Aktualisiert 18/09/2024
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Ursprungsrechtsakt
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Erwägungsgründe

DELEGIERTE VERORDNUNG (EU) 2016/778 DER KOMMISSION

vom 2. Februar 2016

zur Ergänzung der Richtlinie 2014/59/EU des Europäischen Parlaments und des Rates in Bezug auf die Umstände und Bedingungen, unter denen die Entrichtung von außerordentlichen nachträglich erhobenen Beiträgen teilweise oder vollständig aufgeschoben werden kann, und auf die Kriterien für die Bestimmung der Tätigkeiten, Dienstleistungen und Geschäfte im Zusammenhang mit „kritischen Funktionen“ und zur Präzisierung der Kriterien für die Bestimmung der Geschäftsbereiche und damit verbundenen Dienste im Zusammenhang mit den Kerngeschäftsbereichen

(Text von Bedeutung für den EWR)

DIE EUROPÄISCHE KOMMISSION —

gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union,

gestützt auf die Richtlinie 2014/59/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Mai 2014 zur Festlegung eines Rahmens für die Sanierung und Abwicklung von Kreditinstituten und Wertpapierfirmen und zur Änderung der Richtlinie 82/891/EWG des Rates, der Richtlinien 2001/24/EG, 2002/47/EG, 2004/25/EG, 2005/56/EG, 2007/36/EG, 2011/35/EU, 2012/30/EU und 2013/36/EU sowie der Verordnungen (EU) Nr. 1093/2010 und (EU) Nr. 648/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates (1), insbesondere auf Artikel 2 Absatz 2 und Artikel 104 Absatz 4,

in Erwägung nachstehender Gründe:

(1)

Der in Artikel 104 der Richtlinie 2014/59/EU genannte Aufschub der außerordentlichen nachträglich erhobenen Beiträge ist von der Abwicklungsbehörde auf Ersuchen eines Instituts zu gewähren, um die Beurteilung durch die Abwicklungsbehörde zu erleichtern, dass dieses Institut die in Artikel 104 Absatz 3 der Richtlinie 2014/59/EU genannten Voraussetzungen für den Aufschub erfüllt. Das betreffende Institut sollte alle Informationen vorlegen, die die Abwicklungsbehörde für die Durchführung einer solchen Beurteilung für erforderlich hält. Die Abwicklungsbehörde sollte sämtliche Informationen berücksichtigen, die den nationalen zuständigen Behörden vorliegen, um jegliche Doppelarbeit bei den Mitteilungspflichten zu vermeiden.

(2)

Bei der Bewertung der Auswirkungen, die die Zahlung außerordentlicher nachträglich erhobener Beiträge auf die Solvenz oder Liquidität des Instituts hat, sollte die Abwicklungsbehörde die Auswirkungen der Zahlung auf die Kapital- und Liquiditätslage des Instituts analysieren. Bei der Analyse sollte in der Bilanz des Instituts ein Verlust angenommen werden, der der zu zahlenden Summe zum Zeitpunkt ihrer Fälligkeit entspricht. Zudem sollte sie eine Voraussage der Kapitalquoten des Instituts nach diesem Verlust für einen angemessenen Zeitraum beinhalten, einen Mittelabfluss entsprechend der zu zahlenden Summe zum Zeitpunkt ihrer Fälligkeit annehmen und das Liquiditätsrisiko bewerten.

(3)

Für die Sanierungs- und Abwicklungsplanung müssen die Institute und Abwicklungsbehörden die kritischen Funktionen der Institute oder Gruppen ermitteln und ihre Fortführung sicherstellen können.

(4)

Die Kontinuität der kritischen Funktionen des in Abwicklung befindlichen Instituts ist eines der zentralen Ziele der Abwicklung. Sie soll die Finanzmarktstabilität und die Realwirtschaft schützen und nimmt daher im Prozess der Sanierungs- und Abwicklungsplanung eine Schlüsselrolle ein. Zu den kritischen Funktionen können das Einlagengeschäft, Kredit- und Darlehensvergabe, Zahlungs-, Clearing-, Verwahrungs- und Abrechnungsdienstleistungen, Tätigkeiten auf dem Interbankenmarkt, den Kapitalmärkten sowie im Bereich Investitionen gehören.

(5)

Die kritischen Funktionen eines Instituts oder einer Gruppe sind in ihrem Sanierungsplan festgelegt. Der Sanierungsplan ist von der Abwicklungsbehörde zu beurteilen und sollte die Grundlage des Abwicklungsplans bilden. Die Abwicklungsbehörde sollte bei der Ausarbeitung des Abwicklungsplans ihre eigene Beurteilung der kritischen Funktionen vornehmen und ausführen, wie kritische Funktionen und Kerngeschäftsbereiche im erforderlichen Umfang rechtlich und wirtschaftlich von anderen Funktionen getrennt werden könnten, um ihre Kontinuität bei einem Ausfall des Instituts sicherzustellen.

(6)

Bei der Bewertung der Abwicklungsfähigkeit eines Instituts sollte die Abwicklungsbehörde berücksichtigen, ob die gewählte Strategie die Kontinuität der kritischen Funktionen gewährleistet und ob sich die Befugnisse zum Abbau bzw. zur Beseitigung von Hindernissen für die Abwicklungsfähigkeit auf kritische Funktionen beziehen. In ähnlicher Weise sollten bei einem Bail-in bestimmte Verbindlichkeiten aus dem Anwendungsbereich des Bail-in-Instruments ausgeschlossen werden, sofern der Ausschluss zwingend erforderlich und angemessen ist, um die Kontinuität der kritischen Funktionen sicherzustellen. Kritische Funktionen werden auch bei Anwendung des Brückeninstitut-Instruments bedeutsam, da ein Brückeninstitut kritische Funktionen beibehalten sollte.

(7)

Kritische Funktionen sind in einem zweistufigen Verfahren zu ermitteln: Zunächst nehmen die Institute bei der Ausarbeitung ihrer Sanierungspläne eine Selbsteinschätzung vor. Im zweiten Schritt überprüfen die Abwicklungsbehörden die Sanierungspläne der einzelnen Institute kritisch, um zu gewährleisten, dass die Banken einheitliche und kohärente Ansätze verfolgen. Da die Abwicklungsbehörden die Übersicht darüber haben, welche Funktionen von zentraler Bedeutung sind, um die Finanzmarktstabilität insgesamt zu bewahren, sollte ihnen die endgültige Entscheidung darüber obliegen, welche Funktionen zum Zwecke der Abwicklungsplanung und -durchführung als kritisch zu betrachten sind.

(8)

Zu den kritischen Dienstleistungen sollten die zugrunde liegenden Geschäfte, Tätigkeiten und Dienstleistungen zählen, die für einen (spezielle Dienstleistungen) oder mehrere Geschäftsbereiche oder Rechtspersonen (gemeinsame Dienstleistungen) innerhalb der Gruppe erbracht und für die Erbringung einer oder mehrerer kritischer Funktionen benötigt werden. Kritische Dienstleistungen können durch eine oder mehrere Unternehmen (wie eine separate Rechtsperson oder ein interner Bereich) innerhalb der Gruppe erbracht (interne Dienstleistung) oder an einen externen Anbieter übertragen werden (externe Dienstleistung). Eine Dienstleistung sollte als kritisch eingestuft werden, wenn ihre Unterbrechung ein gravierendes Hindernis für die Durchführung kritischer Funktionen darstellt oder diese vollständig verhindert, da sie untrennbar mit den kritischen Funktionen verbunden ist, die ein Institut für Dritte erbringt. Sie werden nach Bestimmung der kritischen Funktionen ermittelt.

(9)

Die Institute und Abwicklungsbehörden sollten in den Sanierungs- und Abwicklungsplänen auch die kritischen Dienstleistungen nennen. Wurden kritische Dienstleistungen an Dritte übertragen, so sollte die Abwicklungsbehörde in der Lage sein, ihre Beurteilung auf den Bereich zu beschränken, der erforderlich ist, um zu beurteilen, ob das Institut über einen angemessenen Plan zur Fortführung des Geschäftsbetriebs verfügt.

(10)

Durch die Einstufung einer Dienstleistung als kritisch sollten die Institute in der Lage sein, die kontinuierliche Verfügbarkeit dieser Dienstleistungen zu gewährleisten, indem sie durch Unternehmen oder Unternehmensbereiche erbracht werden, die vor einem Ausfall gefeit sind, oder, sofern sie an einen externen Anbieter ausgelagert wurden, indem entsprechende Vorkehrungen getroffen werden.

(11)

Der wesentliche Unterschied zwischen einer kritischen Funktion und einem Kerngeschäftsbereich besteht in den Auswirkungen der betreffenden Tätigkeiten. Während kritische Funktionen unter dem Gesichtspunkt ihrer Bedeutung für das Funktionieren der Realwirtschaft und Finanzmärkte, und somit für die Finanzstabilität als Ganzes, zu bewerten sind, sollten Kerngeschäftsbereiche auf Grundlage ihrer Bedeutung für das Institut selbst bewertet werden, wie der Höhe ihrer Beiträge zu den Einnahmen und Gewinnen des Instituts.

(12)

Soweit der Sanierungsplan eine detaillierte Beschreibung der Verfahren zur Bestimmung des Werts und der Marktfähigkeit der Kerngeschäftsbereiche, Operationen und Vermögenswerte des Instituts enthalten sollte, müsste auch der Abwicklungsplan eine Zuordnung der kritischen Operationen und der Kerngeschäftsbereiche des Instituts sowie Ausführungen dazu enthalten, wie kritische Funktionen und Kerngeschäftsbereiche rechtlich und wirtschaftlich von anderen Funktionen getrennt werden könnten, um die Kontinuität bei einem Ausfall des Instituts sicherzustellen. Im Zuge der Abwicklung könnte die Kontinuität der kritischen Funktionen und Kerngeschäftsbereiche den Ausschluss bestimmter Verbindlichkeiten aus dem Anwendungsbereich des Bail-in-Instruments sowie die Übertragung an ein Brückeninstitut rechtfertigen.

(13)

Werden Kerngeschäftsbereiche häufig danach definiert, wie stark sie zum finanziellen Ergebnis des Instituts beitragen, so erfasst diese Herangehensweise möglicherweise nicht alle Kerngeschäftsbereiche, da ein Institut eine Dienstleistung anbieten könnte, die nicht direkt gewinnbringend (oder sogar unrentabel) ist, aber einen maßgeblichen Franchise-Wert darstellt und daher für das Geschäft des Instituts insgesamt von Bedeutung ist —

HAT FOLGENDE VERORDNUNG ERLASSEN:


(1)  ABl. L 173 vom 12.6.2014, S. 190.