Aktualisiert 22/12/2024
In Kraft

Fassung vom: 14/11/2024
Änderungen (6)
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Artikel 36 - Bewertung für Abwicklungszwecke

Artikel 36

Bewertung für Abwicklungszwecke

(1)  
Bevor Abwicklungsmaßnahmen getroffen werden oder die Befugnis zur Herabschreibung oder Umwandlung von relevanten  Kapitalinstrumenten und berücksichtigungsfähige Verbindlichkeiten im Einklang mit Artikel 59 ausgeübt wird, stellen die Abwicklungsbehörden sicher, dass eine faire, vorsichtige und realistische Bewertung der Vermögenswerte und Verbindlichkeiten des Instituts oder des Unternehmens im Sinne von Artikel 1 Absatz 1 Buchstabe b, c oder d durch eine von staatlichen Stellen — einschließlich der Abwicklungsbehörde — und dem Institut oder dem Unternehmen im Sinne von Artikel 1 Absatz 1 Buchstabe b, c oder d unabhängige Person vorgenommen wird. Vorbehaltlich des Absatzes 13 und des Artikels 85 gilt die Bewertung als endgültig, wenn alle im vorliegenden Artikel festgelegten Anforderungen erfüllt sind.
(2)  
Ist eine unabhängige Bewertung gemäß Absatz 1 nicht möglich, können die Abwicklungsbehörden eine vorläufige Bewertung der Vermögenswerte und Verbindlichkeiten des Instituts oder des Unternehmens im Sinne von Artikel 1 Absatz 1 Buchstabe b, c oder d nach Maßgabe von Absatz 9 vornehmen.
(3)  
Das Ziel der Bewertung ist, den Wert der Vermögenswerte und Verbindlichkeiten des Instituts oder des Unternehmens im Sinne von Artikel 1 Absatz 1 Buchstabe b, c oder d zu ermitteln, das die Abwicklungsvoraussetzungen nach Artikel 32 und 33 erfüllt.
(4)  

Die Bewertung dient folgenden Zwecken:

a) 

der fundierten Feststellung, ob die Voraussetzungen für eine Abwicklung oder die Voraussetzungen für die Herabschreibung oder Umwandlung von  Kapitalinstrumenten und berücksichtigungsfähige Verbindlichkeiten im Einklang mit Artikel 59 erfüllt sind;

b) 

wenn die Voraussetzungen für eine Abwicklung erfüllt sind, der fundierten Entscheidung über die in Bezug auf das Institut oder das Unternehmen im Sinne von Artikel 1 Absatz 1 Buchstabe b, c oder d zu treffenden angemessenen Abwicklungsmaßnahmen;

c) 

wenn die Befugnis, relevante  Kapitalinstrumente und berücksichtigungsfähige Verbindlichkeiten im Einklang mit Artikel 59 herabzuschreiben oder umzuwandeln, ausgeübt wird, der fundierten Entscheidung über den Umfang der Löschung oder der Verwässerung von Anteilen oder anderen Eigentumstiteln und über den Umfang der Herabschreibung oder Umwandlung der relevanten  Kapitalinstrumente und berücksichtigungsfähige Verbindlichkeiten im Einklang mit Artikel 59;

d) 

wenn das Bail-in-Instrument angewandt wird, der fundierten Entscheidung über den Umfang der Herabschreibung oder Umwandlung von  bail-in-fähige Verbindlichkeiten;

e) 

wenn das Instrument des Brückeninstituts oder das Instrument der Ausgliederung von Vermögenswerten angewandt wird, der fundierten Entscheidung über die zu übertragenden Vermögenswerte, Rechte, Verbindlichkeiten oder Anteile oder anderen Eigentumstitel und der fundierten Entscheidung über den Wert von Gegenleistungen, die an das in Abwicklung befindliche Institut oder gegebenenfalls an die Eigentümer der Anteile oder anderen Eigentumstitel zu entrichten sind;

f) 

wenn das Instrument der Unternehmensveräußerung angewandt wird, der fundierten Entscheidung über die zu übertragenden Vermögenswerte, Rechte, Verbindlichkeiten oder Anteile oder anderen Eigentumstitel und dem Verständnis der Abwicklungsbehörde dafür, was unter kommerziellen Bedingungen für die Zwecke des Artikels 38 zu verstehen ist;

g) 

in jedem Fall der Sicherstellung, dass sämtliche Verluste in Bezug auf Vermögenswerte des Instituts oder des Unternehmens im Sinne von Artikel 1 Absatz 1 Buchstabe b, c oder d zum Zeitpunkt der Anwendung der Abwicklungsinstrumente oder der Ausübung der Befugnis zur Herabschreibung oder Umwandlung von relevanten  Kapitalinstrumenten und berücksichtigungsfähige Verbindlichkeiten im Einklang mit Artikel 59 vollständig erfasst werden.

(5)  

Unbeschadet des Rechtsrahmens für staatliche Beihilfen der Union beruht die Bewertung gegebenenfalls auf vorsichtigen Annahmen, unter anderem für die Ausfallquoten und den Umfang der Verluste. Bei der Bewertung darf nicht von einer potenziellen künftigen Gewährung einer außerordentlichen finanziellen Unterstützung aus öffentlichen Mitteln oder einer Notfallliquiditätshilfe oder sonstigen Liquiditätshilfe der Zentralbank auf der Grundlage nicht standardisierter Bedingungen in Bezug auf Besicherung, Laufzeit und Zinssätze für das Institut oder das Unternehmen im Sinne von Artikel 1 Absatz 1 Buchstabe b, c oder d, die dem Zeitpunkt, zu dem eine Abwicklungsmaßnahme ergriffen oder die Befugnis zur Herabschreibung oder Umwandlung von relevanten  Kapitalinstrumenten und berücksichtigungsfähige Verbindlichkeiten im Einklang mit Artikel 59 ausgeübt wird, nachfolgt, ausgegangen werden. Außerdem muss bei der Bewertung berücksichtigt werden, dass im Fall der Anwendung eines Abwicklungsinstruments

a) 

die Abwicklungsbehörde und Finanzierungsmechanismen gemäß Artikel 101 sich gemäß Artikel 37 Absatz 7 alle angemessenen Ausgaben, die ordnungsgemäß getätigt wurden, von dem in Abwicklung befindlichen Institut erstatten lassen können,

b) 

im Rahmen des Abwicklungsfinanzierungsmechanismus Zinsen und Gebühren für Darlehen oder Garantien, die dem in Abwicklung befindlichen Institut nach Artikel 101 gewährt werden, erhoben werden können.

(6)  

Die Bewertung wird durch folgende in den Büchern und Aufzeichnungen des Instituts oder des Unternehmens im Sinne von Artikel 1 Absatz 1Buchstabe b, c oder d enthaltenen Unterlagen ergänzt:

a) 

eine aktualisierte Bilanz und einen Bericht über die Finanzlage des Instituts oder des Unternehmens im Sinne von Artikel 1 Absatz 1 Buchstabe b, c oder d;

b) 

eine Analyse und eine Schätzung des Buchwerts der Vermögenswerte;

c) 

eine Aufstellung der in den Büchern und Aufzeichnungen ausgewiesenen bilanziellen und außerbilanziellen offenen Verbindlichkeiten des Instituts oder des Unternehmens im Sinne von Artikel 1 Absatz 1 Buchstabe b, c oder d mit Angaben zu den jeweiligen Krediten und zu ihrem Rang nach dem anwendbaren Insolvenzrecht.

(7)  
Soweit zweckmäßig, können die Unterlagen nach Absatz 6 Buchstabe b durch Analysen und Schätzungen der Vermögenswerte und Verbindlichkeiten des Instituts oder des Unternehmens im Sinne von Artikel 1 Absatz 1 Buchstabe b, c oder d auf der Grundlage des Marktwerts ergänzt werden, damit fundierte Entscheidungen gemäß Absatz 4 Buchstaben e und f getroffen werden können.
(8)  
Die Bewertung enthält Angaben zur Unterteilung der Gläubiger in Klassen entsprechend ihrem Rang nach dem anwendbaren Insolvenzrecht sowie eine Einschätzung der Behandlung der einzelnen Klassen von Anteilseignern und Gläubigern, die zu erwarten wäre, wenn das Institut oder das Unternehmen im Sinne von Artikel 1 Absatz 1 Buchstabe b, c oder d im Wege eines regulären Insolvenzverfahrens liquidiert würde.

Die Anwendung der Regel, dass kein Gläubiger schlechter zu stellen ist als bei einer Insolvenz, gemäß Artikel 74 wird von dieser Einschätzung nicht berührt.

(9)  
Ist es aufgrund der gebotenen Dringlichkeit entweder nicht möglich, die Anforderungen der Absätze 6 und 8 zu erfüllen, oder gilt Absatz 2, wird eine vorläufige Bewertung vorgenommen. Bei der vorläufigen Bewertung müssen die Anforderungen des Absatzes 3 und — insoweit dies unter den gegebenen Umständen angemessen und durchführbar ist — die Anforderungen der Absätze 1, 6 und 8 erfüllt werden.

Die vorläufige Bewertung gemäß diesem Absatz umfasst einen Puffer für zusätzliche Verluste mit einer angemessenen Begründung.

(10)  
Eine Bewertung, die nicht sämtliche in diesem Artikel festgelegten Anforderungen erfüllt, ist als vorläufig zu betrachten, bis eine unabhängige Person eine Bewertung vornimmt, die sämtlichen in diesem Artikel festgelegten Anforderungen uneingeschränkt genügt. Diese endgültige Ex-post-Bewertung wird so bald wie möglich vorgenommen. Sie wird entweder unabhängig von der Bewertung nach Artikel 74 oder gleichzeitig mit ihr und von derselben unabhängigen Person wie die Bewertung nach Artikel 66 durchgeführt, muss aber davon getrennt werden.

Die endgültige Ex-post-Bewertung dient folgenden Zwecken:

a) 

der Sicherstellung, dass sämtliche Verluste in Bezug auf Vermögenswerte des Instituts oder des Unternehmens im Sinne von Artikel 1 Absatz 1 Buchstabe b, c oder d in den Büchern des Instituts oder Unternehmens vollständig erfasst werden;

b) 

der fundierten Entscheidung über die Wiederheraufschreibung der Forderungen von Gläubigern oder die Erhöhung des Werts der zu entrichtenden Gegenleistung nach Absatz 11.

(11)  

Fällt die Schätzung des Nettovermögenswerts des Instituts oder des Unternehmens im Sinne von Artikel 1 Absatz 1 Buchstaben b, c oder d bei der endgültigen Ex-post-Bewertung höher aus als bei der vorläufigen Bewertung, kann die Abwicklungsbehörde

a) 

ihre Befugnis zur Erhöhung des Werts der Forderungen von Gläubigern oder Eigentümern relevanter Kapitalinstrumente, die im Rahmen des Bail-in-Instruments herabgeschrieben wurden, ausüben;

b) 

ein Brückeninstitut oder eine für die Vermögensverwaltung gegründete Zweckgesellschaft anweisen, eine weitere Gegenleistung in Bezug auf die Vermögenswerte, Rechte oder Verbindlichkeiten an das in Abwicklung befindliche Institut oder gegebenenfalls in Bezug auf Anteile oder Eigentumstitel an die Inhaber der Anteile oder anderen Eigentumstitel zu entrichten.

(12)  
Unbeschadet des Absatzes 1 stellt eine gemäß den Absätzen 9 und 10 durchgeführte vorläufige Bewertung eine zulässige Grundlage für die Abwicklungsbehörden dar, um Abwicklungsmaßnahmen zu ergreifen — unter anderem indem sie die Kontrolle über ein ausfallendes Institut oder ein Unternehmen nach Artikel 1 Absatz 1 Buchstabe b, c oder d übernehmen — oder die Befugnis zur Herabschreibung oder Umwandlung von  Kapitalinstrumenten und berücksichtigungsfähige Verbindlichkeiten im Einklang mit Artikel 59 auszuüben.
(13)  
Die Bewertung ist integraler Bestandteil der Entscheidung über die Anwendung eines Abwicklungsinstruments oder die Ausübung einer Abwicklungsbefugnis bzw. der Entscheidung über die Ausübung der Befugnis zur Herabschreibung oder Umwandlung von  Kapitalinstrumenten und berücksichtigungsfähige Verbindlichkeiten im Einklang mit Artikel 59. Gegen die Bewertung selbst kann kein gesondertes Rechtsmittel eingelegt werden, aber gegen sie kann zusammen mit der Entscheidung gemäß Artikel 85 ein Rechtsmittel eingelegt werden.
(14)  
Die EBA erarbeitet Entwürfe technischer Regulierungsstandards, in denen festgelegt wird, unter welchen Umständen eine Person für die Zwecke von Absatz 1 dieses Artikels und von Artikel 74 sowohl von der Abwicklungsbehörde als auch von dem Institut oder dem Unternehmen im Sinne von Artikel 1 Absatz 1 Buchstabe b, c oder d unabhängig ist.
(15)  

Die EBA kann Entwürfe technischer Regulierungsstandards ausarbeiten, in denen folgende Kriterien für die Zwecke von Absatz 1, 3 und 9 und von Artikel 74 festgelegt werden:

a) 

die Methoden zur Bewertung der Vermögenswerte und Verbindlichkeiten des Instituts oder Unternehmens im Sinne von Artikel 1 Absatz 1 Buchstabe b, c oder d;

b) 

die Trennung der Bewertungen gemäß den Artikeln 36 und 74;

c) 

die Methoden zur Berechnung und Einbeziehung eines Puffers für zusätzliche Verluste in der vorläufigen Bewertung.

(16)  
Die EBA übermittelt der Kommission die in Absatz 14 genannten Entwürfe technischer Regulierungsstandards bis zum 3. Juli 2015.

Der Kommission wird die Befugnis übertragen, die in den Absätzen 14 und 15 genannten technischen Regulierungsstandards nach dem in den Artikeln 10 bis 14 der Verordnung (EU) Nr. 1093/2010 festgelegten Verfahren zu erlassen.