung (EU) Nr. 1095/2010 zur Errichtung einer Europäischen Aufsichtsbehörde (Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde), der Verordnung (EU) Nr. 600/2014 über Märkte für Finanzinstrumente, der Verordnung (EU) 2016/1011 über Indizes, die bei Finanzinstrumenten und Finanzkontrakten als Referenzwert oder zur Messung der Wertentwicklung eines Investmentfonds verwendet werden, und der Verordnung (EU) 2015/847 über die Übermittlung von Angaben bei Geldtransfers (ABl. L 334 vom 27.12.2019, S. 1).