Aktualisiert 18/09/2024
In Kraft

Fassung vom: 02/08/2022
Änderungen (6)
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Artikel 54 - Geeignetheitsbeurteilung und Geeignetheitserklärung (Artikel 25 Absatz 2 der Richtlinie 2014/65/EU)

Artikel 54

Geeignetheitsbeurteilung und Geeignetheitserklärung

(Artikel 25 Absatz 2 der Richtlinie 2014/65/EU)

(1)  
 Die Wertpapierfirmen dürfen hinsichtlich ihrer Zuständigkeiten bei der Beurteilung der Geeignetheit von Wertpapierdienstleistungen oder Finanzinstrumenten gemäß Artikel 25 Absatz 2 der Richtlinie 2014/65/EU weder für Unklarheiten noch Verwirrung sorgen. Bei der Durchführung der Geeignetheitsbeurteilung informiert die Wertpapierfirma Kunden und potenzielle Kunden in klarer und einfach verständlicher Weise darüber, dass die Geeignetheitsbeurteilung dazu dienen soll, es ihr zu ermöglichen, im besten Interesse des Kunden zu handeln.

Werden Anlageberatungs- oder Portfolioverwaltungsdienstleistungen ganz oder teilweise über ein voll- oder halbautomatisches System erbracht,  liegt die Verantwortung für die Durchführung der Geeignetheitsbeurteilung bei der die Dienstleistung erbringenden Wertpapierfirma und verringert sich nicht dadurch, dass ein elektronisches System zur Abgabe persönlicher Empfehlungen oder zum Treffen von Handelsentscheidungen eingesetzt wird.

(2)  

Die Wertpapierfirmen legen den Umfang der von Kundenseite einzuholenden Informationen unter Berücksichtigung aller Merkmale der gegenüber diesen Kunden zu erbringen Anlageberatungs- bzw. Portfolioverwaltungsdienstleistungen fest. Die Wertpapierfirmen holen bei ihren Kunden bzw. potenziellen Kunden die Informationen ein, die sie benötigen, um die wesentlichen Fakten in Bezug auf den Kunden zu erfassen und unter Berücksichtigung der Art und des Umfangs der betreffenden Dienstleistung nach vernünftigem Ermessen davon ausgehen zu können, dass das Geschäft, das dem Kunden empfohlen oder im Rahmen einer Portfolioverwaltungsdienstleistung getätigt werden soll, die folgenden Anforderungen erfüllt:

a) 

es entspricht den Anlagezielen des betreffenden Kunden, auch hinsichtlich seiner Risikobereitschaft und jeglicher Nachhaltigkeitspräferenzen;

b) 

es ist so beschaffen, dass etwaige mit dem Geschäft einhergehende Anlagerisiken für den Kunden seinen Anlagezielen entsprechend finanziell tragbar sind;

c) 

es ist so beschaffen, dass der Kunde mit seinen Kenntnissen und Erfahrungen die mit dem Geschäft oder der Verwaltung seines Portfolios einhergehenden Risiken verstehen kann.

(3)  
Erbringt eine Wertpapierfirma für einen professionellen Kunden eine Wertpapierdienstleistung, so ist sie berechtigt, davon auszugehen, dass der Kunde in Bezug auf die Produkte, Geschäfte und Dienstleistungen, für die er als professioneller Kunde eingestuft ist, über die erforderlichen Kenntnisse und Erfahrungen im Sinne von Absatz 2 Buchstabe c verfügt.

Besteht die Wertpapierdienstleistung in einer Anlageberatung für einen durch Anhang II Abschnitt 1 der Richtlinie 2014/65/EU erfassten professionellen Kunden, ist die Wertpapierfirma für die Zwecke von Absatz 2 Buchstabe b berechtigt, davon auszugehen, dass etwaige mit dem Vorgang einhergehende Anlagerisiken für den Kunden seinen Anlagezielen entsprechend finanziell tragbar sind.

(4)  
Die Informationen über die finanziellen Verhältnisse des Kunden bzw. potenziellen Kunden umfassen — soweit relevant — Informationen über Herkunft und Höhe seines regelmäßigen Einkommens, seine Vermögenswerte einschließlich der liquiden Vermögenswerte, Anlagen und Immobilienbesitz sowie seine regelmäßigen finanziellen Verpflichtungen.
(5)  
Die Informationen über die Anlageziele des Kunden bzw. potenziellen Kunden umfassen — soweit relevant — Informationen über den Zeitraum, in dem der Kunde die Anlage zu halten gedenkt, seine Präferenzen hinsichtlich des einzugehenden Risikos, seine Risikotoleranz, den Zweck der Anlage und zusätzlich seine Nachhaltigkeitspräferenzen.
(6)  
 Handelt es sich bei einem Kunden um eine juristische Person oder eine Gruppe aus mindestens zwei natürlichen Personen oder werden eine oder mehrere natürliche Personen von einer weiteren natürlichen Person vertreten, muss die Wertpapierfirma Grundsätze dahin gehend festlegen und umsetzen, wer der Geeignetheitsbeurteilung unterzogen werden sollte und wie diese Beurteilung in der Praxis durchgeführt wird, was auch mit einschließt, von wem die Informationen über Kenntnisse und Erfahrungen, die finanzielle Lage sowie Anlageziele zusammengetragen werden sollten. Diese Grundsätze werden von der Wertpapierfirma schriftlich festgehalten.

 Wird eine natürliche Person von einer anderen natürlichen Person vertreten, oder ist eine juristische Person, die eine Behandlung als professioneller Kunde gemäß Anhang II Abschnitt 2 der Richtlinie 2014/65/EU verlangt hat, bei der Geeignetheitsbeurteilung zu berücksichtigen, bestimmen sich die finanzielle Lage und Anlageziele nach denen der juristischen Person oder — im Verhältnis zu dieser natürlichen Person — denen des dahinterstehenden Kunden und nicht nach denen des Vertreters. Die Kenntnisse und Erfahrungen bestimmen sich nach denen des Vertreters der natürlichen Person bzw. derjenigen Person, die zur Durchführung von Transaktionen im Auftrag des dahinterstehenden Kunden befugt ist.

(7)  

Die Wertpapierfirmen unternehmen angemessene Schritte, um sicherzustellen, dass die über ihre Kunden oder potenziellen Kunden gesammelten Informationen zuverlässig sind. Hierzu gehört u. a. Folgendes:

a) 

Sicherstellung, dass die Kunden sich der Bedeutung der Angabe wahrheitsgetreuer und aktueller Informationen bewusst sind;

b) 

 Sicherstellung, dass alle bei Geeignetheitsbeurteilungsverfahren eingesetzten Hilfsmittel, wie z. B. solche zur Profilierung von Risikobewertungen oder zur Bewertung der Kenntnisse und Erfahrungen eines Kunden, zweckmäßig und für den Einsatz am Kunden ausgestaltet sind, wobei alle Beschränkungen eines solchen Hilfsmittels zu identifizieren und ihnen im Rahmen des Geeignetheitsbeurteilungsverfahrens aktiv entgegenzuwirken ist;

c) 

 Sicherstellung, dass im Rahmen des Verfahrens gestellte Fragen für die Kunden verständlich sind, ein genaues Abbild der Ziele und Bedürfnisse des Kunden und die für die Durchführung der Geeignetheitsbeurteilung benötigten Informationen liefern; und

d) 

Ergreifung entsprechender Maßnahmen, um die Kohärenz der Kundeninformationen sicherzustellen, indem beispielsweise erörtert wird, ob die vom Kunden zur Verfügung gestellten Informationen offensichtliche Ungenauigkeiten aufweisen.

 Wertpapierfirmen, die eine laufende Geschäftsbeziehung mit dem Kunden unterhalten, indem sie beispielsweise laufende Beratungs- oder Portfolioverwaltungsdienstleistungen erbringen, müssen geeignete Strategien und Verfahren zur Pflege zweckdienlicher und aktueller Informationen über Kunden anwenden und demonstrieren können, sofern dies für die Erfüllung der Voraussetzungen laut Absatz 2 erforderlich ist.

(8)  
Erlangt eine Wertpapierfirma bei der Erbringung von Wertpapierdienstleistungen in Form der Anlageberatung oder Portfolioverwaltung die gemäß Artikel 25 Absatz 2 der Richtlinie 2014/65/EU erforderlichen Informationen nicht, empfiehlt sie dem Kunden bzw. potenziellen Kunden keine Wertpapierdienstleistungen oder Finanzinstrumente.
(9)  
Die Wertpapierfirmen müssen geeignete Strategien und Verfahren anwenden und demonstrieren können, um sicherzustellen, dass sie in der Lage sind, die Art und Merkmale, wie Kosten und Risiken, der von ihnen für ihre Kunden ausgewählten und beurteilten Wertpapierdienstleistungen und Finanzinstrumente, einschließlich jeglicher Nachhaltigkeitsfaktoren, nachzuvollziehen und unter Berücksichtigung von Kosten und Komplexität beurteilen, ob äquivalente Wertpapierdienstleistungen bzw. Finanzinstrumente dem Profil ihres Kunden gerecht werden können.
(10)  
Bei der Erbringung der Wertpapierdienstleistung im Rahmen der Anlageberatung bzw. Portfolioverwaltung darf eine Wertpapierfirma keine Empfehlungen aussprechen oder Handelsentscheidungen treffen, wenn keine der Dienstleistungen bzw. Instrumente für den Kunden geeignet sind.

Eine Wertpapierfirma empfiehlt Finanzinstrumente nicht als den Nachhaltigkeitspräferenzen eines Kunden oder potenziellen Kunden entsprechend oder trifft keine Handelsentscheidungen bezüglich solcher Instrumente, wenn diese Finanzinstrumente diesen Präferenzen nicht entsprechen. Die Wertpapierfirma erklären ihren Kunden oder potenziellen Kunden, aus welchen Gründen sie dies nicht tun, und zeichnen die Begründung auf.

Entspricht kein Finanzinstrument den Nachhaltigkeitspräferenzen des Kunden oder potenziellen Kunden und entscheidet sich der Kunde, seine Nachhaltigkeitspräferenzen anzupassen, so wird diese Kundenentscheidung einschließlich ihrer Begründung von der Wertpapierfirma aufgezeichnet.

(11)  
Bei der Erbringung von Anlageberatungs- bzw. Portfolioverwaltungsdienstleistungen, bei denen Anlagen umgeschichtet werden, indem entweder ein Instrument verkauft und ein anderes gekauft oder ein Recht ausgeübt wird, um ein bestehendes Instrument zu ändern, holen die Wertpapierfirmen die erforderlichen Informationen über die bestehenden Investitionen des Kunden sowie die empfohlenen Neuinvestitionen ein und führen eine Kosten-Nutzen-Analyse der Umschichtung durch, sodass sie entsprechend demonstrieren können, dass die Vorteile der Umschichtung deren Kosten überwiegen.
(12)  
Bei der Erbringung einer Anlageberatung lassen die Wertpapierfirmen dem Kleinanleger einen Bericht mit einem Überblick über die erteilte Beratung und Angaben zukommen, in dem sie darlegen, inwiefern die abgegebene Empfehlung für den betreffenden Kleinanleger geeignet ist, was auch Informationen darüber mit einschließt, inwieweit sie auf die Anlageziele und persönlichen Umstände des Kunden hinsichtlich der erforderlichen Anlagedauer, der Kenntnisse und Erfahrungen des Kunden, der Risikobereitschaft, seiner Verlusttragfähigkeit und seinen Nachhaltigkeitspräferenzen abgestimmt wurde.

 Die Wertpapierfirmen müssen die Kunden darauf aufmerksam machen und in der Geeignetheitserklärung angeben, ob es die empfohlenen Dienstleistungen bzw. Finanzinstrumente wahrscheinlich erforderlich machen, dass der Kleinanleger deren Ausgestaltung regelmäßig überprüfen lässt.

Erbringt eine Wertpapierfirma eine Dienstleistung, die mit regelmäßigen Geeignetheitsbeurteilungen und Berichten einhergeht, brauchen sich die Anschlussberichte nach der ersten Dienstleistungserbringung lediglich auf Veränderungen hinsichtlich der betreffenden Dienstleistungen bzw. Finanzinstrumente und/oder der Umstände des Kunden beziehen, während sämtliche Einzelheiten des ersten Berichts nicht noch einmal aufzuführen sind.

(13)  
 Wertpapierfirmen, die eine regelmäßige Geeignetheitsbeurteilung vornehmen, überprüfen die Geeignetheit der abgegebenen Empfehlungen mindestens einmal jährlich, um ihr Dienstleistungsangebot zu optimieren. Die Häufigkeit dieser Beurteilungen wird je nach Risikoprofil des Kunden und Art der empfohlenen Finanzinstrumente erhöht.

Die Anforderungen in Bezug auf die Nachhaltigkeitspräferenzen von Kunden oder potenziellen Kunden lassen die in Unterabsatz 1 festgelegten Bedingungen unberührt.