DELEGIERTE VERORDNUNG (EU) 2019/348 DER KOMMISSION
vom 25. Oktober 2018
zur Ergänzung der Richtlinie 2014/59/EU des Europäischen Parlaments und des Rates durch technische Regulierungsstandards zur Festlegung der Kriterien, anhand deren die Auswirkungen eines Institutsausfalls auf die Finanzmärkte, auf andere Institute und auf die Finanzierungsbedingungen zu bewerten sind
(Text von Bedeutung für den EWR)
DIE EUROPÄISCHE KOMMISSION —
gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union,
gestützt auf die Richtlinie 2014/59/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Mai 2014 zur Festlegung eines Rahmens für die Sanierung und Abwicklung von Kreditinstituten und Wertpapierfirmen und zur Änderung der Richtlinie 82/891/EWG des Rates, der Richtlinien 2001/24/EG, 2002/47/EG, 2004/25/EG, 2005/56/EG, 2007/36/EG, 2011/35/EU, 2012/30/EU und 2013/36/EU sowie der Verordnungen (EU) Nr. 1093/2010 und (EU) Nr. 648/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates (1), insbesondere auf Artikel 4 Absatz 6,
in Erwägung nachstehender Gründe:
(1) |
Um zu bestimmen, ob Instituten in ihrem Hoheitsgebiet vereinfachte Anforderungen gestattet werden sollten, müssen die Mitgliedstaaten nach Artikel 4 Absatz 1 der Richtlinie 2014/59/EU sicherstellen, dass die zuständigen Behörden und die Abwicklungsbehörden bewerten, welche Auswirkungen der Ausfall eines Instituts aufgrund der dort genannten Faktoren haben könnte. |
(2) |
Diese Bewertung sollte getrennt von jeder anderen von den Abwicklungsbehörden vorzunehmenden Bewertung erfolgen, insbesondere jeder Bewertung der Abwicklungsfähigkeit eines Instituts oder einer Gruppe und jeder Bewertung der Frage, ob die in der Richtlinie 2014/59/EU und der Verordnung (EU) Nr. 806/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates (2) genannten Voraussetzungen für eine Abwicklung erfüllt sind, und dem Ausgang einer solchen Bewertung nicht vorgreifen. |
(3) |
Die in Artikel 4 Absatz 1 der Richtlinie 2014/59/EU genannten Kriterien sollten praktisch, effizient und wirkungsvoll sein. Aus diesem Grund sollten die möglichen Auswirkungen eines Institutsausfalls zunächst anhand quantitativer und danach anhand qualitativer Kriterien bewertet werden. Generell sollte eine Bewertung anhand qualitativer Kriterien nur dann erfolgen, wenn die Bewertung anhand quantitativer Kriterien nicht zu dem Schluss führt, dass angesichts der möglichen Auswirkungen, die ein Ausfall des Instituts haben könnte, vollständige Anforderungen erforderlich sind. |
(4) |
Um eine konvergente und wirkungsvolle Anwendung dieser Verordnung zu gewährleisten, sollten zuständige Behörden und Abwicklungsbehörden bei der Bewertung der quantitativen Kriterien einen einheitlichen EU-Schwellenwert zugrunde legen, bei dem es sich um eine quantitative Gesamtpunktzahl handelt. Diese Gesamtpunktzahl sollten die zuständigen Behörden und die Abwicklungsbehörden anhand einer Reihe von Indikatoren berechnen und hierfür die Daten heranziehen, die im Zuge der nach der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 680/2014 (3) vorgenommenen aufsichtlichen Meldungen übermittelt wurden. |
(5) |
Um im Hinblick auf den erwarteten Anteil der nicht für vereinfachte Anforderungen infrage kommenden Institute in den Mitgliedstaaten und die Verteilung dieser Institute über die Mitgliedstaaten ein wünschenswertes ausgewogenes Verhältnis zu erreichen, sollte die Unionsschwelle für die quantitative Gesamtpunktzahl für Kreditinstitute im Prinzip auf 25 Basispunkte festgesetzt werden. Allerdings sollten zuständige Behörden und Abwicklungsbehörden die Schwelle von 25 Basispunkten anheben oder absenken und den Besonderheiten des Bankensektors des jeweiligen Mitgliedstaats entsprechend zwischen 0 und 105 Basispunkten festsetzen können. So könnte ein stark konzentrierter Bankensektor eine höhere Schwelle rechtfertigen, während eine große Zahl kleiner Institute in Verbindung mit einer geringen Zahl großer Institute eine niedrigere Schwelle bedingen könnte. Bei Festlegung der Schwelle sollte das rechte Maß zwischen dem kumulierten Wert der Gesamtaktiva der Kreditinstitute, die in einem bestimmten Mitgliedstaat für vereinfachte Anforderungen infrage kommen, und dem der Kreditinstitute, die laut der quantitativen Bewertung hierfür nicht infrage kommen, gefunden werden. |
(6) |
Wenn zuständige Behörden und Abwicklungsbehörden von den Instituten im Rahmen des aufsichtlichen Meldewesens die Indikatorwerte nicht erhalten, sollten sie geeignete Näherungswerte verwenden und sich dabei auf die auf nationaler Ebene allgemein anerkannten Rechnungslegungsgrundsätze (GAAP) stützen. Wenn die Ermittlung von Näherungswerten mit allzu großem Aufwand verbunden wäre, sollten zuständige Behörden oder Abwicklungsbehörden den jeweiligen Indikatoren den Wert Null zuweisen können. Diese Möglichkeit sollte allerdings auf Institute beschränkt bleiben, die den Meldebogen 20 aufgrund von Artikel 5 Buchstabe a Nummer 4 der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 680/2014 nicht ausfüllen, da sie unter der in diesem Artikel genannten Schwelle bleiben. |
(7) |
Um sicherzustellen, dass die in dieser Verordnung vorgesehene Vorgehensweise voll dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entspricht, und um jede etwaige unverhältnismäßige Belastung auszuschließen, sollte es möglich sein, die quantitative Bewertung kleiner Kreditinstitute einzig und allein auf die Größe zu stützen. Zuständige Behörden und Abwicklungsbehörden sollten deshalb ohne Bestimmung einer quantitativen Gesamtpunktzahl zu dem Schluss kommen können, dass der Ausfall eines kleinen Kreditinstituts wahrscheinlich keine erheblichen nachteiligen Auswirkungen auf die Finanzmärkte, auf andere Institute oder auf die Finanzierungsbedingungen hätte, sofern diese Schlussfolgerung durch ihre qualitative Bewertung gestützt wird. Bei kleinen Kreditinstituten sollte auch die qualitative Bewertung verhältnismäßig sein. |
(8) |
Um bei der Bewertung der Auswirkungen des Ausfalls von Instituten auf die Finanzmärkte, auf andere Institute oder auf die Finanzierungsbedingungen Wirksamkeit und Effizienz zu gewährleisten, sollte bei der Festlegung der quantitativen und qualitativen Kriterien auf die schon in der Richtlinie 2013/36/EU des Europäischen Parlaments und des Rates (4) festgelegten Begriffe und Kategorien zurückgegriffen werden. |
(9) |
So werden Institute nach Artikel 131 Absatz 2 der Richtlinie 2013/36/EU u. a. aufgrund ihrer Größe, ihrer Verflechtung mit dem Finanzsystem, ihrer Komplexität und ihrer grenzüberschreitenden Tätigkeit als G-SRI eingestuft. Da diese Kriterien sich weitgehend mit den in Artikel 4 Absatz 1 der Richtlinie 2014/59/EU genannten Kriterien überschneiden, sollten die zuständigen Behörden und die Aufsichtsbehörden entscheiden können, dass der Ausfall eines G-SRI wahrscheinlich erhebliche nachteilige Auswirkungen auf die Finanzmärkte, auf andere Institute oder auf die Finanzierungsbedingungen hätte. |
(10) |
Darüber hinaus werden Institute nach Artikel 131 Absatz 3 der Richtlinie 2013/36/EU u. a. aufgrund ihrer Größe, ihrer Relevanz für die Wirtschaft der Union oder des betreffenden Mitgliedstaats, der Bedeutung ihrer grenzüberschreitenden Tätigkeiten und ihrer Verflechtungen mit dem Finanzsystem als A-SRI eingestuft. Da diese Kriterien stark den in Artikel 4 Absatz 1 der Richtlinie 2014/59/EU genannten Kriterien ähneln, sollten zuständige Behörden und Aufsichtsbehörden ohne quantitative Bewertung entscheiden können, dass der Ausfall eines A-SRI wahrscheinlich erhebliche nachteilige Auswirkungen auf die Finanzmärkte, auf andere Institute oder auf die Finanzierungsbedingungen hätte. |
(11) |
Nach Artikel 107 Absatz 3 der Richtlinie 2013/36/EU muss die Europäische Bankenaufsichtsbehörde (EBA) ferner gemäß Artikel 16 der Verordnung (EU) Nr. 1093/2010 des Europäischen Parlaments und des Rates (5) Leitlinien für das gemeinsame Verfahren und die gemeinsame Methode für die aufsichtliche Überprüfung und Bewertung (SREP) herausgeben. Die zuständigen Behörden und Finanzinstitute, an die diese Leitlinien gerichtet sind, müssen sich nach Kräften um deren Einhaltung bemühen. Die Kategorisierung, die die zuständigen Behörden im Rahmen der von der EBA herausgegebenen SREP-Leitlinien vornehmen, sollte daher bei der in Artikel 4 Absatz 1 der Richtlinie 2014/59/EU genannten Bewertung berücksichtigt werden. Die zuständigen Behörden stufen die Institute in vier Kategorien ein. Die erste (SREP-Kategorie 1) umfasst G-SRI und A-SRI sowie — falls zutreffend — andere Institute, die aufgrund ihrer Größe, ihrer internen Organisation und der Art, des Umfangs und der Komplexität ihrer Tätigkeiten von einer zuständigen Behörde entsprechend eingestuft wurden. Hat die zuständige Behörde bestimmt, dass ein Institut unter die SREP-Kategorie 1 fällt, sollten die zuständigen Behörden und die Aufsichtsbehörden demensprechend und ohne eine quantitative Bewertung vornehmen zu müssen entscheiden können, dass der Ausfall dieses Instituts wahrscheinlich erhebliche nachteilige Auswirkungen auf die Finanzmärkte, auf andere Institute oder auf die Finanzierungsbedingungen hätte. |
(12) |
Um eine kohärente Bewertung der Institute zu gewährleisten, sollte ein Mindestkatalog von Erwägungen festgelegt werden, den zuständige Behörden und Aufsichtsbehörden ihren qualitativen Bewertungen zugrunde legen sollten, ohne dass dies sie daran hindert, anderen maßgeblichen Erwägungen Rechnung zu tragen. Der Mindestkatalog qualitativer Erwägungen sollte sich auf Umstände beziehen, die darauf hindeuten, dass der Ausfall eines Instituts erhebliche nachteilige Auswirkungen auf die Finanzmärkte, auf andere Institute oder auf die Finanzierungsbedingungen haben könnte. |
(13) |
Angesichts der Tatsache, dass die Richtlinie 2014/59/EU ein breites Spektrum an Wertpapierfirmen abdeckt und den auf Unionsebene zur Überprüfung der Aufsichtsanforderungen für diese Wertpapierfirmen laufenden Arbeiten nicht vorgegriffen werden sollte, sollten in dieser Verordnung lediglich die Indikatoren festgelegt werden, die zuständige Behörden und Abwicklungsbehörden bei der Bewertung des Größenkriteriums berücksichtigen sollten. Diese Behörden sollten festlegen, welche Gewichte diesen Indikatoren zuzuweisen sind, und die jeweiligen Schwellen bestimmen. |
(14) |
Institute, die einer Gruppe angehören, die nach den Artikeln 111 und 112 der Richtlinie 2013/36/EU der konsolidierten Aufsicht unterliegt (grenzübergreifend tätige Gruppe), sind hochgradig verflochten und haben weitaus komplexere Tätigkeiten als eigenständige Institute. Fällt ein solches Institut aus, dürfte dies folglich bedeutendere Auswirkungen haben als der Ausfall eines eigenständigen Instituts. Zuständige Behörden und Abwicklungsbehörden sollten deshalb für den Fall, dass eine der Bewertungen auf Ebene der Mitgliedstaaten, in denen die Gruppe präsent ist, zu dem Schluss führt, dass der Ausfall eines einer grenzübergreifend tätigen Gruppe angehörenden Instituts wahrscheinlich erhebliche nachteilige Auswirkungen auf die Finanzmärkte, auf andere Institute oder auf die Finanzierungsbedingungen hätte, ebenfalls zu diesem Schluss gelangen. Um dies zu erreichen, sollten zuständige Behörden und Abwicklungsbehörden innerhalb der Struktur der Bankenunion und im Rahmen der Aufsichts- und Abwicklungskollegien ihre Bewertungen koordinieren und alle notwendigen Informationen austauschen. |
(15) |
Bei bestimmten Instituten sollten zuständige Behörden und Abwicklungsbehörden selbst wenn die quantitative Gesamtpunktzahl die vorab bestimmte Schwelle erreicht entscheiden können, dass ein Ausfall wahrscheinlich nicht die in Artikel 4 Absatz 1 der Richtlinie 2014/59/EU genannten erheblichen nachteiligen Auswirkungen hätte. Diese Sonderbehandlung sollte mit den außergewöhnlichen Merkmalen dieser Institute gerechtfertigt werden. Die erste derartige Gruppe besteht aus Förderbanken, deren Zweck es ist, Gemeinwohlziele der Zentralregierung oder einer Gebietskörperschaft eines Mitgliedstaats zu verfolgen und hierfür auf nichtwettbewerblicher, nichtgewinnorientierter Basis Förderdarlehen zu vergeben. Die von solchen Instituten gewährten Darlehen werden von der Zentralregierung oder der Gebietskörperschaft direkt oder indirekt garantiert. Damit können Förderbanken als Institute angesehen werden, deren Ausfall wahrscheinlich keine erheblichen Auswirkungen auf die Finanzmärkte, auf andere Institute oder auf die Finanzierungsbedingungen hätte, sofern diese Schlussfolgerung der für diese Förderbanken vorgenommenen qualitativen Bewertung entspricht. Die zweite Gruppe besteht aus Kreditinstituten, die geordnet abgewickelt wurden. Da eine geordnete Abwicklung in der Regel neue Geschäftstätigkeiten verhindert, können Kreditinstitute, die dieses Verfahren durchlaufen haben, ebenfalls als Institute betrachtet werden, deren Ausfall wahrscheinlich keine erheblichen Auswirkungen auf die Finanzmärkte, auf andere Institute oder auf die Finanzierungsbedingungen hätte, sofern dies der für diese Kreditinstitute vorgenommenen qualitativen Bewertung entspricht. |
(16) |
Angesichts der unterschiedlichen Zielsetzungen von Sanierungs- und Abwicklungsplanung sollte es möglich sein, dass zuständige Behörden und Abwicklungsbehörden ein und desselben Mitgliedstaats bei den nach dieser Verordnung vorgenommenen Bewertungen zu unterschiedlichen Schlüssen gelangen. So können sie insbesondere bei der Festsetzung der Schwellen für die quantitative Gesamtpunktzahl unterschiedliche Entscheidungen treffen und Förderbanken sowie Instituten, die geordnet abgewickelt wurden, eine Sonderbehandlung zuteilwerden lassen und auch hinsichtlich der Möglichkeit, vereinfachte Anforderungen zuzulassen, zu unterschiedlichen Schlussfolgerungen gelangen. In solchen Fällen sollten zuständige Behörden und Abwicklungsbehörden regelmäßig überprüfen, ob dieser Unterschied noch gerechtfertigt ist. |
(17) |
Diese Verordnung beruht auf dem Entwurf technischer Regulierungsstandards, der der Kommission von der EBA vorgelegt wurde. |
(18) |
Die EBA hat zu diesem Entwurf öffentliche Konsultationen durchgeführt, die damit verbundenen potenziellen Kosten- und Nutzeneffekte analysiert und die Stellungnahme der nach Artikel 37 der Verordnung (EU) Nr. 1093/2010 eingesetzten Interessengruppe Bankensektor eingeholt — |
HAT FOLGENDE VERORDNUNG ERLASSEN:
(1) ABl. L 173 vom 12.6.2014, S. 190.
(2) Verordnung (EU) Nr. 806/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Juli 2014 zur Festlegung einheitlicher Vorschriften und eines einheitlichen Verfahrens für die Abwicklung von Kreditinstituten und bestimmten Wertpapierfirmen im Rahmen eines einheitlichen Abwicklungsmechanismus und eines einheitlichen Abwicklungsfonds sowie zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 1093/2010 (ABl. L 225 vom 30.7.2014, S. 1).
(3) Durchführungsverordnung (EU) Nr. 680/2014 der Kommission vom 16. April 2014 zur Festlegung technischer Durchführungsstandards für die aufsichtlichen Meldungen der Institute gemäß der Verordnung (EU) Nr. 575/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates (ABl. L 191 vom 28.6.2014, S. 1).
(4) Richtlinie 2013/36/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 über den Zugang zur Tätigkeit von Kreditinstituten und die Beaufsichtigung von Kreditinstituten und Wertpapierfirmen, zur Änderung der Richtlinie 2002/87/EG und zur Aufhebung der Richtlinien 2006/48/EG und 2006/49/EG (ABl. L 176 vom 27.6.2013, S. 338).
(5) Verordnung (EU) Nr. 1093/2010 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. November 2010 zur Errichtung einer Europäischen Aufsichtsbehörde (Europäische Bankenaufsichtsbehörde), zur Änderung des Beschlusses Nr. 716/2009/EG und zur Aufhebung des Beschlusses 2009/78/EG der Kommission (ABl. L 331 vom 15.12.2010, S. 12).