DURCHFÜHRUNGSBESCHLUSS (EU) 2019/1874 DER KOMMISSION
vom 6. November 2019
über die Angemessenheit der zuständigen Stellen der Volksrepublik China gemäß der Richtlinie 2006/43/EG des Europäischen Parlaments und des Rates
(Bekannt gegeben unter Aktenzeichen C(2019) 7854)
(Text von Bedeutung für den EWR)
DIE EUROPÄISCHE KOMMISSION —
gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union,
gestützt auf die Richtlinie 2006/43/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Mai 2006 über Abschlussprüfungen von Jahresabschlüssen und konsolidierten Abschlüssen, zur Änderung der Richtlinien 78/660/EWG und 83/349/EWG des Rates und zur Aufhebung der Richtlinie 84/253/EWG des Rates (1), insbesondere auf Artikel 47 Absatz 3 Unterabsatz 1,
in Erwägung nachstehender Gründe:
(1) |
Nach Artikel 47 Absatz 1 der Richtlinie 2006/43/EG dürfen die Mitgliedstaaten die Weitergabe von Arbeitspapieren oder anderen Dokumenten, die sich im Besitz von von ihnen zugelassenen Abschlussprüfern oder Prüfungsgesellschaften befinden, und von Untersuchungs- oder Inspektionsberichten im Zusammenhang mit den jeweiligen Prüfungen an die zuständigen Stellen eines Drittlands nur dann erlauben, wenn diese Stellen Anforderungen erfüllen, die von der Kommission für angemessen erklärt wurden, und wenn auf Grundlage der Gegenseitigkeit Vereinbarungen zur Zusammenarbeit zwischen ihnen und den zuständigen Stellen der betreffenden Mitgliedstaaten getroffen wurden. Die Mitgliedstaaten haben ein wachsendes Interesse daran, die Zusammenarbeit mit den zuständigen Stellen der Volksrepublik China im Bereich der Abschlussprüfung weiter auszubauen. In Anbetracht dieses Interesses muss festgestellt werden, ob die zuständigen Stellen der Volksrepublik China Anforderungen erfüllen, die für diese Zwecke angemessen sind. |
(2) |
Sonstige besondere Anforderungen für die Weitergabe von Arbeitspapieren und anderen Dokumenten im Besitz von Abschlussprüfern oder Prüfungsgesellschaften und von Untersuchungs- oder Inspektionsberichten, wie z. B. die auf Grundlage der Gegenseitigkeit getroffenen Vereinbarungen zur Zusammenarbeit zwischen den zuständigen Stellen gemäß Artikel 47 Absatz 1 Buchstabe d der Richtlinie 2006/43/EG oder die Anforderungen für die Übermittlung personenbezogener Daten gemäß Artikel 47 Absatz 1 Buchstabe e der genannten Richtlinie, sind nicht Gegenstand eines Beschlusses über die Angemessenheit nach Artikel 47 Absatz 3 der Richtlinie 2006/43/EG. |
(3) |
Die Zusammenarbeit hinsichtlich der Weitergabe von Arbeitspapieren oder anderen Dokumenten im Besitz von Abschlussprüfern oder Prüfungsgesellschaften und von Untersuchungs- oder Inspektionsberichten an die zuständige Stelle eines Drittlands ist Ausdruck des erheblichen öffentlichen Interesses an der Gewährleistung einer unabhängigen öffentlichen Aufsicht. Dementsprechend sollten die zuständigen Stellen der Mitgliedstaaten im Rahmen der in Artikel 47 Absatz 2 der Richtlinie 2006/43/EG genannten Vereinbarungen zur Zusammenarbeit sicherstellen, dass die zuständigen Stellen der Volksrepublik China die gemäß Artikel 47 Absatz 1 der genannten Richtlinie an sie weitergegebenen Dokumente ausschließlich zur Erfüllung ihrer Aufgaben im Bereich der öffentlichen Aufsicht, externen Qualitätssicherung und Durchführung von Untersuchungen bei Abschlussprüfern und Prüfungsgesellschaften verwenden. |
(4) |
Werden Inspektionen oder Untersuchungen durchgeführt, dürfen Abschlussprüfer und Prüfungsgesellschaften den zuständigen Stellen der Volksrepublik China zu keinen anderen als den in Artikel 47 der Richtlinie 2006/43/EG und in diesem Beschluss genannten Bedingungen Zugang zu ihren Arbeitspapieren und anderen Dokumenten gewähren oder diese an sie weitergeben. |
(5) |
Unbeschadet des Artikels 47 Absatz 4 der Richtlinie 2006/43/EG sollten die Mitgliedstaaten sicherstellen, dass Kontakte zwischen den von ihnen zugelassenen Abschlussprüfern und Prüfungsgesellschaften und den zuständigen Stellen der Volksrepublik China für die Zwecke der öffentlichen Aufsicht, Qualitätssicherung und Durchführung von Untersuchungen bei Abschlussprüfern und Prüfungsgesellschaften über die zuständigen Stellen der betroffenen Mitgliedstaaten stattfinden. |
(6) |
Im Einklang mit Artikel 47 Absatz 1 Buchstabe d der Richtlinie 2006/43/EG können die Mitgliedstaaten die Weitergabe von Arbeitspapieren oder anderen Dokumenten, die sich im Besitz von von ihnen zugelassenen Abschlussprüfern oder Prüfungsgesellschaften befinden, und von Untersuchungs- oder Inspektionsberichten an die zuständigen Stellen der Volksrepublik China nur dann erlauben, wenn Vereinbarungen zur Zusammenarbeit zwischen ihnen und den zuständigen Stellen getroffen wurden. |
(7) |
Die Mitgliedstaaten sollten sicherstellen, dass solche Vereinbarungen zur Zusammenarbeit zwischen ihren zuständigen Stellen und den zuständigen Stellen der Volksrepublik China auf Grundlage der Gegenseitigkeit getroffen werden und den Bedingungen des Artikels 47 Absätze 1 und 2 der Richtlinie 2006/43/EG unterliegen, einschließlich der Wahrung der in solchen Dokumenten enthaltenen Geschäftsgeheimnisse und Wirtschaftsinteressen, insbesondere auch der Rechte des gewerblichen und geistigen Eigentums, der geprüften Unternehmen oder der Abschlussprüfer und Prüfungsgesellschaften, die diese Unternehmen geprüft haben. |
(8) |
Beinhaltet die Weitergabe von Arbeitspapieren oder anderen Dokumenten im Besitz von Abschlussprüfern oder Prüfungsgesellschaften und von Untersuchungs- oder Inspektionsberichten an die zuständigen Stellen der Volksrepublik China eine Übermittlung personenbezogener Daten, ist eine derartige Übermittlung nur dann rechtmäßig, wenn sie auch die in der Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates (2) niedergelegten Anforderungen für internationale Datenübermittlungen erfüllt. Aus diesem Grund verpflichtet Artikel 47 Absatz 1 Buchstabe e der Richtlinie 2006/43/EG die Mitgliedstaaten, dafür Sorge zu tragen, dass die Übermittlung personenbezogener Daten zwischen ihren zuständigen Stellen und den zuständigen Stellen der Volksrepublik China in Übereinstimmung mit den geltenden Datenschutzgrundsätzen und -bestimmungen sowie insbesondere mit den Bestimmungen des Kapitels V der Verordnung (EU) 2016/679 erfolgt. Die Mitgliedstaaten sollten sicherstellen, dass angemessene Garantien für die Übermittlung personenbezogener Daten nach Maßgabe des Artikels 46 der Verordnung (EU) 2016/679 vorgesehen werden. Darüber hinaus sollten die Mitgliedstaaten sicherstellen, dass die zuständigen Stellen der Volksrepublik China die in den weitergegebenen Dokumenten enthaltenen personenbezogenen Daten nicht ohne vorherige Einwilligung der zuständigen Stellen der betroffenen Mitgliedstaaten weitergeben. |
(9) |
Das Finanzministerium der Volksrepublik China und die Wertpapieraufsichtsbehörde (Securities Regulatory Commission, CSRC) der Volksrepublik China sind die beiden Einrichtungen im Bereich der öffentlichen Aufsicht, die im Rahmen des Abschlussprüfungsrechts, des Abschlussprüferrechts und des Wertpapierrechts der Volksrepublik China Aufgaben hinsichtlich der Durchführung von Untersuchungen bei Abschlussprüfern und Prüfungsgesellschaften wahrnehmen. In den Aufgabenbereich des Finanzministeriums fallen die Erteilung von Lizenzen für Wirtschaftsprüfungsgesellschaften, die Durchsetzung der Rechnungslegungsvorschriften, die Festlegung von Prüfungsstandards, die Durchführung von Inspektionen und Untersuchungen bei Wirtschaftsprüfungsgesellschaften und zugelassenen Wirtschaftsprüfern sowie der Abschluss von Kooperationsvereinbarungen im Bereich der Beaufsichtigung des Berufsstands der zugelassenen Wirtschaftsprüfer. Die CSRC untersteht dem Staatsrat und ist für die Wertpapieraufsicht sowie die Durchsetzung des Wertpapierrechts zuständig. Sie ist befugt, Inspektionen der an der Börse von Shanghai oder an der Börse von Shenzhen notierten Unternehmen sowie der Wirtschaftsprüfungsgesellschaften, die diese börsennotierten Unternehmen prüfen, vorzunehmen. Die CSRC ist für die Beaufsichtigung und Verwaltung der an diesen beiden Börsen ausgegebenen Wertpapiere zuständig. Im Rahmen ihrer Aufsichtspflichten ist die CSRC auch für die Verwaltung der internationalen Zusammenarbeit im Bereich Wertpapiere und Termingeschäfte zuständig. Die CSRC ist befugt, für die Zwecke der grenzüberschreitenden Wertpapieraufsicht, einschließlich der Zusammenarbeit in Prüfungssachen, einen Mechanismus für die Zusammenarbeit im Aufsichtsbereich mit einschlägigen Stellen anderer Länder einzurichten. |
(10) |
Sowohl das Finanzministerium als auch die CSRC werden an der Unterzeichnung künftiger bilateraler Vereinbarungen über die Weitergabe einschlägiger Arbeitspapiere beteiligt sein. Das Finanzministerium ist beim Abschluss von Vereinbarungen mit den Mitgliedstaaten federführend und entscheidet — je nach Anwendungsbereich und Gegenstand der Vereinbarungen — über eine Beteiligung der CSRC an den Verhandlungen und an der Unterzeichnung der Vereinbarungen. Derzeitige und frühere Mitarbeiter des Finanzministeriums und der CSRC sind verpflichtet, die bei Aufsichtstätigkeiten erlangten Staats-, Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse zu wahren und entsprechende Informationen nicht für sachfremde Zwecke zu verwenden. |
(11) |
Nach den Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Volksrepublik China dürfen das Finanzministerium und die CSRC an die zuständigen Stellen der Mitgliedstaaten Dokumente weitergeben, die den in Artikel 47 Absatz 1 der Richtlinie 2006/43/EG genannten gleichwertig sind und Untersuchungen bei einschlägigen Abschlussprüfern und Prüfungsgesellschaften betreffen. |
(12) |
Auf dieser Grundlage und unter Berücksichtigung der fachlichen Beratung durch den Ausschuss der Europäischen Aufsichtsstellen für Abschlussprüfer nach Artikel 30 Absatz 7 Buchstabe c der Verordnung (EU) Nr. 537/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates (3) erfüllen das Finanzministerium und die CSRC Anforderungen, die für die Zwecke des Artikels 47 Absatz 1 Buchstabe c der Richtlinie 2006/43/EG für angemessen erklärt werden sollten. |
(13) |
Dieser Beschluss berührt nicht die in Artikel 25 Absatz 4 der Richtlinie 2004/109/EG des Europäischen Parlaments und des Rates (4) genannten Kooperationsvereinbarungen. |
(14) |
Jegliche Schlussfolgerung über die Angemessenheit der von den zuständigen Stellen eines Drittlandes erfüllten Anforderungen gemäß Artikel 47 Absatz 3 Unterabsatz 1 der Richtlinie 2006/43/EG greift einem möglichen Beschluss der Kommission über die Gleichwertigkeit der öffentlichen Aufsichts-, Qualitätssicherungs-, Untersuchungs- und Sanktionssysteme für Abschlussprüfer und Prüfungsgesellschaften dieses Drittlands gemäß Artikel 46 Absatz 2 der genannten Richtlinie nicht vor. |
(15) |
Dieser Beschluss soll eine wirksame Zusammenarbeit zwischen den zuständigen Stellen der Mitgliedstaaten und den zuständigen Stellen der Volksrepublik China erleichtern. Er soll es diesen Stellen ermöglichen, ihre Aufgaben im Bereich der öffentlichen Aufsicht, externen Qualitätssicherung und Durchführung von Untersuchungen wahrzunehmen, und gleichzeitig die Rechte der Betroffenen zu schützen. Beschließt eine zuständige Stelle, Vereinbarungen zur Zusammenarbeit auf Grundlage der Gegenseitigkeit mit den zuständigen Stellen der Volksrepublik China einzugehen, um die Weitergabe von Arbeitspapieren oder anderen Dokumenten im Besitz von Abschlussprüfern oder Prüfungsgesellschaften und von Untersuchungs- oder Inspektionsberichten zu ermöglichen, ist der betreffende Mitgliedstaat verpflichtet, der Kommission die Vereinbarungen zur Zusammenarbeit, die mit solchen Stellen auf Grundlage der Gegenseitigkeit getroffen wurden, mitzuteilen, damit die Kommission beurteilen kann, ob die Zusammenarbeit mit Artikel 47 der Richtlinie 2006/43/EG in Einklang steht. |
(16) |
Letztlich besteht das Ziel der Zusammenarbeit bei der Prüfungsaufsicht zwischen den zuständigen Stellen der Mitgliedstaaten und jenen der Volksrepublik China darin, zu einem gegenseitigen Vertrauen auf die Aufsichtssysteme des jeweils anderen zu gelangen und die Konvergenz hinsichtlich der Qualität der Abschlussprüfung zu steigern. Grundlage für ein solches gegenseitiges Vertrauen und eine gesteigerte Konvergenz wäre die Gleichwertigkeit der Prüfungsaufsichtssysteme der Union und der Volksrepublik China. Die Weitergabe von Arbeitspapieren oder anderen Dokumenten im Besitz von Abschlussprüfern oder Prüfungsgesellschaften und von Untersuchungs- oder Inspektionsberichten sollte somit schließlich zur Ausnahme werden. |
(17) |
Dieser Beschluss spiegelt das wachsende Interesse der Mitgliedstaaten wider, die Zusammenarbeit mit den zuständigen Stellen der Volksrepublik China im Bereich der Abschlussprüfung weiter auszubauen, um den Zugang von Unternehmen aus der Union zum Kapitalmarkt der Volksrepublik China zu erleichtern und Kapitalmarktaktivitäten von Unternehmen mit Sitz in der Volksrepublik China in den Mitgliedstaaten zu fördern. |
(18) |
Da es noch an praktischer Erfahrung in der aufsichtlichen Zusammenarbeit mit den zuständigen Stellen der Volksrepublik China fehlt, sollte die Geltungsdauer dieses Beschlusses begrenzt sein. |
(19) |
Ungeachtet der begrenzten Geltungsdauer wird die Kommission regelmäßig die Marktentwicklungen, die Entwicklung der Aufsichts- und Regulierungsrahmen und die Wirksamkeit der aufsichtlichen Zusammenarbeit verfolgen, wobei sie die bei der aufsichtlichen Zusammenarbeit gesammelten Erfahrungen berücksichtigen und sich auch auf Beiträge der Mitgliedstaaten stützen wird. Insbesondere kann die Kommission jederzeit vor Ablauf der Geltungsdauer dieses Beschlusses eine spezifische Überprüfung des Beschlusses vornehmen, wenn die durch diesen Beschluss erklärte Angemessenheit angesichts einschlägiger Entwicklungen neu bewertet werden muss. Eine solche Neubewertung könnte zur Aufhebung dieses Beschlusses führen. |
(20) |
Der Europäische Datenschutzbeauftragte hat am 20. Mai 2019 eine Stellungnahme abgegeben. |
(21) |
Die in diesem Beschluss vorgesehenen Maßnahmen stehen in Einklang mit der Stellungnahme des nach Artikel 48 Absatz 1 der Richtlinie 2006/43/EG eingesetzten Ausschusses — |
HAT FOLGENDEN BESCHLUSS ERLASSEN:
(1) ABl. L 157 vom 9.6.2006, S. 87.
(2) Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung) (ABl. L 119 vom 4.5.2016, S. 1).
(3) Verordnung (EU) Nr. 537/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. April 2014 über spezifische Anforderungen an die Abschlussprüfung bei Unternehmen von öffentlichem Interesse und zur Aufhebung des Beschlusses 2005/909/EG der Kommission (ABl. L 158 vom 27.5.2014, S. 77).
(4) Richtlinie 2004/109/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Dezember 2004 zur Harmonisierung der Transparenzanforderungen in Bezug auf Informationen über Emittenten, deren Wertpapiere zum Handel auf einem geregelten Markt zugelassen sind, und zur Änderung der Richtlinie 2001/34/EG (ABl. L 390 vom 31.12.2004, S. 38).