Aktualisiert 14/11/2024
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Ursprungsrechtsakt
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Erwägungsgründe

DELEGIERTE VERORDNUNG (EU) 2016/957 DER KOMMISSION

vom 9. März 2016

zur Ergänzung der Verordnung (EU) Nr. 596/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates im Hinblick auf technische Regulierungsstandards für die geeigneten Regelungen, Systeme und Verfahren sowie Mitteilungsmuster zur Vorbeugung, Aufdeckung und Meldung von Missbrauchspraktiken oder verdächtigen Aufträgen oder Geschäften

(Text von Bedeutung für den EWR)

DIE EUROPÄISCHE KOMMISSION —

gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union,

gestützt auf die Verordnung (EU) Nr. 596/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. April 2014 über Marktmissbrauch (Marktmissbrauchsverordnung) und zur Aufhebung der Richtlinie 2003/6/EG des Europäischen Parlaments und des Rates und der Richtlinien 2003/124/EG, 2003/125/EG und 2004/72/EG der Kommission (1), insbesondere auf Artikel 16 Absatz 5 Unterabsatz 3,

in Erwägung nachstehender Gründe:

(1)

Es ist notwendig, genaue Festlegungen zu den Anforderungen an die Regelungen, Verfahren und Systeme zu treffen, die die Betreiber von Märkten, Wertpapierfirmen, die einen Handelsplatz betreiben, und Personen, die gewerbsmäßig Geschäfte vermitteln oder ausführen, einrichten sollten, um Aufträge und Geschäfte zu melden, die im Sinne der Verordnung (EU) Nr. 596/2014 Insidergeschäfte oder Marktmanipulation oder den Versuch hierzu darstellen könnten. Diese Anforderungen sollten zur Vermeidung und Aufdeckung von Marktmissbrauch beitragen. Außerdem sollten sie sicherzustellen helfen, dass die Mitteilungen an die zuständigen Behörden aussagekräftig, umfassend und zweckdienlich sind. Um bei der Aufdeckung von Marktmissbrauch wirksam vorgehen zu können, bedarf es geeigneter Systeme zur Überwachung von Aufträgen und Geschäften. Diese sollten Untersuchungen beinhalten, die von hinreichend geschulten Personen durchgeführt werden. Die Systeme für die Überwachung von Marktmissbrauch sollten vorgegebenen Parametern entsprechend Warnmeldungen ausgeben können, damit weitere Ermittlungen zu möglichen Insidergeschäften, möglicher Marktmanipulation oder dem Versuch hierzu vorgenommen werden können. Der gesamte Prozess dürfte einen gewissen Grad an Automatisierung erfordern.

(2)

Um bei der Vorbeugung und Aufdeckung von Marktmissbrauch unionsweit eine einheitliche Methodik und Vorgehensweise zu fördern, ist es angeraten, den Inhalt des Musters für die Meldung verdächtiger Aufträge und Geschäfte wie auch den Meldezeitpunkt durch detaillierte Regelungen zu harmonisieren.

(3)

Personen, die gewerbsmäßig Geschäfte vermitteln oder ausführen und algorithmischen Handel betreiben und auf die die Richtlinie 2014/65/EU des Europäischen Parlaments und des Rates (2) Anwendung findet, sollten die in dieser Verordnung und in der Verordnung (EU) Nr. 596/2014 genannten Systeme einrichten und aufrechterhalten und sollten auch weiterhin Artikel 17 Absatz 1 der Richtlinie 2014/65/EU unterliegen.

(4)

Personen, die gewerbsmäßig Geschäfte vermitteln oder ausführen, sollten die Möglichkeit haben, die Überwachung, Aufdeckung und Identifizierung von verdächtigen Aufträgen und Geschäften innerhalb einer Gruppe zu übertragen oder aber die Datenanalyse und die Erstellung von Warnmeldungen zu übertragen, sofern geeignete Voraussetzungen gegeben sind. Durch eine solche Übertragung sollte es möglich sein, Ressourcen gemeinsam zu nutzen, Überwachungssysteme zentral zu entwickeln und aufrechtzuerhalten und im Rahmen der Überwachung von Aufträgen und Geschäften neue Kompetenzen zu entwickeln. Eine derartige Übertragung sollte die zuständigen Behörden nicht daran hindern, jederzeit zu beurteilen, ob die Systeme, Regelungen und Verfahren der Person, der die Aufgaben übertragen werden, geeignet sind, der Verpflichtung zur Überwachung und Aufdeckung von Marktmissbrauch nachzukommen. Die Meldepflicht sowie die Pflicht zur Einhaltung dieser Verordnung und des Artikels 16 der Verordnung (EU) Nr. 596/2014 sollten bei der übertragenden Person verbleiben.

(5)

An den Handelsplätzen sollten geeignete Handelsregeln gelten, die dazu beitragen, Insidergeschäfte und Marktmanipulation oder versuchte Insidergeschäfte oder versuchte Marktmanipulation zu verhindern. Außerdem sollten Möglichkeiten zum Wiederabruf des Orderbuchs vorhanden sein, um die Tätigkeiten während eines Handelstages im Zuge des algorithmischen Handels, einschließlich des Hochfrequenzhandels, analysieren zu können.

(6)

Ein einheitliches und harmonisiertes Muster für die elektronische Übermittlung von Meldungen verdächtiger Geschäfte und Aufträge (Verdachtsmeldungen) sollte auf Märkten, auf denen Aufträge und Geschäfte zunehmend grenzüberschreitenden Charakter tragen, die Einhaltung der in dieser Verordnung und in Artikel 16 der Verordnung (EU) Nr. 596/2014 enthaltenen Anforderungen erleichtern. Außerdem sollte ein solches Muster den zuständigen Behörden bei grenzüberschreitenden Untersuchungen helfen, den Informationsaustausch zu verdächtigen Aufträgen und Geschäften effizienter zu gestalten.

(7)

Werden die relevanten Informationsfelder des Musters eindeutig, vollständig, objektiv und genau ausgefüllt, sollten die zuständigen Behörden in der Lage sein, auf der Grundlage dieser Angaben den Verdacht umgehend zu beurteilen und geeignete Maßnahmen einzuleiten. Das Muster sollte es daher den meldenden Personen ermöglichen, die zu den gemeldeten verdächtigen Aufträgen und Geschäften als relevant angesehenen Informationen bereitzustellen und die Gründe für ihren Verdacht zu erläutern. Mit dem Muster sollte außerdem die Übermittlung personenbezogener Daten möglich sein, anhand derer die Identifizierung der an den verdächtigen Aufträgen und Geschäften beteiligten Personen vorgenommen werden kann und die die zuständigen Behörden bei den Untersuchungen nutzen können, um umgehend die Verhaltensweisen verdächtiger Personen im Handel zu analysieren und Verbindungen zu Personen herzustellen, die in andere verdächtige Handelsaktivitäten involviert sind. Solche Informationen sollten zudem gleich zu Beginn bereitgestellt werden, sodass die Integrität der Untersuchung nicht dadurch gefährdet wird, dass sich die zuständige Behörde im Verlauf der Untersuchung möglicherweise mit weiteren Auskunftsersuchen an die Person wenden muss, von der die Verdachtsmeldung übermittelt wurde. Die Informationen sollten das Geburtsdatum, die Anschrift, Angaben zur Beschäftigung und zu den Konten der Person und gegebenenfalls die Kundenkennung und die nationale Identifikationsnummer der betreffenden Personen beinhalten.

(8)

Um die Übermittlung einer Verdachtsmeldung zu erleichtern, sollte es möglich sein, zusammen mit dem Muster die zur Unterstützung der Meldung für notwendig erachteteten Unterlagen und Materialien einzureichen, unter anderem in Form eines Anhangs, in dem die für die betreffende Meldung relevanten Aufträge oder Geschäfte aufgelistet und ihre Preise und Volumen detailliert angegeben werden.

(9)

Betreiber von Märkten und Wertpapierfirmen, die einen Handelsplatz betreiben, sowie Personen, die gewerbsmäßig Geschäfte vermitteln oder ausführen, sollten nicht alle eingegangenen Aufträge oder ausgeführten Geschäfte melden, die einen internen Alarm ausgelöst haben. Eine solche Forderung stünde nicht im Einklang mit der Forderung nach Beurteilung auf Einzelfallbasis, ob hinreichende Verdachtsgründe vorliegen.

(10)

Meldungen verdächtiger Aufträge und Geschäfte sollten der jeweils zuständigen Behörde unverzüglich übermittelt werden, sobald ein begründeter Verdacht vorliegt, dass diese Aufträge oder Geschäfte Insidergeschäfte, Marktmanipulation oder versuchte Insidergeschäfte oder versuchte Marktmanipulation sein könnten. Bei der Untersuchung dazu, ob ein Auftrag oder ein Geschäft als verdächtig anzusehen ist, sollte nicht von Spekulationen oder Annahmen, sondern von Tatsachen ausgegangen werden, und sie ist so rasch wie möglich durchzuführen. Die Praxis der verzögerten Übermittlung einer Meldung zwecks Einbeziehung weiterer verdächtiger Aufträge und Geschäfte ist unvereinbar mit der Pflicht zum unverzüglichen Handeln, sobald ein begründeter Verdacht vorliegt. In jedem Fall sollte die Übermittlung einer Verdachtsmeldung auf Einzelfallbasis geprüft werden, um zu entscheiden, ob mehrere Aufträge und Geschäfte in einer Meldung zusammengefasst werden können. Allerdings ist die Praxis, auf eine bestimmte Anzahl von Verdachtsmeldungen zu warten, um diese dann geschlossen zu übermitteln, nicht mit der Forderung nach unverzüglicher Meldung vereinbar.

(11)

Folgeereignisse oder die Verfügbarkeit der Informationen können unter Umständen dazu führen, dass ein begründeter Verdacht auf Insidergeschäfte oder Marktmanipulation oder versuchte Insidergeschäfte oder versuchte Marktmanipulation erst geraume Zeit nach der verdächtigen Tätigkeit aufritt. Das sollte kein Grund sein, die verdächtige Tätigkeit der zuständigen Behörde nicht zu melden. Zum Zweck der Einhaltung der Berichterstattungspflichten unter diesen besonderen Umständen sollte die meldende Person in der Lage sein, den zeitlichen Abstand zwischen der verdächtigen Tätigkeit und dem Auftreten des begründeten Verdachts auf Insidergeschäfte oder Marktmanipulation oder den Versuch hierzu entsprechend zu rechtfertigen.

(12)

Aufbewahrung und Zugänglichkeit der übermittelten Verdachtsmeldungen wie auch der Analysen, die zu verdächtigen Aufträgen und Geschäften durchgeführt wurden, letztlich aber nicht zu einer Verdachtsmeldung führten, sind ein wichtiger Bestandteil der Verfahren zur Aufdeckung von Marktmissbrauch. Für Personen, die gewerbsmäßig Geschäfte vermitteln oder ausführen, wie auch für Betreiber von Märkten und Wertpapierfirmen, die einen Handelsplatz betreiben, wird es bei der Beurteilung späterer verdächtiger Aufträge oder Geschäfte sehr hilfreich sein, wenn sie die im Zusammenhang mit übermittelten Verdachtsmeldungen durchgeführten Analysen ebenso abrufen und prüfen können wie die verdächtigen Aufträge und Geschäfte, zu denen es zwar eine Untersuchung gab, die Verdachtsgründe aber für nicht hinreichend befunden wurden. Die zu verdächtigen Aufträgen und Geschäften durchgeführten Untersuchungen, bei denen im Anschluss keine Verdachtsmeldung übermittelt wurde, sind dennoch eine wertvolle Grundlage für die Weiterentwicklung der Aufsichtssysteme und die Ermittlung von wiederholt auftretenden Verhaltensweisen, die — in ihrer Gesamtheit betrachtet — zu einem begründeten Verdacht auf Insidergeschäfte, Marktmanipulation oder versuchte Insidergeschäfte oder versuchte Marktmanipulation führen könnten. Außerdem dienen die genannten Unterlagen zum Nachweis der Erfüllung der Anforderungen dieser Verordnung und erleichtern den zuständigen Behörden die Wahrnehmung ihrer Überwachungs-, Ermittlungs- und Durchsetzungsaufgaben gemäß Verordnung (EU) Nr. 596/2014.

(13)

Die Verarbeitung personenbezogener Daten im Rahmen dieser Verordnung erfolgt unter Einhaltung der einzelstaatlichen Rechts- und Verwaltungsvorschriften zur Umsetzung der Richtlinie 95/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates (3).

(14)

Diese Verordnung basiert auf den Entwürfen technischer Regulierungsstandards, die der Kommission von der Europäischen Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde vorgelegt wurden.

(15)

Die Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde hat zu diesen Entwürfen offene öffentliche Konsultationen durchgeführt, die damit verbundenen potenziellen Kosten und Nutzeffekte analysiert und die Stellungnahme der nach Artikel 37 der Verordnung (EU) Nr. 1095/2010 des Europäischen Parlaments und des Rates (4) eingesetzten Interessengruppe Wertpapiere und Wertpapiermärkte eingeholt.

(16)

Zur Sicherung des reibungslosen Funktionierens der Finanzmärkte ist es unbedingt erforderlich, dass diese Verordnung baldmöglichst in Kraft tritt und die darin festgelegten Bestimmungen ab demselben Zeitpunkt gelten wie die Bestimmungen der Verordnung (EU) Nr. 596/2014 —

HAT FOLGENDE VERORDNUNG ERLASSEN:


(1)  ABl. L 173 vom 12.6.2014, S. 1.

(2)  Richtlinie 2014/65/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Mai 2014 über Märkte für Finanzinstrumente sowie zur Änderung der Richtlinien 2002/92/EG und 2011/61/EU (ABl. L 173 vom 12.6.2014, S. 349).

(3)  Richtlinie 95/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. Oktober 1995 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr (ABl. L 281 vom 23.11.1995, S. 31).

(4)  Verordnung (EU) Nr. 1095/2010 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. November 2010 zur Errichtung einer Europäischen Aufsichtsbehörde (Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde), zur Änderung des Beschlusses Nr. 716/2009/EG und zur Aufhebung des Beschlusses 2009/77/EG der Kommission (ABl. L 331 vom 15.12.2010, S. 84).