Aktualisiert 14/11/2024
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Ursprungsrechtsakt
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Erwägungsgründe

DELEGIERTE VERORDNUNG (EU) 2022/1959 DER KOMMISSION

vom 13. Juli 2022

zur Ergänzung der Verordnung (EU) Nr. 596/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates durch technische Regulierungsstandards zur Festlegung eines Vertragsmusters für Liquiditätsverträge für die Aktien von Emittenten, deren Finanzinstrumente zum Handel an einem KMU-Wachstumsmarkt zugelassen sind

(Text von Bedeutung für den EWR)

DIE EUROPÄISCHE KOMMISSION —

gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union,

gestützt auf die Verordnung (EU) Nr. 596/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. April 2014 über Marktmissbrauch (Marktmissbrauchsverordnung) und zur Aufhebung der Richtlinie 2003/6/EG des Europäischen Parlaments und des Rates und der Richtlinien 2003/124/EG, 2003/125/EG und 2004/72/EG der Kommission (1), insbesondere auf Artikel 13 Absatz 13 Unterabsatz 3,

in Erwägung nachstehender Gründe:

(1)

In Artikel 13 Absatz 12 der Verordnung (EU) Nr. 596/2014 ist festgelegt, dass Emittenten von Finanzinstrumenten, die zum Handel an einem KMU-Wachstumsmarkt zugelassen sind, einen Liquiditätsvertrag für ihre Aktien schließen können, sofern diese Verträge unter anderem Artikel 13 Absatz 2 der Verordnung entsprechen. Diese Bedingungen stellen sicher, dass durch die Liquiditätsverträge das Funktionieren der Marktkräfte und das richtige Zusammenspiel von Angebot und Nachfrage in hohem Grade gewährleistet werden sowie positive Auswirkungen auf Marktliquidität und -effizienz erzielt werden, und es dürfen keine Risiken für die Integrität verbundener Märkte geschaffen werden. In dem darin bereitgestellten Vertragsmuster für Liquiditätsverträge, das die Einhaltung dieser Bedingungen gewährleisten soll, werden die Mindestelemente festgelegt, die in einem Liquiditätsvertrag enthalten sein sollten, einschließlich im Hinblick auf Transparenz gegenüber dem Markt und die Erfüllung der Liquiditätsanforderungen. Im Einklang mit der Vertragsfreiheit der Parteien dürfen die Parteien Zusatzklauseln einfügen, um die Besonderheiten des Einzelfalls widerzuspiegeln.

(2)

Die Mittel eines Emittenten von Finanzinstrumenten, die zum Handel an einem KMU-Wachstumsmarkt zugelassen sind und die für die Erfüllung eines Liquiditätsvertrags für die Aktien dieses Emittenten zugeteilt sind, sollten unmittelbar identifizierbar sein. Im Liquiditätsvertrag sollte deshalb die Eröffnung eines speziellen Liquiditätskontos vorgesehen sein. Dieses spezielle Liquiditätskonto ist erforderlich, um die Erfüllung des Liquiditätsvertrags zu überwachen und sicherzustellen, dass der Handel für die Zwecke des Liquiditätsvertrags gesondert von anderen vom Liquiditätsgeber ausgeführten Handelstätigkeiten erfolgt, wodurch die Risiken von Interessenkonflikten gemindert werden. Das Liquiditätskonto sollte mit einem im Liquiditätsvertrag festgelegten Betrag an Kassenmitteln und Aktien ausgestattet sein. Diese Mittel sollten ausschließlich für die Erfüllung des Liquiditätsvertrags eingesetzt werden.

(3)

Die dem Liquiditätsvertrag zugewiesenen Mittel („Obergrenzen für die Mittel“) sollten in einem angemessenen Verhältnis zu den in Artikel 13 Absatz 2 der Verordnung (EU) Nr. 596/2014 festgelegten Zielen stehen. Aus demselben Grund sollten für den Handel des Liquiditätsgebers Obergrenzen für Preis und Volumen gelten, durch die zusammen mit den Obergrenzen für die Mittel das Risiko minimiert wird, dass die Bereitstellung von Liquidität zu künstlichen Veränderungen des Aktienkurses führt, und gleichzeitig der reguläre Handel mit illiquiden Aktien gefördert wird.

(4)

Im Rahmen früherer zulässiger Marktpraktiken bei Liquiditätsverträgen haben die zuständigen Behörden den durchschnittlichen Handelsumsatz von an KMU-Wachstumsmärkten notierten Aktien analysiert. Diese Analysen haben gezeigt, dass die Obergrenzen für die Mittel vom Liquiditätsprofil der betreffenden Aktien (liquide oder illiquide) abhängen und der Handelstätigkeit auf dem betreffenden Markt Rechnung tragen sollten. Gestützt auf diese Analyse ist es zweckdienlich, dass im Liquiditätsvertrag Obergrenzen für die Mittel festgelegt sind, die als Prozentsatz des durchschnittlichen Tagesumsatzes für die betreffende Aktie festgelegt werden, wobei dieser Prozentsatz auf der Grundlage des Liquiditätsprofils der Aktie kalibriert und begrenzt wird, um nachteilige Auswirkungen des Liquiditätsvertrags auf die Marktintegrität und das ordnungsgemäße Funktionieren des Marktes zu vermeiden. Um eine wirksame Bereitstellung von Liquidität bei einem niedrigen durchschnittlichen Tagesumsatz zu ermöglichen, sollte ein einheitlicher Schwellenwert für die Mittel des Liquiditätsvertrags angewandt werden.

(5)

Preisobergrenzen sollten sicherstellen, dass die im Rahmen des Liquiditätsvertrags ausgeführte Handelstätigkeit des Liquiditätsgebers nicht zu künstlichen Veränderungen der Aktienkurse führt, wenn ein unabhängiges Handelsinteresse besteht.

(6)

Volumenobergrenzen sollten sicherstellen, dass die vom Liquiditätsgeber ausgeführten Geschäfte einen maximalen Prozentsatz des durchschnittlichen Tagesumsatzes für illiquide und liquide Aktien nicht übersteigen. Die Berechnung dieses durchschnittlichen Tagesumsatzes sollte auf den Werten der 20 Handelstage vor dem betreffenden Handelstag beruhen. Eine solche Berechnung bildet den Handel mit der betreffenden Aktie angemessen ab, da sie ein mittelfristiges Bild vermittelt, bei dem die Auswirkungen von Handelsspitzen an einem oder einigen Handelstagen ausgeglichen werden.

(7)

Um die Risiken für Marktmissbrauch zu verringern, sollte im Liquiditätsvertrag festgelegt sein, dass der Liquiditätsgeber unter normalen Marktbedingungen Aufträge auf beiden Seiten des Orderbuches erteilt, ausgenommen in Ausnahmefällen, die das normale Funktionieren des Markts verhindern. Aus dem gleichen Grund sollten Aufträge mit großem Volumen und ausgehandelte Geschäfte unter den Liquiditätsvertrag fallen, sofern bestimmte Bedingungen hinsichtlich der Ausführung dieser Aufträge erfüllt sind und diese Geschäfte unter außergewöhnlichen Umständen stattfinden. Solche außergewöhnlichen Umstände können gegeben sein, wenn das Verhältnis zwischen den dem Liquiditätsgeber zur Verfügung stehenden Kassenmitteln und Aktien es diesem zu einem bestimmten Zeitpunkt nicht ermöglicht, für Liquidität im Rahmen des Vertrags zu sorgen.

(8)

Der Liquiditätsgeber sollte im Liquiditätsvertrag verpflichtet werden, den Liquiditätsvertrag unabhängig vom Emittenten der betreffenden Aktie und von den Handelsentscheidungen anderer Handelsabteilungen, -gruppen oder -einheiten des Liquiditätsgebers zu erfüllen, die mit dieser Aktie oder mit Finanzinstrumenten handeln, deren Kurs oder Wert vom Kurs oder Wert der betreffenden Aktie abhängt oder diesen beeinflusst. Eine solche Unabhängigkeit des Liquiditätsgebers ist erforderlich, um Risiken für die Marktintegrität zu vermeiden.

(9)

Um Risiken für die Integrität und das ordnungsgemäße Funktionieren des betreffenden KMU-Wachstumsmarkts zu vermeiden, sollte die variable Vergütung des Liquiditätsgebers begrenzt sein. Darüber hinaus sollten diese Obergrenzen zur Sicherstellung gleicher Wettbewerbsbedingungen durchgängig für alle von Emittenten, deren Finanzinstrumente zum Handel an einem KMU-Wachstumsmarkt zugelassen sind, geschlossenen Liquiditätsverträge gelten. Die maximalen Obergrenzen für den variablen Teil der Vergütung sollten jedoch auf einen angemessenen Prozentsatz der Gesamtvergütung festgesetzt werden, um einen Anreiz für den Liquiditätsgeber zur ordnungsgemäßen Ausführung des Vertrags zu ermöglichen, ohne dass dieser so erheblich ist, dass Anreize für ein Verhalten geschaffen werden, durch das ein Risiko für die Integrität und das ordnungsgemäße Funktionieren des betreffenden Marktes entstehen könnte.

(10)

Transparenz bezüglich der Liquiditätsverträge gewährleistet Marktintegrität und Anlegerschutz. Um anderen Marktteilnehmern fundierte Entscheidungen über die unter den Liquiditätsvertrag fallenden Aktien zu ermöglichen, sollte der Liquiditätsvertrag Transparenzpflichten für die verschiedenen Phasen der Liquiditätsbereitstellung vorsehen, insbesondere vor dem Inkrafttreten des Liquiditätsvertrags, während seiner Laufzeit und nach seiner Beendigung. In diesem Zusammenhang ist es erforderlich, eine Partei zu bestimmen, die für die Transparenzpflichten verantwortlich ist. Um es der Öffentlichkeit zu erleichtern, Informationen über die betreffenden Aktien einzuholen, sollte diese Partei der Emittent sein, der die einschlägigen Informationen auf seiner Website veröffentlicht.

(11)

Diese Verordnung beruht auf dem Entwurf technischer Regulierungsstandards, welcher der Kommission von der Europäischen Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde vorgelegt wurde.

(12)

Die Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde hat zu diesem Entwurf öffentliche Konsultationen durchgeführt, die damit verbundenen potenziellen Kosten- und Nutzeffekte analysiert und die Stellungnahme der nach Artikel 37 der Verordnung (EU) Nr. 1095/2010 des Europäischen Parlaments und des Rates (2) eingesetzten Interessengruppe Wertpapiere und Wertpapiermärkte eingeholt —

HAT FOLGENDE VERORDNUNG ERLASSEN:


(1)  ABl. L 173 vom 12.6.2014, S. 1.

(2)  Verordnung (EU) Nr. 1095/2010 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. November 2010 zur Errichtung einer Europäischen Aufsichtsbehörde (Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde), zur Änderung des Beschlusses Nr. 716/2009/EG und zur Aufhebung des Beschlusses 2009/77/EG der Kommission (ABl. L 331 vom 15.12.2010, S. 84).