DURCHFÜHRUNGSBESCHLUSS (EU) 2016/2276 DER KOMMISSION
vom 15. Dezember 2016
über die Gleichwertigkeit des Regulierungsrahmens Brasiliens für zentrale Gegenparteien gemäß der Verordnung (EU) Nr. 648/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates
DIE EUROPÄISCHE KOMMISSION —
gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union,
gestützt auf die Verordnung (EU) Nr. 648/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. Juli 2012 über OTC-Derivate, zentrale Gegenparteien und Transaktionsregister (1), insbesondere auf Artikel 25 Absatz 6,
in Erwägung nachstehender Gründe:
(1) |
Das in Artikel 25 der Verordnung (EU) Nr. 648/2012 dargelegte Verfahren für die Anerkennung zentraler Gegenparteien (im Folgenden „CCPs“) aus Drittstaaten, deren Regulierungsstandards den Regulierungsstandards dieser Verordnung gleichwertig sind, soll es den in solchen Drittstaaten ansässigen und zugelassenen CCPs gestatten, für in der Union ansässige Clearingmitglieder oder Handelsplätze Clearingdienste zu erbringen. Dieses Anerkennungsverfahren und die in diesem Rahmen vorgesehenen Gleichwertigkeitsbeschlüsse tragen somit zur Erreichung des übergeordneten Ziels der Verordnung (EU) Nr. 648/2012 bei, das Systemrisiko dadurch zu verringern, dass auch bei der Abwicklung außerbörslich gehandelter (im Folgenden „OTC-“) Derivatekontrakte auf sichere und solide CCPs zurückgegriffen wird, einschließlich solcher, die in einem Drittstaat ansässig und zugelassen sind. |
(2) |
Damit die rechtlichen Bestimmungen eines Drittstaats als gleichwertig mit den EU-Bestimmungen für CCPs betrachtet werden können, sollten die geltenden Rechts- und Aufsichtsmechanismen zu einem gemessen an den verfolgten Regulierungszielen gleichwertigen wesentlichen Ergebnis führen wie die Anforderungen der Union. Diese Gleichwertigkeitsprüfung soll deshalb die Gewissheit verschaffen, dass die Rechts- und Aufsichtsmechanismen Brasiliens gewährleisten, dass dort ansässige und zugelassene CCPs für in der Union ansässige Clearingmitglieder und Handelsplätze nicht mit einem höheren Risiko einhergehen als in der Union ansässige CCPs und somit in der Union kein inakzeptabel hohes Systemrisiko darstellen. Besonders berücksichtigt werden sollte dabei, dass Clearingtätigkeiten an kleineren Finanzmärkten als dem der Union mit erheblich geringeren Risiken verbunden sind. |
(3) |
Nach Artikel 25 Absatz 6 der Verordnung (EU) Nr. 648/2012 müssen drei Bedingungen erfüllt sein, damit die Rechts- und Aufsichtsmechanismen, die in einem Drittstaat für die dort zugelassenen CCPs gelten, mit den in der Verordnung festgelegten Mechanismen als gleichwertig betrachtet werden können. |
(4) |
Der ersten Bedingung zufolge müssen die in einem Drittstaat zugelassenen CCPs rechtsverbindliche Anforderungen erfüllen, die den Anforderungen des Titels IV der Verordnung (EU) Nr. 648/2012 entsprechen. |
(5) |
Die rechtsverbindlichen Anforderungen, die in Brasilien von den dort zugelassenen CCPs erfüllt werden müssen, bestehen aus dem Gesetz 10214 vom 27. März 2001 und den darauf gründenden Beschlüssen des Nationalen Rates für Währungspolitik (CMN), Rundschreiben der Zentralbank von Brasilien (im Folgenden „BCB“) und Anweisungen der Wertpapier- und Börsenaufsichtsbehörde (CVM). Durch Beschluss 2882 in der Fassung des Beschlusses 3081 wird die Tätigkeit der Clearinghäuser und der Clearingdienstleister geregelt; dieser Beschluss legt die Grundsätze für das Funktionieren von Clearinghäusern und Clearingdienstleistern fest und ermächtigt die BCB zur Regulierung, Zulassung und Beaufsichtigung dieser Einrichtungen. |
(6) |
In Brasilien ansässige Clearinghäuser und Clearingdienstleister müssen von der BCB zur Erbringung von Clearingdienstleistungen zugelassen werden. Die BCB muss bei ihrer Entscheidung über die Zulassung einer Einrichtung als Clearinghaus oder Clearingdienstleister auf die Solidität, das ordnungsgemäße Funktionieren und die Verbesserung des brasilianischen Zahlungssystems Rücksicht nehmen. Die BCB kann vor oder nach der Gewährung einer Zulassung „Bedingungen, die sie für geeignet hält“, festlegen, die der Stabilität des Finanzsystems, dem Risiko und der Effizienz von Clearinghäusern und Clearingdienstleistern Rechnung tragen. Clearinghäuser, die nach den Feststellungen der BCB aufgrund des Volumens und der Art ihrer Tätigkeit ein systemisch wichtiges System betreiben, von dem Risiken für die Krisenfestigkeit und das unbehinderte Funktionieren des brasilianischen Finanzsystems ausgehen, können anderen Vorschriften unterliegen als die übrigen Clearinghäuser und Clearingdienstleister. |
(7) |
Die BCB hat verschiedene Maßnahmen ergriffen, um Beschluss 2882 umzusetzen und die Einhaltung der auf das Zahlungssystem bezogenen Werte, Prinzipien und Vorschriften durch die Clearinghäuser und die Clearingdienstleister zu sichern. Rundschreiben 3057 umfasst die detaillierte Verordnung für das Funktionieren von Clearinghäusern und Clearingdienstleistern und legt eine Reihe von Anforderungen fest, die sie erfüllen müssen; dazu gehören unter anderem Anforderungen bezüglich der Kapitalausstattung, Transparenzstandards, Regelungen zur Risikokontrolle sowie operative Anforderungen. Aufgrund der Grundsatzerklärung Nr. 25097 der BCB über die Annahme der im April 2012 vom Ausschuss für Zahlungs- und Abrechnungssysteme (2) („Committee on Payment and Settlement Systems“ (CPSS)) und der Internationalen Organisation der Wertpapieraufsichtsbehörden („International Organization of Securities Commissions“ (IOSCO)) aufgestellten Grundsätze für Finanzmarktinfrastrukturen („Principles for Financial Market Infrastructures“, im Folgenden „PFMI“) wendet die BCB bei der Beaufsichtigung und Überwachung von Clearinghäusern und Clearingdienstleistern die PFMI an. |
(8) |
Gemäß Rundschreiben 3057 sind Clearinghäuser und Clearingdienstleister verpflichtet, interne Vorschriften und Verfahren festzulegen, die die Erfüllung sämtlicher einschlägigen Anforderungen gewährleisten und alle funktionsrelevanten Aspekte, einschließlich Sicherheitsklauseln für die Verwaltung von Kreditrisiken, Liquiditätsrisiken und operationellen Risiken, enthalten. Diese internen Vorschriften und Verfahren werden der BCB im Rahmen des Zulassungsverfahrens vorgelegt und von ihr erstmals geprüft. Im Folgenden sind wesentliche Änderungen der internen Vorschriften und Verfahren ebenfalls von der BCB genehmigen zu lassen. Nicht wesentliche Änderungen der internen Vorschriften und Verfahren müssen der BCB innerhalb von dreißig Tagen nach ihrer Vornahme mitgeteilt werden; sie können von der BCB zurückgewiesen werden. |
(9) |
Die rechtsverbindlichen Anforderungen für in Brasilien zugelassene CCPs weisen also eine zweistufige Struktur auf. Die im Gesetz 10214 und den danach erlassenen Beschlüssen, Rundschreiben und Anweisungen enthaltenen zentralen Grundsätze für Clearinghäuser und Clearingdienstleister legen die strengen Standards fest, die ein Clearinghaus bzw. ein Clearingdienstleister erfüllen muss, um in Brasilien eine Genehmigung zur Erbringung von Clearingdiensten zu erhalten (im Folgenden zusammen „Primärvorschriften“). Diese Primärvorschriften stellen die erste Stufe der rechtsverbindlichen Anforderungen Brasiliens dar. Um die Einhaltung der Primärvorschriften nachzuweisen, müssen Clearinghäuser und Clearingdienstleister ihre internen Vorschriften und Verfahren der BCB zur Genehmigung bzw. zur Nichtablehnung vorlegen. Diese internen Vorschriften und Verfahren stellen die zweite Ebene der rechtsverbindlichen Anforderungen in Brasilien dar und müssen detailliert Auskunft darüber geben, wie die Clearinghäuser und Clearingdienstleister diese Standards erfüllen werden. Die BCB wird die Einhaltung dieser Standards und der PFMI durch die Clearinghäuser und die Clearingdienstleister prüfen. Nach Genehmigung der internen Vorschriften und Verfahren durch die BCB sind diese für die Clearinghäuser und Clearingdienstleister rechtlich bindend. |
(10) |
Bei der Bewertung der Gleichwertigkeit der für Clearinghäuser und Clearingdienstleister in Brasilien geltenden Rechts- und Aufsichtsmechanismen sollte auch berücksichtigt werden, inwieweit diese das Risiko mindern, dem in der Union ansässige Clearingmitglieder und Handelsplätze ausgesetzt sind, wenn sie an diesen Unternehmen teilnehmen. Inwieweit das Risiko gemindert wird, hängt sowohl von der Höhe des Risikos ab, das mit den Clearingtätigkeiten der betreffenden CCP verbunden ist und wiederum durch die Größe des jeweiligen Finanzmarkts bestimmt wird, als auch davon, inwieweit sich die für CCPs geltenden Rechts- und Aufsichtsmechanismen zur Minderung dieses Risikos eignen. Um ein gleichwertiges Maß an Risikominderung zu erreichen, ist es notwendig, bei CCPs, die auf größeren Finanzmärkten mit höheren Risiken tätig sind, strengere Anforderungen an die Risikominderung zu stellen als bei CCPs, die auf kleineren Finanzmärkten mit geringeren Risiken tätig sind. |
(11) |
In Brasilien zugelassene Clearinghäuser und Clearingdienstleister gehen ihrer Clearingtätigkeit auf einem deutlich kleineren Finanzmarkt nach als in der Union ansässige CCPs. So machte der Gesamtwert der in den vergangenen drei Jahren in Brasilien geclearten Derivatetransaktionen weniger als 3 % des Gesamtwerts der in der Union geclearten Derivatetransaktionen aus. Folglich ist eine Teilnahme an Clearinghäusern und Clearingdienstleistern für in der Union ansässige Clearingmitglieder und Handelsplätze mit erheblich geringeren Risiken verbunden als eine Teilnahme an in der Union zugelassenen CCPs. |
(12) |
Die Rechts- und Aufsichtsmechanismen für in Brasilien ansässige Clearinghäuser und Clearingdienstleister können folglich insoweit als gleichwertig betrachtet werden, als sie sich zur Minderung dieses geringeren Risikos eignen. Die Primärvorschriften für Clearinghäuser und Clearingdienstleister samt den ergänzenden internen Vorschriften und Verfahren dieser Einrichtungen, die die Einhaltung der PFMI erfordern, mindern das geringere Risiko in Brasilien und erzielen ein Maß an Risikominderung, das dem mit der Verordnung (EU) Nr. 648/2012 angestrebten gleichwertig ist. |
(13) |
Es sollte deshalb festgestellt werden, dass die Rechts- und Aufsichtsmechanismen Brasiliens sicherstellen, dass die dort zugelassenen Clearinghäuser und Clearingdienstleister rechtsverbindliche Anforderungen erfüllen, die den in Titel IV der Verordnung (EU) Nr. 648/2012 festgelegten Anforderungen gleichwertig sind. |
(14) |
Der zweiten in Artikel 25 Absatz 6 der Verordnung (EU) Nr. 648/2012 genannten Bedingung zufolge müssen die Rechts- und Aufsichtsmechanismen, die in Brasilien für dort zugelassene CCPs gelten, dauerhaft eine wirksame Beaufsichtigung der betreffenden CCPs und eine effektive Rechtsdurchsetzung gewährleisten. |
(15) |
Die BCB verfolgt kontinuierlich, ob die Clearinghäuser und die Clearingdienstleister die für sie geltenden rechtsverbindlichen Anforderungen einhalten. Ferner verfügt die BCB über verschiedene Mittel, um diese Einhaltung sicherzustellen. Sie ist insbesondere befugt, von Clearinghäusern und Clearingdienstleistern Auskünfte zu verlangen, ihnen Abmahnungen zu erteilen und sie aufzufordern, ihre Vorschriften zu ändern, falls dies für erforderlich erachtet wird. Darüber hinaus kann die BCB Clearinghäuser und Clearingdienstleister mit Bußgeldern belegen oder ihnen sogar die Zulassung entziehen, sollten diese gegen die für sie geltenden rechtsverbindlichen Anforderungen verstoßen. |
(16) |
Es sollte daher festgestellt werden, dass die in Brasilien zugelassenen Clearinghäuser und Clearingdienstleister dauerhaft einer wirksamen Beaufsichtigung und einer effektiven Rechtsdurchsetzung unterliegen. |
(17) |
Der dritten in Artikel 25 Absatz 6 der Verordnung (EU) Nr. 648/2012 genannten Bedingung zufolge müssen die Rechts- und Aufsichtsmechanismen Brasiliens ein wirksames gleichwertiges System der Anerkennung von nach dem Recht eines Drittstaats zugelassenen CCPs (im Folgenden „Drittstaat-CCPs“) vorsehen. |
(18) |
In Drittstaaten zugelassene CCPs dürfen in Brasilien Dienstleistungen erbringen, wenn die Rechts- und Aufsichtsmechanismen des jeweiligen Drittstaats ähnliche Ergebnisse mit jenen der in Brasilien anwendbaren Rechts- und Aufsichtsmechanismen gewährleisten und der jeweilige Drittstaat die PFMI einhält, über eine gleichwertige Regelung in Bezug auf die Bekämpfung der Geldwäsche verfügt und eine wirksame Aufsicht über CCPs ausübt. Eine weitere Voraussetzung für die Gewährung einer Anerkennung ist die Vereinbarung einer Kooperation zwischen der BCB und der für die antragstellende CCP zuständigen Drittlandbehörde. |
(19) |
Es sollte daher festgestellt werden, dass die Rechts- und Aufsichtsmechanismen Brasiliens ein wirksames gleichwertiges System der Anerkennung von Drittstaat-CCPs gewährleisten. |
(20) |
Der vorliegende Beschluss beruht auf den rechtsverbindlichen Anforderungen, die zum Zeitpunkt seiner Verabschiedung für Clearinghäuser und Clearingdienstleister in Brasilien gelten. Die Kommission sollte weiterhin regelmäßig verfolgen, wie sich der Rechts- und Aufsichtsrahmen Brasiliens für Clearinghäuser und Clearingdienstleister weiterentwickelt und ob die Bedingungen, auf deren Grundlage dieser Beschluss gefasst wurde, noch erfüllt sind. |
(21) |
Die regelmäßige Überprüfung der Rechts- und Aufsichtsmechanismen, die in Brasilien für dort zugelassene CCPs gelten, sollte die Kommission nicht daran hindern, zu jedem beliebigen Zeitpunkt eine spezifische Überprüfung außerhalb der allgemeinen Überprüfung durchzuführen, wenn einschlägige Entwicklungen erfordern, dass die Kommission die mit diesem Beschluss erteilte Anerkennung neu bewertet. Eine solche Neubewertung könnte zur Aufhebung dieses Beschlusses führen. |
(22) |
Die in diesem Beschluss vorgesehenen Maßnahmen stehen mit der Stellungnahme des Europäischen Wertpapierausschusses in Einklang — |
HAT FOLGENDEN BESCHLUSS ERLASSEN:
(1) ABl. L 201 vom 27.7.2012, S. 1.
(2) Seit dem 1. September 2014 nennt sich der Ausschuss für Zahlungs- und Abrechnungssysteme („Committee on Payment and Settlement Systems“) Ausschuss für Zahlungsverkehr und Marktinfrastrukturen („Committee on Payment and Market Infrastructures“, im Folgenden „CPMI“).