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Erwägungsgründe

DURCHFÜHRUNGSBESCHLUSS DER KOMMISSION

vom 30. Oktober 2014

über die Gleichwertigkeit des Regulierungsrahmens Hong Kongs für zentrale Gegenparteien mit den Anforderungen der Verordnung (EU) Nr. 648/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates über OTC-Derivate, zentrale Gegenparteien und Transaktionsregister

(2014/754/EU)

DIE EUROPÄISCHE KOMMISSION —

gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union,

gestützt auf die Verordnung (EU) Nr. 648/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. Juli 2012 über OTC-Derivate, zentrale Gegenparteien und Transaktionsregister (1), insbesondere auf Artikel 25 Absatz 6,

in Erwägung nachstehender Gründe:

(1)

Das in Artikel 25 der Verordnung (EU) Nr. 648/2012 dargelegte Verfahren für die Anerkennung zentraler Gegenparteien (im Folgenden „CCPs“) aus Drittstaaten, deren Regulierungsstandards den Regulierungsstandards dieser Verordnung gleichwertig sind, soll es den in solchen Drittstaaten ansässigen und zugelassenen CCPs gestatten, für in der Union ansässige Clearingmitglieder oder Handelsplätze Clearingdienste zu erbringen. Dieses Anerkennungsverfahren und der in diesem Rahmen vorgesehene Gleichwertigkeitsbeschluss tragen somit zur Erreichung des übergeordneten Ziels der Verordnung (EU) Nr. 648/2012 bei, das Systemrisiko dadurch zu verringern, dass auch bei der Abwicklung außerbörslich gehandelter (im Folgenden „OTC“) Derivatkontrakte auf sichere und solide CCPs zurückgegriffen wird, einschließlich solcher, die in einem Drittstaat ansässig und zugelassen sind.

(2)

Damit die rechtlichen Bestimmungen eines Drittstaats als gleichwertig mit den EU-Bestimmungen für CCPs betrachtet werden können, sollten die geltenden Rechts- und Aufsichtsmechanismen zu einem gemessen an den verfolgten Regulierungszielen gleichwertigen wesentlichen Ergebnis führen wie die Anforderungen der Union. Diese Gleichwertigkeitsprüfung soll deshalb die Gewissheit verschaffen, dass die Rechts- und Aufsichtsmechanismen Hong Kongs gewährleisten, dass dort ansässige und zugelassene CCPs für in der Union ansässige Clearingmitglieder und Handelsplätze nicht mit einem höheren Risiko einhergehen als in der Union ansässige CCPs und somit in der Union kein inakzeptabel hohes Systemrisiko darstellen.

(3)

Am 1. September 2013 erhielt die Kommission die fachlichen Empfehlungen der Europäischen Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (im Folgenden „ESMA“) zu den Rechts- und Aufsichtsmechanismen für in Hongkong zugelassene CCPs. Darin wurde auf eine Reihe von Unterschieden zwischen den rechtsverbindlichen Anforderungen für CCPs in Hongkong und den rechtsverbindlichen Anforderungen für CCPs nach der Verordnung (EU) Nr. 648/2012 hingewiesen. Der vorliegende Beschluss stützt sich jedoch nicht nur auf eine vergleichende Analyse der rechtsverbindlichen Anforderungen für CCPs, sondern darüber hinaus auch auf eine Bewertung im Hinblick darauf, ob die Anforderungen Hong Kongs zu gleichwertigen Ergebnissen führen wie die Anforderungen der Verordnung (EU) Nr. 648/2012 und sie angemessen sind, um die Risiken, denen in der Union ansässige Clearingmitglieder und Handelsplätze ausgesetzt sein könnten, zu mindern. Besonders berücksichtigt werden sollte dabei, dass Clearingtätigkeiten an kleineren Finanzmärkten als dem der Union mit erheblich geringeren Risiken verbunden sind.

(4)

Nach Artikel 25 Absatz 6 der Verordnung (EU) Nr. 648/2012 müssen drei Bedingungen erfüllt sein, damit die Rechts- und Aufsichtsmechanismen, die in einem Drittstaat für die dort zugelassenen CCPs gelten, mit den in der Verordnung festgelegten Mechanismen als gleichwertig betrachtet werden können.

(5)

Der ersten Bedingung zufolge müssen die in einem Drittstaat zugelassenen CCPs rechtsverbindliche Anforderungen erfüllen, die den Anforderungen des Titels IV der Verordnung (EU) Nr. 648/2012 entsprechen.

(6)

Die rechtsverbindlichen Anforderungen, die in Hongkong von den dort zugelassenen CCPs erfüllt werden müssen, sind die Clearing and Settlement Systems Ordinance (im Folgenden „CSSO“) und die Securities and Futures Ordinance (im Folgenden „SFO“). Nach der CSSO zugelassene Unternehmen werden von der Währungsbehörde Hong Kongs (Hongkong Monetary Authority, im Folgenden „HKMA“), nach der SFO zugelassene Unternehmen von einer Aufsichts- und Regulierungskommission (Hongkong Securities and Futures Commission, im Folgenden „SFC“) reguliert. CCP werden in Hongkong ausschließlich nach der SFO zugelassen. Dieser Beschluss sollte sich deshalb auf die in der SFO festgelegte Regelung beschränken.

(7)

Laut Teil III der SFO ist die SFC befugt, eine CCP als Clearinghaus anzuerkennen und als solches (Recognised Clearing House, im Folgenden „RCH“) zuzulassen. Vor einer solchen Zulassung hat die SFC den Interessen der Anlegerschaft („interest of the investing public“) und der ordnungsgemäßen Regulierung der Märkte („proper regulation of markets“) Rechnung zu tragen. Bevor sie eine CCP als RCH zulässt, kann die SFC diese Zulassung an Bedingungen knüpfen, sofern sie dies für angemessen hält („such conditions as it considers appropriate“) und diese Bedingungen ändern, wenn sie auch dies für angemessen hält („satisfied that it is appropriate“). Die Bestimmung der Angemessenheit hat in diesem Zusammenhang mit Rücksicht auf den gesetzlichen Auftrag der SFC zu erfolgen, der in der Wahrung der Finanzstabilität und der Verringerung des Systemrisikos besteht

(8)

Die SFO legt die Pflichten und Anforderungen fest, die ein RCH zu erfüllen hat. Die SFC hat gemäß Abschnitt 399 Absatz 1 SFO Leitlinien ausgegeben (im Folgenden „Leitlinien“), mit denen die im April 2012 vom Ausschuss für Zahlungs- und Abrechnungssysteme (Committee on Payment and Settlement Systems, im Folgenden „CPSS“) (2) und von der Internationalen Organisation der Wertpapieraufsichtsbehörden (International Organization of Securities Commission, im Folgenden „IOSCO“) herausgegebenen Grundsätze für Finanzmarktinfrastrukturen (Principles for Financial Market Infrastructures, im Folgenden „PFMI“) und die darin enthaltenen internationalen Standards umgesetzt werden. Diesen Leitlinien trägt die SFC Rechnung, wenn sie bewertet, ob RCHs ihren Pflichten aus der SFO nachkommen. Kommt ein RCH seinen Pflichten aus der durch die Leitlinien ergänzten SFO nicht nach, kann die SFC Maßnahmen treffen, um dieser Situation abzuhelfen.

(9)

Die SFO verpflichtet ein RCH ferner zur Festlegung interner Vorschriften und Verfahren, die für eine ordnungsgemäße Regulierung seiner Clearing- und Abwicklungssysteme und für eine ordnungsgemäße Regulierung seiner Clearingmitglieder erforderlich sind. Somit werden die Anforderungen der SFO und der Leitlinien in den internen Vorschriften und Verfahren der RCHs umgesetzt. Der SFO zufolge müssen alle von einem RCH festgelegten internen Vorschriften und Verfahren samt aller dazugehörigen Änderungen von der SFC genehmigt werden.

(10)

Damit bestehen die rechtsverbindlichen Anforderungen Hong Kongs aus zwei Ebenen. Die in der SFO enthaltenen zentralen Grundsätze für RCHs (im Folgenden „Primärvorschriften“) umfassen die strengen Standards, die RCHs erfüllen müssen, um in Hongkong eine Genehmigung zur Erbringung von Clearingdiensten zu erhalten. Diese Primärvorschriften sind die erste Ebene der rechtsverbindlichen Anforderungen in Hongkong. Um zu beweisen, dass sie die Primärvorschriften einhalten, müssen RCHs der SFC ihre internen Vorschriften und Verfahren zur Genehmigung vorlegen. Diese internen Vorschriften und Verfahren stellen die zweite Ebene der rechtsverbindlichen Anforderungen in Hongkong dar und müssen den Leitlinien zufolge detailliert Auskunft darüber geben, wie das RCH diese strengen Standards erfüllt. Unmittelbar nach Genehmigung der internen Vorschriften und Verfahren durch die SFC sind diese von dem RCH verbindlich einzuhalten.

(11)

Bei der Bewertung der Gleichwertigkeit der für RCHs geltenden Rechts- und Aufsichtsmechanismen sollte ebenfalls berücksichtigt werden, inwieweit diese das Risiko, dem in der Union ansässige Clearingmitglieder und Handelsplätze aufgrund ihrer Teilnahme an RCHs ausgesetzt sind, mindern. Inwieweit das Risiko gemindert wird, hängt sowohl von der Höhe des Risikos ab, das mit den Clearingtätigkeiten der betreffenden CCP verbunden ist und wiederum durch die Größe des jeweiligen Finanzmarkts bestimmt wird, als auch davon, inwieweit sich die für CCPs geltenden Rechts- und Aufsichtsmechanismen zur Minderung dieses Risikos eignen. Um das gleiche Maß an Risikominderung zu erreichen, müssen an CCPs, die an größeren Finanzmärkten mit höheren Risiken tätig sind, strengere Anforderungen an die Risikominderung gestellt werden als an CCPs, die an kleineren Finanzmärkten mit geringeren Risiken tätig sind.

(12)

RCHs gehen ihrer Clearingtätigkeit auf einem deutlich kleineren Finanzmarkt nach als die in der Union ansässigen CCPs. So lag der Nominalwert der in Hongkong gehandelten börsennotierten Derivatkontrakte in den vergangenen drei Jahren jährlich bei weniger als einem Prozent des jährlichen Nominalwerts der im gleichen Zeitraum in der Union gehandelten börsennotierten Derivatkontrakte. Die Marktkapitalisierung der in Hongkong börsengehandelten Wertpapiere lag im gleichen Zeitraum im Schnitt bei weniger als 25 % der Marktkapitalisierung in der EU. Auch stecken die RCHs beim Clearing komplexerer Produkte wie OTC-Derivaten noch in den Kinderschuhen, da OTC-Derivate erst seit dem 25. November 2013 gecleart werden. Daher ist eine Teilnahme an RCHs für in der Union ansässige Clearingmitglieder und Handelsplätze mit erheblich geringeren Risiken verbunden als ihre Teilnahme an in der Union zugelassenen CCPs.

(13)

Die Rechts- und Aufsichtsmechanismen für RCHs können folglich insoweit als gleichwertig betrachtet werden, als sie sich zur Minderung dieses geringeren Risikos eignen. Die Primärvorschriften für ACHs samt der ergänzenden internen Vorschriften und Verfahren, mit denen die PFMIs umgesetzt werden, mindern das geringere Risiko in Hongkong und erzielen ein Maß an Risikominderung, das dem mit der Verordnung (EU) Nr. 648/2012 angestrebten gleichwertig ist.

(14)

Die Kommission gelangt deshalb zu dem Schluss, dass die Rechts- und Aufsichtsmechanismen Hong Kongs sicherstellen, dass die dort zugelassenen RCHs rechtsverbindliche Anforderungen erfüllen, die den in Titel IV der Verordnung (EU) Nr. 648/2012 festgelegten Anforderungen gleichwertig sind.

(15)

Der zweiten in Artikel 25 Absatz 6 der Verordnung (EU) Nr. 648/2012 genannten Bedingung zufolge müssen die Rechts- und Aufsichtsmechanismen, die in Hongkong für dort zugelassene CCPs gelten, dauerhaft eine wirksame Beaufsichtigung der betreffenden CCPs und eine effektive Rechtsdurchsetzung gewährleisten.

(16)

Durch Überwachungs- und risikogestützte Prüfverfahren, in deren Rahmen auch Aufsichtsanforderungen getestet werden, verfolgt die SFC kontinuierlich, ob die RCHs die Anforderungen an das Risikomanagement einhalten. Darüber hinaus verfügt die SFC aber noch über weitere Mittel zur Rechtsdurchsetzung. So darf sie insbesondere die RCHs anweisen, die Bereitstellung oder den Betrieb von Clearing- oder Abwicklungssystemen einzustellen, oder ihnen die Zulassung entziehen. Zusätzlich dazu kann die SFC von RCHs bestimmte für notwendig befundene Änderungen an ihren Vorschriften verlangen, und solche Änderungen auch einseitig vornehmen, wenn die betreffende RCH ihrer Aufforderung nicht nachkommt. Die SFC kann verlangen, dass RCHs Bücher und Aufzeichnungen vorlegen, die sie im Zusammenhang mit ihrem Geschäft, für dessen Zwecke oder in Bezug auf etwaige Clearing- und Abwicklungsvereinbarungen für etwaige Transaktionen mit Wertpapieren oder Termingeschäften führen, und andere Informationen liefern, die ihr Geschäft oder Clearing- und Abwicklungsvereinbarungen für etwaige Transaktionen mit Wertpapieren oder Termingeschäften betreffen und die die SFC für die Wahrnehmung ihrer Aufgaben billigerweise verlangen kann. Bleiben diese Informationen oder Unterlagen ohne angemessene Begründung aus, kann dies die Verhängung von Geldbußen nach sich ziehen.

(17)

Die Kommission gelangt deshalb zu dem Schluss, dass die Rechts- und Aufsichtsmechanismen Hong Kongs für die dort zugelassenen CCPs auf Dauer eine wirksame Beaufsichtigung und eine effektive Rechtsdurchsetzung gewährleisten.

(18)

Der dritten in Artikel 25 Absatz 6 der Verordnung (EU) Nr. 648/2012 genannten Bedingung zufolge müssen die Rechts- und Aufsichtsmechanismen Hong Kongs ein wirksames gleichwertiges System für die Anerkennung von nach dem Recht eines Drittstaats zugelassen CCPs (im Folgenden „Drittstaat-CCPs“) vorsehen.

(19)

Um in Hongkong als CCP tätig zu sein, muss ein Unternehmen der SFO zufolge entweder als RCH oder als Anbieter vollautomatisierter Handelsdienste (Automated Trading Services, im Folgenden „ATS“) anerkannt sein. ATS sind definiert als Unternehmen, die über elektronische Systeme Handel oder Clearing von Wertpapieren oder Terminkontrakten anbieten. Im März 2014 verabschiedete der Hongkong Legislative Council ein Änderungsgesetz, mit dem auch OTC-Derivate in die Definition von ATS aufgenommen wurden.

(20)

Die ATS-Regelung eignet sich für Drittstaat-CCPs, die für Teilnehmer in Hongkong tätig werden möchten. Drittstaat-CCPs können in Hongkong die Anerkennung als ATS beantragen, was ihnen die Möglichkeit gibt, in Hongkong die Dienste zu erbringen, für die sie auch in diesem Drittstaat zugelassen sind.

(21)

Bei der Bearbeitung des Antrags einer Drittstaat-CCP auf Anerkennung als ATS bewertet die SFC die Übereinstimmung der Drittstaat-CCP mit den PFMIs und zieht diesen Wert als Benchmark heran. Eine weitere Voraussetzung für die Anerkennung als ATS ist der Abschluss einer Vereinbarung zwischen der SFC und der zuständigen Aufsichtsbehörde des Drittstaats, in dem die antragstellende CCP ihren Sitz hat.

(22)

Auch wenn das in den Rechtsvorschriften Hong Kongs vorgesehene Verfahren zur Anerkennung von Drittstaat-CCPs anders strukturiert ist als das Verfahren der Verordnung (EU) Nr. 648/2012, sollte dennoch davon ausgegangen werden, dass es ein wirksames gleichwertiges System für die Anerkennung von Drittstaat-CCPs gewährleistet.

(23)

Aus dem gleichen Grund ist davon auszugehen, dass die Rechts- und Aufsichtsmechanismen Hong Kongs für RCHs die Bedingungen von Artikel 25 Absatz 6 der Verordnung (EU) Nr. 648/2012 erfüllen, weswegen diese Rechts- und Aufsichtsmechanismen als gleichwertig mit den Anforderungen der Verordnung (EU) Nr. 648/2012 betrachtet werden sollten. Die Kommission sollte die Entwicklung des Rechts- und Aufsichtsrahmens Hong Kongs für CCPs gestützt auf Informationen der ESMA weiterhin verfolgen und darüber hinaus überwachen, ob die Bedingungen, auf deren Grundlage dieser Beschluss gefasst wurde, weiterhin erfüllt sind.

(24)

Die in diesem Beschluss vorgesehenen Maßnahmen stehen mit der Stellungnahme des Europäischen Wertpapierausschusses in Einklang —

HAT FOLGENDEN BESCHLUSS ERLASSEN:


(1)  ABl. L 201 vom 27.7.2012, S. 1.

(2)  Der Ausschuss für Zahlungs- und Abrechnungssysteme hat seinen Namen geändert und firmiert seit dem 1. September 2014 als Ausschuss für Zahlungsverkehr und Marktinfrastrukturen (Committee on Payment and Market Infrastructures, CPMI).