Aktualisiert 22/10/2024
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Erwägungsgründe

DELEGIERTE VERORDNUNG (EU) 2017/567 DER KOMMISSION

vom 18. Mai 2016

zur Ergänzung der Verordnung (EU) Nr. 600/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates im Hinblick auf Begriffsbestimmungen, Transparenz, Portfoliokomprimierung und Aufsichtsmaßnahmen zur Produktintervention und zu den Positionen

(Text von Bedeutung für den EWR)

DIE EUROPÄISCHE KOMMISSION —

gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union,

gestützt auf die Verordnung (EU) Nr. 600/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Mai 2014 über Märkte für Finanzinstrumente und zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 648/2012 (1) und insbesondere auf Artikel 2 Absatz 2, Artikel 13 Absatz 2, Artikel 15 Absatz 5, Artikel 17 Absatz 3, Artikel 19 Absätze 2 und 3, Artikel 31 Absatz 4, Artikel 40 Absatz 8, Artikel 41 Absatz 8, Artikel 42 Absatz 7 und Artikel 45 Absatz 10 dieser Verordnung,

in Erwägung nachstehender Gründe:

(1)

Die vorliegende Verordnung enthält nähere Erläuterungen der Kriterien für die Bestimmung des „liquiden Markts“ nach Artikel 2 Absatz 1 Nummer 17 Buchstabe b der Verordnung (EU) Nr. 600/2014. Zu diesem Zweck müssen die Kriterien für Streubesitz, den Tagesdurchschnitt der Transaktionen und den Tagesdurchschnitt der erzielten Umsätze insbesondere für Aktien, Aktienzertifikate, börsengehandelte Fonds und Zertifikate festgelegt werden, um die Besonderheiten jedes dieser Finanzinstrumente zu berücksichtigen. Zur Gewährleistung einer unionsweit kohärenten und einheitlichen Anwendung werden Vorschriften benötigt, die festlegen, wie Liquiditätsberechnungen während der Anfangsphase nach Zulassung eines Finanzinstruments zum Handel durchgeführt werden sollen.

(2)

Die Bestimmungen dieser Verordnung sind eng miteinander verknüpft, da in ihnen Definitionen festgelegt und Anforderungen präzisiert werden, die im Zusammenhang mit der Vorhandels- und Nachhandelstransparenz durch systematische Internalisierer und der Veröffentlichung von Daten durch Handelsplätze und systematische Internalisierer einerseits und den Befugnissen der Europäischen Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (ESMA) zur Produktintervention und zum Positionsmanagement andererseits stehen. Um zwischen diesen Bestimmungen, die gleichzeitig in Kraft treten sollten, Kohärenz zu gewährleisten und den Interessenträgern, insbesondere denjenigen, die den darin festgelegten Pflichten unterliegen, den Überblick zu erleichtern, ist es notwendig, diese Bestimmungen in einer einzigen Verordnung zusammenzufassen.

(3)

Um in allen Teilen der Union ein Mindestmaß an liquiden Eigenkapitalinstrumenten zu ermöglichen, sollte die zuständige Behörde eines Mitgliedstaats, in dem weniger als fünf liquide Finanzinstrumente jeweils für Aktien, Aktienzertifikate, börsengehandelte Fonds und Zertifikate gehandelt werden, ein oder mehrere zusätzliche liquide Finanzinstrumente benennen können, unter der Voraussetzung, dass die Gesamtzahl der Finanzinstrumente, für die ein liquider Markt angenommen wird, in jeder der genannten Kategorien von Finanzinstrumenten nicht mehr als fünf beträgt.

(4)

Damit sichergestellt ist, dass Marktdaten zu angemessenen kaufmännischen Bedingungen in einheitlicher Weise in der Union bereitgestellt werden, sind in der vorliegenden Verordnung die Anforderungen festgelegt, die Marktbetreiber und Wertpapierfirmen, die einen Handelsplatz betreiben, sowie systematische Internalisierer erfüllen müssen. Mit Hilfe dieser Anforderungen soll sichergestellt werden, dass die Pflicht zur Bereitstellung von Marktdaten zu angemessenen kaufmännischen Bedingungen ausreichend klar ist, damit eine wirksame und einheitliche Anwendung auch bei den verschiedenen Betreibermodellen und Kostenstrukturen der Marktbetreiber und Wertpapierfirmen, die einen Handelsplatz betreiben, und der systematischen Internalisierer gewährleistet ist.

(5)

Damit Gebühren für Marktdaten auf einem vertretbaren Niveau festgesetzt werden, ist es zur Erfüllung der Pflicht zur Bereitstellung von Marktdaten zu angemessenen kaufmännischen Bedingungen notwendig, dass die Gebühren in einem angemessenen Verhältnis zu den Kosten für die Erstellung und Verbreitung dieser Daten stehen. Daher sollten Datenanbieter, unbeschadet der Anwendung wettbewerbsrechtlicher Bestimmungen, ihre Gebühren auf der Grundlage ihrer Kosten bestimmen, wobei ihnen eine vertretbare Spanne zugestanden wird; hierbei sind entsprechende Faktoren wie die Betriebsgewinnspanne, die Kostenrendite, die Rendite auf das betriebsnotwendige Kapital und die Kapitalrendite zu berücksichtigen. Wenn Datenanbietern gemeinsame Kosten für die Bereitstellung von Daten und anderer Dienstleistungen entstehen, können die Kosten für die Bereitstellung der Daten einen angemessenen Anteil der gemeinsamen Kosten für etwaige andere erbrachte einschlägige Dienstleistungen enthalten. Da sich die genauen Kosten nur schwer beziffern lassen, sollten stattdessen die Methoden für die Kostenzuweisung und die Kostenverteilung präzisiert werden, so dass die Bestimmung dieser Kosten dem Ermessen der Anbieter von Marktdaten überlassen wird, wobei das Ziel der Gewährleistung, dass die Gebühren für Marktdaten in der Union auf einem vertretbaren Niveau festgesetzt werden, zu beachten ist.

(6)

Marktdaten sollten in einer nichtdiskriminierenden Weise bereitgestellt werden. Das bedeutet, dass allen Kunden, die nach veröffentlichten objektiven Kriterien derselben Kategorie angehören, die gleichen Preise und Bedingungen angeboten werden müssen.

(7)

Damit Datennutzer Marktdaten erhalten, ohne andere Dienstleistungen erwerben zu müssen, sollten Marktdaten getrennt von anderen Dienstleistungen (in ungebündelter Form) angeboten werden. Marktdaten sollten pro Nutzer angeboten werden, damit Datennutzern dieselben Marktdaten nicht mehrmals berechnet werden, wenn sie Datenbestände von Handelsplätzen oder anderen Marktdatenvertreibern kaufen, es sei denn, dies wäre angesichts der Kosten eines solchen Angebots von Daten im Hinblick auf Umfang und Anwendungsbereich der vom Marktbetreiber oder der Wertpapierfirma, die einen Handelsplatz betreibt, oder vom systematischen Internalisierer bereitgestellten Marktdaten unverhältnismäßig.

(8)

Damit Datennutzer und zuständige Behörden tatsächlich beurteilen können, ob Marktdaten zu angemessenen kaufmännischen Bedingungen bereitgestellt werden, müssen die grundlegenden Bedingungen für deren Bereitstellung öffentlich bekanntgegeben werden. Datenanbieter sollten daher Informationen zu ihren Gebühren und dem Inhalt der Marktdaten sowie ihre Kostenrechnungsmethoden offenlegen, ohne ihre tatsächlichen Kosten bekanntgeben zu müssen.

(9)

In der vorliegenden Verordnung sind ferner die Bedingungen festgelegt, die systematische Internalisierer erfüllen müssen, um ihrer Pflicht nachzukommen, ihre Kursofferten regelmäßig und kontinuierlich während der üblichen Handelszeiten zu veröffentlichen und anderen Marktteilnehmern in leicht zugänglicher Weise bekanntzumachen, um sicherzustellen, dass Marktteilnehmer, die auf die Kursofferten zugreifen möchten, diese auch tatsächlich abrufen können.

(10)

Wenn systematische Internalisierer ihre Kursofferten über mehrere Wege veröffentlichen, sollten sie die Kursofferten gleichzeitig über die verschiedenen Wege bereitstellen, damit gewährleistet ist, dass die Kursofferten konsistent sind und Marktteilnehmer gleichzeitig Zugang zu den Informationen haben. Veröffentlichen systematische Internalisierer Kursofferten über einen geregelten Markt, ein multilaterales Handelssystem (MTF) oder einen Datenübermittlungsdienstleister, sollten sie ihre Identität in der Kursofferte offenlegen, damit die Marktteilnehmer ihre Aufträge an den jeweiligen systematischen Internalisierer richten können.

(11)

In der vorliegenden Verordnung werden weitere verschiedene technische Aspekte hinsichtlich des Umfangs der Transparenzverpflichtungen dargelegt, die von systematischen Internalisierern zu erfüllen sind, um eine unionsweit kohärente und einheitliche Anwendung sicherzustellen. Es ist notwendig, dass die für systematische Internalisierer geltende Ausnahme von der Pflicht, ihre Kursofferten regelmäßig und kontinuierlich zu veröffentlichen, strikt auf Situationen beschränkt ist, in denen die kontinuierliche Bereitstellung von verbindlichen Kursofferten für Kunden dem umsichtigen Management der Risiken entgegenstehen würde, denen Wertpapierfirmen in ihrer Funktion als systematische Internalisierer ausgesetzt sind, wobei auch andere Mechanismen berücksichtigt werden, die zusätzlichen Schutz gegenüber solchen Risiken bieten.

(12)

Damit sichergestellt ist, dass die Ausnahme systematischer Internalisierer von ihrer Pflicht nach Artikel 15 Absatz 2 der Verordnung (EU) Nr. 600/2014, Aufträge zu den zum Zeitpunkt des Auftragseingangs gebotenen Kursen auszuführen, auf Geschäfte beschränkt ist, die aufgrund ihrer Art nicht zur Kursbildung beitragen, werden in der vorliegenden Verordnung in erschöpfender Weise die Bedingungen angegeben, unter denen die Ausführung in Form verschiedener Wertpapiere als Teil ein und desselben Geschäfts angesehen wird und unter denen es sich um Aufträge handelt, für die andere Bedingungen als der jeweils geltende Marktkurs anwendbar sind.

(13)

Mit dem Kriterium, wonach ein Kurs innerhalb einer veröffentlichten, marktnahen Bandbreite liegen muss, wird der Notwendigkeit Rechnung getragen, sicherzustellen, dass die Auftragsausführung seitens systematischer Internalisierer zur Kursbildung beiträgt, wobei deren Möglichkeit, in begründeten Fällen Kursverbesserungen anzubieten, nicht verhindert wird.

(14)

Damit einerseits sichergestellt ist, dass Kunden diskriminierungsfrei auf die Kursofferten systematischer Internalisierer zugreifen können, und andererseits ein ordnungsgemäßes Risikomanagement gewährleistet ist, bei dem Art, Umfang und Komplexität der Tätigkeiten einzelner Firmen berücksichtigt werden, ist notwendigerweise zu präzisieren, dass die Zahl oder das Volumen von Aufträgen desselben Kunden als erheblich über der Norm liegend betrachtet werden sollte, wenn ein systematischer Internalisierer solche Aufträge nicht ausführen kann, ohne sich einem unangemessenen Risiko auszusetzen. Dieser Umstand sollte im Vorfeld als Teil der Risikomanagementstrategie der Firmen definiert werden, er sollte auf objektiven Faktoren beruhen sowie in schriftlicher Form festgehalten und Kunden oder potenziellen Kunden zur Verfügung gestellt werden.

(15)

Da Liquiditätsgeber und systematische Internalisierer auf eigene Rechnung handeln und Risiken in vergleichbarer Höhe ausgesetzt sind, ist es angemessen, für diese Kategorien den für das Instrument typischen Umfang auf einheitliche Weise festzusetzen. Aus diesem Grund sollte der für das Instrument typische Umfang im Sinne von Artikel 18 Absatz 6 der Verordnung (EU) Nr. 600/2014 dem typischen Umfang für das betreffende Instrument entsprechen, der im Einklang mit Artikel 9 Absatz 5 Buchstabe d der Verordnung (EU) Nr. 600/2014 ermittelt sowie in weiteren technischen Regulierungsstandards gemäß dieser Bestimmung angegeben wird.

(16)

Zur Angabe der Elemente der Portfoliokomprimierung, die dadurch von Handels- und Clearing-Diensten abgegrenzt wird, muss der Prozess bestimmt werden, mit dem Derivatpositionen ganz oder teilweise aufgelöst und durch andere Derivatpositionen ersetzt werden, insbesondere die betreffenden Prozessschritte, der Inhalt der Vereinbarung sowie die Rechtsdokumentation zur Unterstützung der Portfoliokomprimierung.

(17)

Um eine angemessene Transparenz bei der Portfoliokomprimierung durch Gegenparteien zu gewährleisten, ist zu präzisieren, welche Informationen veröffentlicht werden sollten.

(18)

Es ist notwendig, bestimmte Aspekte der Interventionsbefugnisse der jeweils zuständigen Behörden sowie, in Ausnahmefällen, die Interventionsbefugnisse der nach der Verordnung (EU) Nr. 1095/2010 des Europäischen Parlaments und des Rates (2) errichteten ESMA und der nach der Verordnung (EU) Nr. 1093/2010 des Europäischen Parlaments und des Rates (3) errichteten Europäischen Bankenaufsichtsbehörde (EBA) zu präzisieren, welche ihre Befugnisse entsprechend den jeweiligen genannten Verordnungen bei erheblichen Bedenken hinsichtlich des Anlegerschutzes oder einer Gefahr für das ordnungsgemäße Funktionieren und die Integrität der Finanz- oder Warenmärkte oder für die Stabilität des gesamten oder eines Teils des Finanzsystems in mindestens einem Mitgliedstaat oder in der Union ausüben. Das Vorliegen einer „Gefahr“, eine der Voraussetzungen für eine Intervention im Hinblick auf das ordnungsgemäße Funktionieren und die Integrität der Finanz- oder Warenmärkte oder auf die Stabilität des Finanzsystems, würde die Existenz größerer Bedenken als der „erheblichen Bedenken“, die eine Voraussetzung für eine Intervention zum Anlegerschutz sind, erfordern.

(19)

Um ein kohärentes Vorgehen zu gewährleisten und gleichzeitig für den Fall unvorhergesehener ungünstiger Ereignisse oder Entwicklungen die Einleitung angemessener Maßnahmen zu gestatten, sollte eine Liste der Kriterien und Faktoren aufgestellt werden, die von den zuständigen Behörden, der ESMA und der EBA bei der Feststellung, ob solche Bedenken oder eine solche Gefahr vorliegen, zu berücksichtigen sind. Die Notwendigkeit, sämtliche Kriterien und Faktoren zu bewerten, die in einer spezifischen Situation vorliegen könnten, sollte nicht verhindern, dass die zuständigen Behörden, die ESMA und die EBA ihre Befugnisse zur vorübergehenden Intervention wahrnehmen können, falls lediglich ein Faktor oder ein Kriterium derartige Bedenken oder eine derartige Gefahr auslöst.

(20)

Um ein kohärentes Vorgehen zu gewährleisten und gleichzeitig für den Fall unvorhergesehener ungünstiger Ereignisse oder Entwicklungen die Einleitung angemessener Maßnahmen zu gestatten, sollte präzisiert werden, unter welchen Umständen die ESMA ihre Positionsmanagementbefugnisse im Einklang mit der Verordnung (EU) Nr. 600/2014 ausüben kann.

(21)

Aus Gründen der Kohärenz und zur Gewährleistung reibungslos funktionierender Finanzmärkte sollten die Bestimmungen dieser Verordnung und die in der Verordnung (EU) Nr. 600/2014 niedergelegten Bestimmungen ab demselben Zeitpunkt gelten. Um die Wirksamkeit der neuen Transparenzregelung zu gewährleisten, sollten einige Bestimmungen der vorliegenden Verordnung jedoch ab dem Tag ihres Inkrafttretens gelten —

HAT FOLGENDE VERORDNUNG ERLASSEN:


(1)  ABl. L 173 vom 12.6.2014, S. 84.

(2)  Verordnung (EU) Nr.1095/2010 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. November 2010 zur Errichtung einer Europäischen Aufsichtsbehörde (Europäische Wertpapier-und Marktaufsichtsbehörde), zur Änderung des Beschlusses Nr. 716/2009/EG und zur Aufhebung des Beschlusses 2009/77/EG der Kommission (ABl. L 331 vom 15.12.2010, S. 84).

(3)  Verordnung (EU) Nr. 1093/2010 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. November 2010 zur Errichtung einer Europäischen Aufsichtsbehörde (Europäische Bankenaufsichtsbehörde), zur Änderung des Beschlusses Nr. 716/2009/EG und zur Aufhebung des Beschlusses 2009/78/EG der Kommission (ABl. L 331 vom 15.12.2010, S. 12).