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Ursprungsrechtsakt
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Erwägungsgründe

DELEGIERTE VERORDNUNG (EU) 2018/345 DER KOMMISSION

vom 14. November 2017

zur Ergänzung der Richtlinie 2014/59/EU des Europäischen Parlaments und des Rates durch technische Regulierungsstandards zur Präzisierung der Kriterien im Zusammenhang mit der Methode zur Bewertung der Vermögenswerte und Verbindlichkeiten von Instituten oder Unternehmen

(Text von Bedeutung für den EWR)

DIE EUROPÄISCHE KOMMISSION —

gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union,

gestützt auf die Richtlinie 2014/59/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Mai 2014 zur Festlegung eines Rahmens für die Sanierung und Abwicklung von Kreditinstituten und Wertpapierfirmen (1), insbesondere auf Artikel 36 Absatz 15,

in Erwägung nachstehender Gründe:

(1)

In einem Abwicklungsszenario ist es wichtig, eine Unterscheidung zu treffen zwischen anfänglichen Bewertungen, anhand deren ermittelt wird, ob die Bedingungen für die Herabschreibung und Umwandlung von Kapitalinstrumenten oder eine Abwicklung erfüllt sind, und anschließenden Bewertungen, die als Grundlage für die Entscheidung über die Anwendung eines oder mehrerer Abwicklungsinstrumente dienen. Für die anfängliche Bewertung sollte sichergestellt werden, dass bei der Prüfung, ob die Bedingungen für die Abwicklung oder die Herabschreibung oder Umwandlung von Kapitalinstrumenten erfüllt sind, eine faire und realistische Bewertung der Vermögenswerte und Verbindlichkeiten des Unternehmens erfolgt. Bei der anschließenden Bewertung, anhand deren eine fundierte Entscheidung über Abwicklungsmaßnahmen getroffen werden soll, ist es wichtig sicherzustellen, dass die Bewertung der Vermögenswerte und Verbindlichkeiten des Unternehmens, die die Grundlage für die Wahl der Abwicklungsmaßnahmen und den Umfang einer möglichen Herabschreibung oder Umwandlung von Kapitalinstrumenten bei Nichttragfähigkeit bildet, auf fairen, vorsichtigen und realistischen Annahmen beruht.

(2)

Für eine faire, vorsichtige und realistische Bewertung ist es wichtig, die Auswirkungen von Ereignissen, die vor den Abwicklungsmaßnahmen oder der Ausübung der Befugnis zur Herabschreibung oder Umwandlung von Kapitalinstrumenten bei Nichttragfähigkeit eintreten könnten, sowie die Folgen möglicher Maßnahmen der Abwicklungsbehörde zu beurteilen.

(3)

Der Bewerter sollte auf alle relevanten Informationsquellen und Kenntnisse zugreifen können, einschließlich interner Aufzeichnungen, Systeme und Modelle des Instituts. Die Abwicklungsbehörde sollte im Rahmen der Bewertung der Abwicklungsfähigkeit gemäß Artikel 15 der Richtlinie 2014/59/EU prüfen, ob die internen Kapazitäten und Systeme in der Lage sind, zu den Abwicklungsbewertungen beizutragen. Zudem sollte der Bewerter die Möglichkeit haben, Vereinbarungen über fachliche Beratung oder die Bereitstellung von Fachwissen zu schließen. Eine solche fachliche Beratung oder Bereitstellung von Fachwissen könnte z. B. für die Einschätzung des Unterschieds in der Behandlung gemäß Artikel 36 Absatz 8 der Richtlinie 2014/59/EU relevant sein. Die Abwicklungsbehörde sollte sich daher davon überzeugen, dass der Bewerter entweder Zugang zu einer Liste sämtlicher Forderungen gegenüber dem Unternehmen hat, die nach Rechten und Rang im Rahmen des regulären Insolvenzverfahrens klassifiziert sind, einschließlich bedingter Forderungen, oder auf angemessene juristische Kenntnisse für die Erstellung einer solchen Liste zurückgreifen kann.

(4)

Die Feststellung, ob ein Unternehmen ausfällt oder voraussichtlich ausfallen wird, kann gemäß den in Artikel 32 Absatz 1 Buchstabe a der Richtlinie 2014/59/EU festgelegten Bedingungen entweder von der zuständigen Behörde oder von der Abwicklungsbehörde getroffen werden. Bei der Feststellung, ob ein Institut ausfällt oder voraussichtlich ausfallen wird, sollte die zuständige Behörde die Bewertung gemäß Kapitel II der vorliegenden Verordnung berücksichtigen, soweit diese bereits vorliegt, und den von der Europäischen Bankenaufsichtsbehörde (EBA) gemäß Artikel 32 Absatz 6 der Richtlinie 2014/59/EU erstellten Leitlinien, die zu einer einheitlichen Interpretation der Bedingungen in der Praxis beitragen sollen, Rechnung tragen.

(5)

Bewertungen, anhand deren die zuständige Behörde oder die Abwicklungsbehörde eine fundierte Feststellung treffen soll, ob die Bedingungen für die Abwicklung, eine Herabschreibung oder die Umwandlung von Kapitalinstrumenten erfüllt sind, sollten mit dem anwendbaren Rechnungslegungs- und Aufsichtsrahmen in Einklang stehen. Der Bewerter sollte jedoch von den Annahmen abweichen können, unter denen die Jahresabschlüsse des Unternehmens erstellt wurden, soweit dies mit dem anwendbaren Rechnungslegungs- und Aufsichtsrahmen zu vereinbaren ist. Im Falle einer solchen Abweichung sollte sich der Bewerter auf die zuverlässigsten verfügbaren Informationen stützen und bestehende aufsichtsrechtliche Leitlinien oder andere allgemein anerkannte Quellen für die Interpretation von Rechnungslegungsstandards beachten, um zu einer fairen und realistischen Beurteilung der Finanzlage des Unternehmens zu gelangen.

(6)

Es sollte Regeln geben, die sicherstellen, dass Bewertungen, die eine fundierte Auswahl und Gestaltung von Abwicklungsmaßnahmen oder fundierte Entscheidungen über den Umfang der Herabschreibung und der Umwandlung von Kapitalinstrumenten bei Nichttragfähigkeit ermöglichen sollen, auf faire, vorsichtige und realistische Weise erfolgen, damit gewährleistet ist, dass alle Verluste zum Zeitpunkt der Anwendung der Abwicklungsinstrumente bzw. der Ausübung der Befugnis zur Herabschreibung oder Umwandlung relevanter Kapitalinstrumente in vollem Umfang erfasst werden. Für die von der Abwicklungsbehörde in Betracht gezogenen Abwicklungsmaßnahmen sollte die am besten geeignete Bemessungsgrundlage (Haltewert oder Veräußerungswert) gewählt werden.

(7)

Bewertungen, die eine fundierte Entscheidung über die Auswahl und Gestaltung von Abwicklungsmaßnahmen oder den Umfang einer Herabschreibung und Umwandlung von Kapitalinstrumenten bei Nichttragfähigkeit ermöglichen sollen, sollten nicht auf den Buchwert, sondern auf den wirtschaftlichen Wert abstellen. Diese Bewertungen sollten den Barwert der vernünftigerweise zu erwartenden Zahlungsströme des Unternehmens berücksichtigen, selbst wenn dazu vom Rechnungslegungsrahmen oder dem aufsichtsrechtlichen Bewertungsrahmen abgewichen werden muss.

(8)

Bewertungen, die es ermöglichen sollen, Abwicklungsmaßnahmen auf fundierte Weise auszuwählen und zu gestalten, sollten der Tatsache Rechnung tragen, dass sich Zahlungsströme auch dann ergeben können, wenn die Vermögenswerte weiter gehalten werden; sie sollten aber auch die möglichen Auswirkungen der Abwicklung auf künftige Zahlungsströme berücksichtigen und auf fairen, vorsichtigen und realistischen Annahmen hinsichtlich der Ausfallraten und der Höhe der Verluste beruhen. Zur Ermittlung des Eigenkapitalwerts, den die neuen Anteile nach der Umwandlung haben, sollte der Bewerter darüber hinaus angemessene Erwartungen in Bezug auf den Franchise-Wert berücksichtigen können.

(9)

Ist das Unternehmen nicht in der Lage, die Vermögenswerte zu halten, oder ist ihre Veräußerung für die Erreichung der Abwicklungsziele erforderlich oder hilfreich, sollte die Bewertung die Tatsache widerspiegeln, dass sich Zahlungsströme während eines bestimmten Veräußerungszeitraums auch durch die Veräußerung von Vermögenswerten, Verbindlichkeiten oder Geschäftsbereichen ergeben können.

(10)

Der Veräußerungswert sollte generell dem beobachtbaren Marktpreis entsprechen, der am Markt für einen bestimmten Vermögenswert oder eine bestimmte Gruppe von Vermögenswerten erzielt werden könnte, wobei gegebenenfalls auch ein angemessener Abschlag angewandt werden kann, der sich nach der zu übertragenden Menge von Vermögenswerten richtet. Der Bewerter sollte jedoch die Möglichkeit haben, bei der Ermittlung des Veräußerungswerts einen Abschlag auf diesen beobachtbaren Marktpreis anzuwenden, um einem möglichen Preisnachlass bei einem beschleunigten Verkauf Rechnung zu tragen, soweit dies hinsichtlich der im Rahmen des Abwicklungssystems vorgesehenen Maßnahmen angemessen ist. Gibt es für die Vermögenswerte keinen liquiden Markt, sollte der Veräußerungswert anhand beobachtbarer Preise an Märkten, an denen ähnliche Vermögenswerte gehandelt werden, oder anhand von Modellrechnungen mithilfe beobachtbarer Marktparameter berechnet werden, wobei aufgrund der Illiquidität gegebenenfalls Abschläge anzuwenden sind. Wird eine Unternehmensveräußerung oder das Instrument des Brückeninstituts in Betracht gezogen, können bei der Ermittlung des Veräußerungswerts angemessene Erwartungen für den Franchise-Wert herangezogen werden.

(11)

Damit die Berechnung des Schätzwerts für die Behandlung, die die Anteilseigner und jede Klasse von Gläubigern bei Abwicklung des Instituts oder des Unternehmens im Rahmen eines regulären Insolvenzverfahrens zu erwarten gehabt hätten, gemäß Artikel 36 Absatz 8 der Richtlinie 2014/59/EU und die Bewertung für eine Abwicklung gemäß Artikel 74 der genannten Richtlinie nach einer einheitlichen Methode erfolgen, ist es wichtig, dass der Bewerter möglichst die für diese Bewertung festgelegten Kriterien anwendet.

(12)

Eine vorläufige Bewertung gemäß Artikel 36 Absatz 9 der Richtlinie 2014/59/EU, die die Grundlage für die Entscheidung über geeignete Abwicklungsmaßnahmen bildet, sollte einen Puffer umfassen, der dem Betrag zusätzlicher Verluste möglichst nahekommt. Dieser Puffer sollte auf einer fairen, vorsichtigen und realistischen Schätzung der zusätzlichen Verluste beruhen. Die bei der Berechnung des Puffers zugrunde gelegten Entscheidungen und Annahmen sollten im Bewertungsbericht angemessen erläutert und begründet werden.

(13)

Bei einer Bewertung gemäß Artikel 36 Absatz 15 Buchstaben a und c der Richtlinie 2014/59/EU sollte der Bewerter zentrale Annahmen, Unsicherheiten und die Abhängigkeit der Bewertung von diesen zentralen Annahmen und Unsicherheiten erläutern und begründen. Wesentliche Unterschiede zwischen den in der Bewertung herangezogenen Annahmen und den der Rechnungslegung oder aufsichtsrechtlichen Informationen zugrunde liegenden Annahmen sollte der Bewerter ebenfalls in den Bewertungsbericht aufnehmen, soweit sie ihm bekannt sind. In diesem Bericht sollte der Bewerter auch alle sonstigen relevanten Informationen festhalten, die seiner Ansicht nach für die Abwicklungsbehörde von Nutzen sind.

(14)

Die in dieser Verordnung festgelegten Kriterien sollten ausschließlich bei Bewertungen gemäß Artikel 36 der Richtlinie 2014/59/EU angewandt werden. Sie sollten die für Unternehmen in anderen Zusammenhängen als der Abwicklung geltenden Rechnungslegungsgrundsätze und -standards oder den aufsichtsrechtlichen Rahmen nicht ersetzen oder ändern. Die aus der Bewertung hervorgehenden Informationen sollten jedoch genutzt werden können, um festzustellen, ob das Unternehmen nicht gegen Rechnungslegungsstandards oder den Aufsichtsrahmen verstoßen oder seine Rechnungslegungspraxis, Annahmen oder Einschätzungen hinsichtlich der Bewertung von Vermögenswerten und Verbindlichkeiten geändert hat. Diese Umstände sollten beispielsweise bei der Erstellung der aktualisierten Bilanz gemäß Artikel 36 Absatz 6 der Richtlinie 2014/59/EU berücksichtigt werden. Zu diesem Zweck sollte der Bewerter die Unterschiede zwischen der bestehenden und der aktualisierten Bilanz angemessen erläutern.

(15)

Diese Verordnung beruht auf dem Entwurf technischer Regulierungsstandards, den die EBA der Kommission vorgelegt hat.

(16)

Die EBA hat zu diesem Entwurf offene öffentliche Konsultationen durchgeführt, die damit verbundenen potenziellen Kosten- und Nutzeneffekte analysiert und die Stellungnahme der gemäß Artikel 37 der Verordnung (EU) Nr. 1093/2010 des Europäischen Parlaments und des Rates (2) eingesetzten Interessengruppe Bankensektor eingeholt —

HAT FOLGENDE VERORDNUNG ERLASSEN:


(1)  ABl. L 173 vom 12.6.2014, S. 190.

(2)  Verordnung (EU) Nr. 1093/2010 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. November 2010 zur Errichtung einer Europäischen Aufsichtsbehörde (Europäische Bankenaufsichtsbehörde), zur Änderung des Beschlusses Nr. 716/2009/EG und zur Aufhebung des Beschlusses 2009/78/EG der Kommission (ABl. L 331 vom 15.12.2010, S. 12).