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Ursprungsrechtsakt
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Erwägungsgründe

DELEGIERTE VERORDNUNG (EU) 2017/2358 DER KOMMISSION

vom 21. September 2017

zur Ergänzung der Richtlinie (EU) 2016/97 des Europäischen Parlaments und des Rates in Bezug auf die Aufsichts- und Lenkungsanforderungen für Versicherungsunternehmen und Versicherungsvertreiber

(Text von Bedeutung für den EWR)

DIE EUROPÄISCHE KOMMISSION —

gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union,

gestützt auf die Richtlinie (EU) 2016/97 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Januar 2016 über Versicherungsvertrieb (1), insbesondere auf Artikel 25 Absatz 2,

in Erwägung nachstehender Gründe:

(1)

Mit der Richtlinie (EU) 2016/97 wird der Kommission die Befugnis übertragen, delegierte Rechtsakte zu erlassen, um die in Artikel 25 derselben Richtlinie festgesetzten Aufsichts- und Lenkungsanforderungen weiter zu bestimmen. Im Interesse eines wirksamen Kundenschutzes sollten die Vorschriften in Bezug auf die Aufsicht und Lenkung kohärent auf alle neu entwickelten Versicherungsprodukte sowie auf weitreichende Anpassungen bestehender Versicherungsprodukte angewandt werden, unabhängig von der Art des Produkts und der zum Zeitpunkt des Verkaufs geltenden Anforderungen. Die Form einer Verordnung gewährleistet einen kohärenten Rahmen für alle Marktbetreiber und ist die bestmögliche Garantie für gleiche Ausgangsbedingungen, einheitliche Wettbewerbsbedingungen und ein angemessenes Maß an Verbraucherschutz.

(2)

Angesichts der Anforderungen der Richtlinie (EU) 2016/97 sollten Aufsichts- und Lenkungsmaßnahmen auf verhältnismäßige und angemessene Art und Weise ausgewählt und angewandt werden, je nach Komplexität des Produkts und Umfang, in dem öffentlich zugängliche Informationen eingeholt werden können; dabei sind die Art des Versicherungsprodukts und das mit dem Produkt verbundene Risiko der Benachteiligung des Kunden, die Merkmale des Zielmarkts sowie die Wesensart, der Umfang und die Komplexität des jeweiligen Geschäfts des Herstellers oder Vertreibers zu berücksichtigen. Verhältnismäßigkeit bedeutet, dass diese Maßnahmen für geradlinige und nichtkomplexe Produkte, die den Bedürfnissen und Merkmalen des Massenmarkts für Kleinanleger entsprechen, einschließlich derzeitiger Nichtlebensversicherungsprodukte mit begrenztem, leicht verständlichem Umfang, relativ einfach sein sollten. Dagegen sollten im Falle von komplexeren Produkten mit einem höheren Risiko der Benachteiligung des Kunden, einschließlich Versicherungsanlageprodukte, die nicht unter Artikel 30 Absatz 3 der Richtlinie (EU) 2016/97 fallen, strengere Vorschriften verlangt werden.

(3)

Für die Zwecke des Artikels 25 Absatz 1 der Richtlinie (EU) 2016/97 sollte ein Versicherungsvermittler dann als Hersteller eines Versicherungsprodukts gelten, wenn sich aus einer Gesamtanalyse der Tätigkeit des Vermittlers auf Einzelfallbasis ergibt, dass der Versicherungsvermittler selbstständig über die wesentlichen Merkmale und Hauptelemente eines Versicherungsprodukts entscheidet, darunter Deckung, Kosten, Risiken, Zielmarkt, Entschädigung oder Garantierechte. Tätigkeiten im Zusammenhang mit der bloßen Anpassung bestehender Versicherungsprodukte, darunter Fälle, in denen der Vermittler zwischen verschiedenen Varianten eines Produkts und verschiedenen vertraglichen Klauseln oder Optionen wählen oder sich mit dem Kunden auf vergünstigte Prämien oder Gebühren einigen kann, sollten jedoch nicht als Herstellung betrachtet werden, da in solchen Fällen die wichtigsten Entscheidungen bezüglich der Konzeption und Entwicklung des Produkts vom Versicherungsunternehmen und nicht vom Versicherungsvermittler getroffen werden.

(4)

Wird ein Versicherungsprodukt gemeinsam von einem Versicherungsvermittler und einem Versicherungsunternehmen konzipiert und entwickelt, wobei beide bei der Konzeption und Entwicklung des betreffenden Produkts über Entscheidungsbefugnisse verfügen, sollten der Versicherungsvermittler und das Versicherungsunternehmen in einer schriftlichen Vereinbarung ihre Zusammenarbeit und ihre jeweiligen Rollen konkretisieren, damit den zuständigen Behörden die Überwachung der Einhaltung der rechtlichen Anforderungen ermöglicht wird.

(5)

Die Ermittlung des Zielmarkts durch den Hersteller sollte als Beschreibung einer Gruppe von Kunden mit gemeinsamen Merkmalen auf abstrakter und verallgemeinerter Ebene verstanden werden, um es dem Hersteller zu ermöglichen, die Merkmale des Produkts an die Bedürfnisse, Merkmale und Ziele der betreffenden Kundengruppe anzupassen. Sie sollte von der Einzelbewertung zum Zeitpunkt des Verkaufs unterschieden werden, deren Zweck es ist, zu bestimmen, ob ein Versicherungsprodukt den Wünschen und Bedürfnissen entspricht und gegebenenfalls ob ein Versicherungsanlageprodukt für den jeweiligen Kunden oder potenziellen Kunden geeignet oder angemessen ist.

(6)

Die Detailtiefe des Zielmarkts sowie die Kriterien für die Ermittlung des Zielmarkts und die Bestimmung der passenden Vertriebsstrategie sollten für das Produkt relevant sein und eine Bewertung der Kunden dahin gehend ermöglichen, ob sie zum Zielmarkt gehören oder nicht. Bei einfacheren, gängigeren Produkten sollte die Ermittlung des Zielmarkts weniger genau erfolgen, während bei komplexeren bzw. weniger gängigen Produkten der Zielmarkt genauer und unter Berücksichtigung des erhöhten Risikos der Benachteiligung des Kunden, das mit solchen Produkten einhergeht, ermittelt werden sollte.

(7)

Zur Erhöhung des Verbraucherschutzes, insbesondere in Bezug auf Versicherungsanlageprodukte, sollten die Hersteller nach Möglichkeit spezifische Kundengruppen ermitteln können, für die das Versicherungsprodukt in der Regel nicht angemessen ist.

(8)

Im Rahmen der Aufsichts- und Lenkungsvorkehrungen sollten die Hersteller die Versicherungsprodukte zudem angemessenen Tests unterziehen, einschließlich, sofern relevant und insbesondere im Fall von Versicherungsanlageprodukten, Szenarioanalysen, um sicherzustellen, dass das Produkt über seine gesamte Lebensdauer den ermittelten Bedürfnissen, Zielen und Merkmalen des Zielmarkts entspricht. Dazu sollten insbesondere Bewertungen der Produktleistung und des Risiko-/Ertrags-Profils gehören. Die vorgeschriebene Bewertung der Produktleistung sollte allerdings nicht als Eingriff in die Freiheit der Hersteller betreffend die Festsetzung von Prämien oder als Preiskontrolle jedweder Art verstanden werden.

(9)

Um die ordnungsgemäße Information und Beratung der Kunden zu gewährleisten, sollten die Hersteller Versicherungsvertreiber wählen, die über das Wissen, die Fachkenntnisse und die Kompetenzen verfügen, die zum Verständnis der Merkmale eines Versicherungsprodukts und des ermittelten Zielmarkts erforderlich sind. Aus demselben Grund sollten sie im Rahmen der anwendbaren nationalen Rechtsvorschriften, die ihre Beziehung zu den betreffenden Versicherungsvertreibern regeln, regelmäßig überwachen und überprüfen, ob das Versicherungsprodukt entsprechend den Zielen ihrer Aufsichts- und Lenkungsvorkehrungen vertrieben wird, und, falls dies nicht der Fall ist, angemessene Abhilfemaßnahmen ergreifen. Dies sollte die Versicherungsvertreiber allerdings nicht daran hindern, Versicherungsprodukte an Kunden zu vertreiben, die nicht zum jeweiligen Zielmarkt gehören, vorausgesetzt, die Einzelbewertung zum Zeitpunkt des Verkaufs begründet die Schlussfolgerung, dass diese Produkte den Wünschen und Bedürfnissen dieser Kunden entsprechen und gegebenenfalls dass Versicherungsanlageprodukte für den Kunden geeignet bzw. angemessen sind.

(10)

Damit die Versicherungsvertreiber die Produkte, die sie zu vertreiben beabsichtigen, voll und ganz verstehen, sodass sie ihre Vertriebstätigkeiten im besten Interesse ihrer Kunden ausführen können, insbesondere durch die Erbringung professioneller Beratung, sollten die Hersteller ihnen sämtliche sachdienlichen Informationen zu den jeweiligen Versicherungsprodukten zur Verfügung stellen, darunter auch Informationen zum Produktgenehmigungsverfahren, zum ermittelten Zielmarkt und zur vorgeschlagenen Vertriebsstrategie. Im Gegenzug sollten die Versicherungsvertreiber Vorkehrungen treffen, um auf effiziente Weise die erforderlichen Informationen von den Herstellern einzuholen.

(11)

Die effiziente Funktionsweise der Lenkungspflichten erfordert, dass die Versicherungsvertreiber die Hersteller regelmäßig über ihre Erfahrung mit den Versicherungsprodukten unterrichten. Die Versicherungsvertreiber sollten den Herstellern daher die Daten zur Verfügung stellen, die erforderlich sind, um das Versicherungsprodukt zu bewerten und zu prüfen, ob das jeweilige Produkt den Bedürfnissen, Merkmalen und Zielen des vom Hersteller ermittelten Zielmarkts weiterhin entspricht.

(12)

Um das Risiko der Benachteiligung des Kunden abzuwenden, sollten die Hersteller und Vertreiber angemessene Maßnahmen ergreifen, wenn sie der Auffassung sind, dass das Produkt den Interessen, Zielen und Merkmalen des ermittelten Zielmarkts nicht oder nicht mehr entspricht.

(13)

Damit sich die zuständigen Behörden und Versicherungsfachleute auf die neuen Anforderungen der vorliegenden Verordnung einstellen können, sollte der Zeitpunkt des Inkrafttretens der Verordnung an den Geltungsbeginn der nationalen Maßnahmen zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2016/97 angeglichen werden.

(14)

Die mit Verordnung (EU) Nr. 1094/2010 des Europäischen Parlaments und des Rates (2) eingerichtete Europäische Aufsichtsbehörde für das Versicherungswesen und die betriebliche Altersversorgung wurde zur technischen Beratung (3) hinzugezogen —

HAT FOLGENDE VERORDNUNG ERLASSEN:


(1)  ABl. L 26 vom 2.2.2016, S. 19.

(2)  Verordnung (EU) Nr. 1094/2010 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. November 2010 zur Errichtung einer Europäischen Aufsichtsbehörde (Europäische Aufsichtsbehörde für das Versicherungswesen und die betriebliche Altersversorgung), zur Änderung des Beschlusses Nr. 716/2009/EG und zur Aufhebung des Beschlusses 2009/79/EG der Kommission (ABl. L 331 vom 15.12.2010, S. 48).

(3)  Technical Advice on possible delegated acts concerning the Insurance Distribution Directive, EIOPA-17/048, 1. Februar 2017 (auf Englisch), verfügbar unter:https://eiopa.europa.eu/Publications/Consultations/EIOPA%20Technical%20Advice%20on%20the%20IDD.pdf#search=Technical%20Advice%2017%2F048