Artikel 9
Produktüberwachungspflichten von Wertpapierfirmen, die Finanzinstrumente konzipieren
Die Mitgliedstaaten schreiben vor, dass Wertpapierfirmen, die Finanzinstrumente konzipieren, die einschlägigen Anforderungen der Absätze 2 bis 15 so erfüllen, wie es eingedenk der Art des Finanzinstruments, der Wertpapierdienstleistung und des Zielmarkts des Produkts angemessen und verhältnismäßig ist.
Die Mitgliedstaaten verpflichten die Wertpapierfirmen, jedes Mal, wenn ein Finanzinstrument konzipiert wird, mögliche Interessenkonflikte zu analysieren. Insbesondere bewerten die Firmen, ob das Finanzinstrument eine Situation schafft, in der den Endkunden in Nachteile entstehen könnten, wenn sie
eine Gegenposition zu der Position übernehmen, die zuvor von der Firma selbst gehalten wurde oder
eine Gegenposition zu der Position übernehmen, die die Firma nach Verkauf des Produkts halten will.
Wertpapierfirmen, die durch andere Wertpapierfirmen vertriebene Finanzinstrumente konzipieren, bestimmen die Bedürfnisse und Merkmale der Kunden, mit denen das Produkt vereinbar ist, auf der Grundlage ihrer theoretischen Kenntnisse und bisherigen Erfahrungen, die sie in Bezug auf das Finanzinstrument oder vergleichbare Finanzinstrumente, die Finanzmärkte sowie die Bedürfnisse, Merkmale und Ziele der potenziellen Endkunden erworben haben.
Die Mitgliedstaaten verpflichten die Wertpapierfirmen, eine Szenarioanalyse ihrer Finanzinstrumente durchzuführen, bei der bewertet wird, welche Risiken bei dem Produkt hinsichtlich schlechter Ergebnisse für Endkunden bestehen und unter welchen Umständen diese Ergebnisse eintreten könnten. Die Wertpapierfirmen bewerten das Finanzinstrument unter Negativbedingungen und analysieren dabei beispielsweise, was geschähe, wenn,
sich die Marktbedingungen verschlechtern;
der Konzepteur oder ein an der Konzeption und/oder der Funktionsweise des Finanzinstruments beteiligter Dritter in finanzielle Schwierigkeiten gerät oder ein anderes Gegenparteirisiko eintritt;
sich das Finanzinstrument als kommerziell nicht lebensfähig erweist oder
die Nachfrage nach dem Finanzinstrument erheblich höher ausfällt als erwartet, so dass Druck auf die Ressourcen der Firma und/oder den Markt des Basisinstruments entsteht.
Die Mitgliedstaaten verpflichten die Wertpapierfirmen, festzustellen, ob ein Finanzinstrument den ermittelten Bedürfnissen, Merkmalen und Zielen des Zielmarkts entspricht, unter anderem indem sie untersuchen, ob folgende Elemente gegeben sind:
Das Risiko-/Ertragsprofil des Finanzinstruments ist mit dem Zielmarkt vereinbar;
etwaige Nachhaltigkeitsfaktoren des Finanzinstruments sind mit dem Zielmarkt vereinbar;
die Gestaltung des Finanzinstruments wird durch Merkmale bestimmt, die für den Kunden von Vorteil sind, und nicht durch ein Geschäftsmodell, dessen Rentabilität auf schlechten Kundenergebnissen beruht.
Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die Wertpapierfirmen die für das Finanzinstrument geplante Gebührenstruktur prüfen, auch indem sie untersuchen, ob Folgendes gegeben ist:
die Kosten und Gebühren des Finanzinstruments sind mit den Bedürfnissen, Zielen und Merkmalen des Zielmarkts vereinbar;
die Gebühren untergraben nicht die Renditeerwartungen des Finanzinstruments, was beispielweise der Fall ist, wenn die Kosten oder Gebühren nahezu alle erwarteten steuerlichen Vorteile eines Finanzinstruments aufwiegen, übersteigen oder zunichte machen; und
die Gebührenstruktur des Finanzinstruments ist für den Zielmarkt hinreichend transparent, so dass sie Gebühren nicht verschleiert oder nicht zu komplex ist, um verstanden werden zu können.
Die Nachhaltigkeitsfaktoren des Finanzinstruments werden auf transparente Art und Weise beschrieben und bieten den Verteilern die Informationen, die sie benötigen, um jegliche nachhaltigkeitsbezogenen Ziele des Kunden oder potenziellen Kunden gebührend berücksichtigen zu können.
Die Mitgliedstaaten verpflichten die Wertpapierfirmen, die Finanzinstrumente vor jeder weiteren Begebung oder Wiederauflage — wenn sie Kenntnis von einem Ereignis haben, das das potenzielle Risiko für die Anleger wesentlich beeinflussen könnte — sowie in regelmäßigen Abständen zu überprüfen, um zu bewerten, ob die Finanzinstrumente in der beabsichtigten Weise funktionieren. Die Wertpapierfirmen legen fest, wie regelmäßig sie ihre Finanzinstrumente überprüfen, wobei sie relevante Faktoren berücksichtigen, insbesondere auch Faktoren, die mit der Komplexität oder dem innovativen Charakter der verfolgten Anlagestrategien zusammenhängen. Die Firmen bestimmen auch zentrale Ereignisse, die das potenzielle Risiko oder die Renditeerwartungen des Finanzinstruments beeinflussen können, bespielweise
das Überschreiten einer Schwelle, die das Ertragsprofil des Finanzinstruments beeinflussen wird; oder
die Solvabilität bestimmter Emittenten, deren Wertpapiere oder Garantien sich auf die Wertentwicklung des Finanzinstruments auswirken könnten.
Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die Wertpapierfirmen bei Eintritt derartiger Ereignisse angemessene Maßnahmen ergreifen, die Folgendes beinhalten können:
Übermittlung aller relevanten Informationen über das Ereignis und seine Auswirkungen auf das Finanzinstrument an die Kunden oder die Vertreiber des Finanzinstruments, falls die Wertpapierfirma das Finanzinstrument den Kunden nicht direkt anbietet oder nicht direkt an die Kunden vertreibt;
Veränderung des Produktgenehmigungsverfahrens;
Einstellung der weiteren Begebung des Finanzinstruments;
Veränderung des Finanzinstruments zur Vermeidung unfairer Vertragsklauseln;
Prüfung, ob die für den Verkauf der Finanzinstrumente genutzten Kanäle angemessen sind, wenn die Firmen feststellen, dass das Finanzinstrument nicht wie geplant verkauft wird;
Kontaktaufnahme mit dem Vertreiber, um eine Veränderung des Vertriebsprozesses zu erörtern;
Beendigung der Beziehung mit dem Vertreiber; oder
Unterrichtung der jeweils zuständigen Behörde.