DELEGIERTE VERORDNUNG (EU) 2017/867 DER KOMMISSION
vom 7. Februar 2017
über die bei partiellen Vermögensübertragungen nach Artikel 76 der Richtlinie 2014/59/EU des Europäischen Parlaments und des Rates zu schützenden Kategorien von Vereinbarungen
(Text von Bedeutung für den EWR)
DIE EUROPÄISCHE KOMMISSION —
gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union,
gestützt auf die Richtlinie 2014/59/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Mai 2014 zur Festlegung eines Rahmens für die Sanierung und Abwicklung von Kreditinstituten und Wertpapierfirmen und zur Änderung der Richtlinie 82/891/EWG des Rates, der Richtlinien 2001/24/EG, 2002/47/EG, 2004/25/EG, 2005/56/EG, 2007/36/EG, 2011/35/EU, 2012/30/EU und 2013/36/EU sowie der Verordnungen (EU) Nr. 1093/2010 und (EU) Nr. 648/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates (1), insbesondere auf Artikel 76,
in Erwägung nachstehender Gründe:
(1) |
Die Richtlinie 2014/59/EU verpflichtet die Mitgliedstaaten, im Zuge einer partiellen Übertragung von Vermögenswerten, Rechten oder Verbindlichkeiten eines in Abwicklung befindlichen Instituts den Schutz bestimmter Vereinbarungskategorien sicherzustellen. Derselbe Schutz ist auch dann zu gewährleisten, wenn eine Abwicklungsbehörde die Änderung der Bedingungen eines Vertrags erzwingt, bei dem das in Abwicklung befindliche Institut Vertragspartei ist. Durch diese Schutzmaßnahmen soll verhindert werden, dass Vermögenswerte, Rechte oder Verbindlichkeiten, die aufgrund dieser Vereinbarungen miteinander verbunden sind, bei einer partiellen Übertragung oder vertraglichen Änderung voneinander getrennt werden. |
(2) |
Um die ordnungsgemäße Anwendung dieser Schutzmaßnahmen zu gewährleisten, muss genau bestimmt werden, welche Arten von Vereinbarungen unter die in der Richtlinie 2014/59/EU genannten Vereinbarungskategorien fallen. Die für diesen Zweck geeignetste Vorgehensweise besteht darin, die in der Richtlinie 2014/59/EU festgelegten Regeln und Definitionen um weitere detaillierte Regeln und Definitionen zu ergänzen. Dies ist der Zusammenstellung einer Liste mit den nach dem nationalen Recht der einzelnen Mitgliedstaaten möglichen Vereinbarungen vorzuziehen, da eine solche Liste sich nur schwer lückenlos zusammenstellen ließe und laufend aktualisiert werden müsste. Aus diesem Grund sollte in dieser Verordnung der Geltungsbereich der verschiedenen, in der Richtlinie 2014/59/EU für die einzelnen Kategorien von Vereinbarungen vorgesehenen Schutzmaßnahmen klargestellt und gegebenenfalls eingeschränkt werden. |
(3) |
Die in Artikel 76 Absatz 2 der Richtlinie 2014/59/EU aufgeführten verschiedenen Vereinbarungskategorien weisen einen unterschiedlichen Detaillierungsgrad auf: Während einige Kategorien vollständig definiert werden, sind andere weniger klar umschrieben. Hinzu kommt, dass sich einige Kategorien auf eine einzige Form von Vertragsverhältnis und Verbindlichkeit bzw. auf eine begrenzte Anzahl von Vertragsverhältnissen und Verbindlichkeiten beziehen, während andere eine größere Zahl und ein offenes Spektrum an vertraglichen Verbindlichkeiten, Geschäften und Verhältnissen erfassen. Letztgenannte Kategorien könnten potenziell sämtliche Rechts- und Vertragsverhältnisse zwischen einem Institut und einer oder mehrerer seiner Gegenparteien einschließen. Wären solche Vereinbarungskategorien uneingeschränkt geschützt, könnte es für die Abwicklungsbehörden schwierig, wenn nicht gar unmöglich sein, partielle Übertragungen vorzunehmen. Aus diesem Grund sollte ein übermäßiger Schutz, der sich potenziell auf alle Vermögenswerte, Rechte und Verbindlichkeiten zwischen einem Institut und seinen Gegenparteien erstrecken könnte, vermieden werden. |
(4) |
Einige Kategorien geschützter Vereinbarungen werden in der Richtlinie 2014/59/EU recht allgemein definiert. Um beim Geltungsbereich — insbesondere in Bezug auf Sicherungsvereinbarungen, Aufrechnungs- und Nettingvereinbarungen sowie strukturierte Finanzierungsvereinbarungen — für größere Sicherheit zu sorgen, sollten diese Kategorien weiter präzisiert werden. Diese delegierte Verordnung sollte die Abwicklungsbehörden nicht daran hindern, bei partiellen Vermögensübertragungen weiter zu präzisieren, welche Arten von Aufrechnungs- und Nettingvereinbarungen bei einzelnen partiellen Übertragungen zu schützen sind, wenn diese Vereinbarungen nach den geltenden Aufsichtsvorschriften für Risikominderungszwecke anerkannt sind und der Schutz, insbesondere durch Nichttrennbarkeit, eine Voraussetzung für diese Anerkennung ist. Die Abwicklungsbehörden sollten befugt sein, im Einzelfall einen solch erweiterten Schutz zu beschließen. |
(5) |
Die Gegenparteien des Instituts können sich auf eine sogenannte Auffangvereinbarung („‚catch-all‘ agreement“) oder eine umfassende Aufrechnungsvereinbarung („sweep-up ‚set-off‘ agreement“) einigen, die sämtliche Rechte und Verbindlichkeiten zwischen den Parteien abdeckt. Durch eine solche Vereinbarung wären alle Verbindlichkeiten zwischen den Parteien vor einer Trennung geschützt. Dadurch wäre die partielle Übertragung im Hinblick auf die entsprechende Gegenpartei unmöglich. Zudem wäre allgemein gesehen die Durchführbarkeit des Instruments insgesamt gefährdet, da die Abwicklungsbehörden möglicherweise nicht einmal mehr in der Lage wären, festzustellen, welche Verbindlichkeiten unter diese Vereinbarungen fallen und welche nicht. Weiterhin sollte klargestellt werden, dass Auffang- oder umfassende Netting- und Aufrechnungsvereinbarungen, die sämtliche Vermögenswerte, Rechte und Verbindlichkeiten zwischen den Parteien einschließen, nicht als geschützte Vereinbarungen eingestuft werden sollten. |
(6) |
Nach Artikel 80 der Richtlinie 2014/59/EU darf eine Verengung der Definitionen der in Artikel 76 Absatz 2 der Richtlinie 2014/59/EU genannten geschützten Vereinbarungen nicht die Funktionsweise von Handels-, Clearing- und Abrechnungssystemen beeinträchtigen, die unter Artikel 2 Buchstabe a der Richtlinie 98/26/EG des Europäischen Parlaments und des Rates (2) fallen. Die Abwicklungsbehörden sollten deshalb alle in Artikel 76 Absatz 2 der Richtlinie 2014/59/EU genannten, mit der Tätigkeit einer Gegenpartei als zentrale Gegenpartei (CCP) verbundenen Arten von Vereinbarungen schützen müssen. Hierzu zählt unter anderem die Tätigkeit im Rahmen eines Ausfallfonds nach Artikel 42 der Verordnung (EU) Nr. 648/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates (3). |
(7) |
Gleiches gilt für Vermögenswerte, Rechte und Verbindlichkeiten im Zusammenhang mit Zahlungs- sowie Wertpapierliefer- und -abrechnungssystemen. Da die unter die Richtlinie 98/26/EG fallenden Nettingvereinbarungen im Insolvenzfall geschützt sind, sollten sie der Kohärenz halber auch im Rahmen von Artikel 76 der Richtlinie 2014/59/EU geschützt sein. Doch sollte der in Artikel 76 Absatz 2 dieser Richtlinie vorgesehene Schutz gegebenenfalls auf alle Vereinbarungen mit Zahlungs- sowie Wertpapierliefer- und -abrechnungssystemen und die damit zusammenhängenden Tätigkeiten ausgedehnt werden. |
(8) |
Die notwendige Bestimmung, welche Kategorien von Vereinbarungen in bestimmten Fällen unter die Schutzbestimmungen des Artikels 76 Absatz 2 der Richtlinie 2014/59/EU fallen, sollte die Abwicklungsbehörden nicht grundsätzlich daran hindern, Vereinbarungsklassen zu schützen, die einer der in diesem Artikel genannten Kategorien zugeordnet werden können und die nach dem nationalen Insolvenzrecht — einschließlich der Bestimmungen zur Umsetzung der Richtlinie 2001/24/EG des Europäischen Parlaments und des Rates (4). in nationales Recht — in Insolvenzverfahren vor einer Trennung der unter sie fallenden Vermögenswerte, Rechte oder Verbindlichkeiten geschützt sind. Dies ist der Fall, wenn ein Gläubiger weiterhin Anspruch auf die Rechte aus der Vereinbarung hat, solange das gesamte Geschäft nicht nach nationalem Insolvenzrecht außer Kraft gesetzt wird. Das gilt insbesondere für Sicherungsvereinbarungen sowie Aufrechnungs- und Nettingvereinbarungen, die nach dem nationalen Insolvenzrecht geschützt sind — |
HAT FOLGENDE VERORDNUNG ERLASSEN:
(1) ABl. L 173 vom 12.6.2014, S. 190.
(2) Richtlinie 98/26/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. Mai 1998 über die Wirksamkeit von Abrechnungen in Zahlungs- sowie Wertpapierliefer- und -abrechnungssystemen (ABl. L 166 vom 11.6.1998, S. 45).
(3) Verordnung (EU) Nr. 648/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. Juli 2012 über OTC-Derivate, zentrale Gegenparteien und Transaktionsregister (ABl. L 201 vom 27.7.2012, S. 1).
(4) Richtlinie 2001/24/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. April 2001 über die Sanierung und Liquidation von Kreditinstituten (ABl. L 125 vom 5.5.2001, S. 15).