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Erwägungsgründe

DELEGIERTE VERORDNUNG (EU) 2017/589 DER KOMMISSION

vom 19. Juli 2016

zur Ergänzung der Richtlinie 2014/65/EU des Europäischen Parlaments und des Rates durch technische Regulierungsstandards zur Festlegung der organisatorischen Anforderungen an Wertpapierfirmen, die algorithmischen Handel betreiben

(Text von Bedeutung für den EWR)

DIE EUROPÄISCHE KOMMISSION —

gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union,

gestützt auf die Richtlinie 2014/65/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Mai 2014 über Märkte für Finanzinstrumente sowie zur Änderung der Richtlinien 2002/92/EG und 2011/61/EU (1), insbesondere auf Artikel 17 Absatz 7 Buchstaben a und d,

in Erwägung nachstehender Gründe:

(1)

Die Systeme und Risikokontrollen von algorithmischen Handel betreibenden Wertpapierfirmen, die einen direkten elektronischen Zugang bereitstellen oder als allgemeine Clearing-Mitglieder auftreten, sollten effizient, belastbar sowie mit Kapazitäten ausgestattet sein, die der Art, dem Umfang und der Komplexität des Geschäftsmodells der jeweiligen Wertpapierfirma entsprechen.

(2)

Zu diesem Zweck sollten Wertpapierfirmen alle Risiken steuern, die die Kernbestandteile eines algorithmischen Handelssystems betreffen könnten, beispielsweise Risiken im Zusammenhang mit der Hardware, der Software und den Kommunikationsleitungen, welche die jeweilige Firma zur Ausübung ihrer Handelstätigkeiten verwendet. Um zu gewährleisten, dass für den algorithmischen Handel unabhängig von der Handelsform die gleichen Bedingungen gelten, sollten alle von Wertpapierfirmen eingesetzten Ausführungs- oder Auftragsverwaltungssysteme der vorliegenden Verordnung unterliegen.

(3)

Im Rahmen ihrer allgemeinen Unternehmensführung und Entscheidungsfindung sollten Wertpapierfirmen über klare und formalisierte Regelungen verfügen, in denen eindeutige Rechenschaftspflichten, effektive Verfahren für die Informationsweitergabe und die Trennung von Aufgaben und Zuständigkeiten vorgesehen sind. Durch diese Regelungen sollte die Abhängigkeit von einzelnen Personen oder Einheiten verringert werden.

(4)

Durch Konformitätstest sollte überprüft werden, ob die Handelssysteme von Wertpapierfirmen ordnungsgemäß mit den Handelssystemen des Handelsplatzes oder des Bereitstellers des direkten Marktzugangs (DMA-Bereitstellers) kommunizieren und interagieren und ob die Marktdaten fehlerfrei verarbeitet werden.

(5)

Algorithmen für Anlageentscheidungen führen automatische Handelsentscheidungen herbei, indem sie feststellen, welche Finanzinstrumente gekauft oder verkauft werden sollten. Algorithmen für die Auftragsausführung optimieren die Auftragsausführung, indem sie im Anschluss an eine Anlageentscheidung automatisch Aufträge oder Offerten erzeugen und bei einem oder mehreren Handelsplätzen einreichen. Bei der Beurteilung ihrer möglichen Auswirkungen auf das insgesamt faire und ordnungsgemäße Funktionieren des Markts sollten Handelsalgorithmen nach Algorithmen für Anlageentscheidungen und Algorithmen für die Auftragsausführung unterschieden werden.

(6)

Die Anforderungen an Tests für Handelsalgorithmen sollten sich nach den potenziellen Auswirkungen dieser Algorithmen auf das insgesamt faire und ordnungsgemäße Funktionieren des Markts richten. Daher sollten von den Testanforderungen nur solche Algorithmen ausgenommen werden, die ausschließlich Anlageentscheidungen herbeiführen und Aufträge erzeugen, die durch nicht automatisierte Mittel mit menschlicher Beteiligung ausgeführt werden.

(7)

Bei der Einführung von Handelsalgorithmen sollten Wertpapierfirmen unabhängig davon, ob es sich um neue oder bereits an einem anderen Handelsplatz erfolgreich eingesetzte Handelsalgorithmen handelt und ob die Architektur wesentlich geändert wurde, kontrollierte Verfahren anwenden. Durch die kontrollierte Einführung von Handelsalgorithmen sollte sichergestellt werden, dass diese in der Produktionsumgebung wie vorgesehen funktionieren. Daher sollten Wertpapierfirmen für die Anzahl der gehandelten Finanzinstrumente, für den Preis, den Wert und die Anzahl der Aufträge, für die strategischen Positionen und für die Anzahl der beteiligten Märkte mit einem geringen Risiko behaftete Obergrenzen festlegen und das Funktionieren des neu eingeführten Algorithmus besonders intensiv überwachen.

(8)

Die Einhaltung der spezifischen organisatorischen Anforderungen an Wertpapierfirmen sollte anhand einer Selbstbeurteilung überprüft werden, in deren Rahmen auch die Einhaltung der in Anhang I aufgeführten Kriterien bewertet wird. Darüber hinaus sollte sich diese Selbstbeurteilung auf alle sonstigen Umstände beziehen, die sich auf die Organisation der betreffenden Wertpapierfirma auswirken könnten. Die Selbstbeurteilung sollte in regelmäßigen Abständen erfolgen und es der Wertpapierfirma ermöglichen, einen umfassenden Überblick über die von ihr verwendeten Handelssysteme und Handelsalgorithmen sowie alle mit dem algorithmischen Handel verbundenen Risiken zu gewinnen, und zwar unabhängig davon, ob diese Systeme und Algorithmen von ihr selbst entwickelt, von einem Drittanbieter gekauft oder in enger Zusammenarbeit mit einem Kunden oder Dritten gestaltet oder entwickelt wurden.

(9)

Wertpapierfirmen sollten in der Lage sein, bei Bedarf alle ihre Aufträge oder einen Teil davon zu stornieren („Kill-Funktion“). Damit eine solche Stornierung Wirkung zeigt, sollten Wertpapierfirmen stets feststellen können, auf welchen Handelsalgorithmus, welchen Händler oder welchen Kunden ein Auftrag zurückgeht.

(10)

Algorithmischen Handel betreibende Wertpapierfirmen sollten darüber wachen, dass ihre Handelssysteme nicht für Zwecke verwendet werden können, die im Widerspruch zur Verordnung (EU) Nr. 596/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates (2) oder zu den Regeln des Handelsplatzes stehen, mit dem sie verbunden sind. Wie in besagter Verordnung vorgesehen, sollten den zuständigen Behörden verdächtige Geschäfte oder Aufträge gemeldet werden.

(11)

Unterschiedlichen Arten von Risiken sollte durch unterschiedliche Arten von Kontrollen entgegengewirkt werden. Vor der Einreichung eines Auftrags bei einem Handelsplatz sollten Vorhandelskontrollen erfolgen. Außerdem sollten Wertpapierfirmen ihre Handelstätigkeiten überwachen und Anzeichen für marktstörende Handelsbedingungen oder einen Verstoß gegen ihre Vorhandelsobergrenzen durch Warnmeldungen in Echtzeit anzeigen lassen. Der Markt sollte durch die Einführung von Nachhandelskontrollen überwacht werden, und die Kreditrisiken der Wertpapierfirma sollten durch einen Abgleich der Transaktionsdaten in der Nachhandelsphase erfasst werden. Darüber hinaus sollten zur Verhütung von potenziellem Marktmissbrauch und Verstößen gegen die Regeln des Handelsplatzes spezifische Überwachungssysteme eingesetzt werden, die spätestens am nächsten Tag Warnmeldungen ausgeben und so konfiguriert sind, dass möglichst wenige positive oder negative Fehlalarme entstehen.

(12)

Durch die Echtzeitüberwachung erzeugte Warnmeldungen sollten so schnell wie technisch möglich ausgegeben werden. Aus der Überwachung abgeleitete Maßnahmen sollten möglichst zeitnah umgesetzt werden, um ein vernünftiges Maß an Effizienz und Auslastung der betroffenen Mitarbeiter und Systeme zu erreichen.

(13)

Wertpapierfirmen, die einen direkten elektronischen Zugang bereitstellen („DEA-Bereitsteller“), bleiben für den Handel verantwortlich, den ihre DEA-Kunden unter Nutzung des Handelscodes der Wertpapierfirma betreiben. Daher sollten DEA-Bereitsteller durch geeignete Richtlinien und Verfahren sicherstellen, dass der von ihren DEA-Kunden betriebene Handel ihren Anforderungen als Bereitsteller entspricht. Diese Verantwortung sollte der Hauptfaktor für die Einführung von Vorhandels- und Nachhandelskontrollen und für die Beurteilung der Eignung potenzieller DEA-Kunden sein. DEA-Bereitsteller sollten daher über die Absichten, Fähigkeiten, finanziellen Ressourcen und die Vertrauenswürdigkeit ihrer DEA-Kunden hinreichend im Bilde sein und, sofern öffentlich zugänglich, auch das disziplinäre Verhalten potenzieller DEA-Kunden in der Vergangenheit gegenüber zuständigen Behörden und Handelsplätzen kennen.

(14)

DEA-Bereitsteller sollten die Bestimmungen der vorliegenden Verordnung auch dann einhalten, wenn sie keinen algorithmischen Handel betreiben, denn ihre Kunden könnten den DEA für algorithmischen Handel nutzen.

(15)

Due-Diligence-Prüfungen potenzieller DEA-Kunden sollten an die Risiken angepasst werden, die sich aus der Art, dem Umfang und der Komplexität der erwarteten Handelstätigkeiten und der Bereitstellung des direkten elektronischen Zugangs ergeben. Insbesondere der erwartete Umfang des Handels, das erwartete Auftragsvolumen und die Art der Verbindung zu den einschlägigen Handelsplätzen sollten in die Bewertung einbezogen werden.

(16)

Der Inhalt und das Format der Formulare, auf denen Wertpapierfirmen, die eine hochfrequente algorithmische Handelstechnik einsetzen, den zuständigen Behörden die Aufzeichnungen ihrer Aufträge übermitteln, sowie die Aufbewahrungsdauer dieser Aufzeichnungen sollten festgelegt werden.

(17)

Um zu gewährleisten, dass Wertpapierfirmen ihrer allgemeinen Pflicht zur Aufbewahrung von Aufzeichnungen nachkommen, sollte der Zeitraum, über den Aufzeichnungen aufbewahrt werden, bei Wertpapierfirmen, die sich einer hochfrequenten algorithmischen Handelstechnik bedienen, den Vorgaben in Artikel 25 Absatz 1 der Verordnung (EU) Nr. 600/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates (3) entsprechen.

(18)

Aus Gründen der Konsistenz und im Interesse reibungslos funktionierender Finanzmärkte ist es erforderlich, dass die in dieser Verordnung niedergelegten Bestimmungen und die damit zusammenhängenden nationalen Vorschriften zur Umsetzung der Richtlinie 2014/65/EU vom selben Tag an gelten.

(19)

Diese Verordnung stützt sich auf die Entwürfe technischer Regulierungsstandards, die der Kommission von der Europäischen Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (ESMA) vorgelegt wurden.

(20)

Die ESMA hat zu diesen Entwürfen öffentliche Konsultationen durchgeführt, die damit verbundenen potenziellen Kosten- und Nutzeffekte analysiert und die Stellungnahme der gemäß Artikel 37 der Verordnung (EU) Nr. 1095/2010 des Europäischen Parlaments und des Rates (4) eingesetzten Interessengruppe Wertpapiere und Wertpapiermärkte eingeholt —

HAT FOLGENDE VERORDNUNG ERLASSEN:


(1)  ABl. L 173 vom 12.6.2014, S. 349.

(2)  Verordnung (EU) Nr. 596/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. April 2014 über Marktmissbrauch (Marktmissbrauchsverordnung) und zur Aufhebung der Richtlinie 2003/6/EG des Europäischen Parlaments und des Rates und der Richtlinien 2003/124/EG, 2003/125/EG und 2004/72/EG der Kommission (ABl. L 173 vom 12.6.2014, S. 1).

(3)  Verordnung (EU) Nr. 600/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Mai 2014 über Märkte für Finanzinstrumente und zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 648/2012 (ABl. L 173 vom 12.6.2014, S. 84).

(4)  Verordnung (EU) Nr. 1095/2010 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. November 2010 zur Errichtung einer Europäischen Aufsichtsbehörde (Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde), zur Änderung des Beschlusses Nr. 716/2009/EG und zur Aufhebung des Beschlusses 2009/77/EG der Kommission (ABl. L 331 vom 15.12.2010, S. 84).