DURCHFÜHRUNGSBESCHLUSS (EU) 2019/1279 DER KOMMISSION
vom 29. Juli 2019
zur Anerkennung der Gleichwertigkeit des Regelungs- und Kontrollrahmens der Vereinigten Staaten von Amerika mit der Verordnung (EG) Nr. 1060/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates über Ratingagenturen
(Text von Bedeutung für den EWR)
DIE EUROPÄISCHE KOMMISSION —
gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union,
gestützt auf die Verordnung (EG) Nr. 1060/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. September 2009 über Ratingagenturen (1), insbesondere auf Artikel 5 Absatz 6,
in Erwägung nachstehender Gründe:
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Gemäß Artikel 5 Absatz 6 der Verordnung (EG) Nr. 1060/2009 ist die Kommission befugt, einen Beschluss über die Gleichwertigkeit des Regelungs- und Kontrollrahmens eines Drittlandes anzunehmen, wenn dieser Rahmen sicherstellt, dass Ratingagenturen, die in diesem Drittland zugelassen oder registriert sind, rechtsverbindliche Anforderungen erfüllen, die den Anforderungen gemäß der genannten Verordnung entsprechen und in dem Drittland wirksam überwacht und durchgesetzt werden. |
(2) |
Durch diesen Gleichwertigkeitsbeschluss soll es Ratingagenturen aus den Vereinigten Staaten, die keine systemrelevante Bedeutung für die Finanzstabilität oder die Integrität der Finanzmärkte in einem oder mehreren Mitgliedstaaten haben, ermöglicht werden, bei der Europäischen Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (im Folgenden „ESMA“) einen Antrag auf Zertifizierung zu stellen. Dieser Gleichwertigkeitsbeschluss bietet der ESMA die Möglichkeit, diese Ratingagenturen jeweils im Einzelfall zu bewerten und in der Europäischen Union tätige Ratingagenturen von einigen organisatorischen Anforderungen, einschließlich der Anforderung einer physischen Präsenz in der Europäischen Union, zu befreien. |
(3) |
Damit der Regelungs- und Kontrollrahmen eines Drittlands als gleichwertig betrachtet werden kann, müssen mindestens die in Artikel 5 Absatz 6 der Verordnung (EG) Nr. 1060/2009 aufgeführten drei Bedingungen erfüllt sein. |
(4) |
Am 5. Oktober 2012 nahm die Kommission den Durchführungsbeschluss 2012/628/EU (2) an, in dem die betreffenden drei Bedingungen als erfüllt und der Regelungs- und Kontrollrahmen der Vereinigten Staaten für Ratingagenturen als den zu diesem Zeitpunkt geltenden Anforderungen der Verordnung (EG) Nr. 1060/2009 gleichwertig anerkannt wurden. |
(5) |
Gemäß der ersten in Artikel 5 Absatz 6 der Verordnung (EG) Nr. 1060/2009 festgelegten Bedingung müssen die Ratingagenturen in dem Drittland zugelassen oder registriert werden und laufender wirksamer Kontrolle und Durchsetzung unterliegen. Nach dem Regelungs- und Kontrollrahmen der Vereinigten Staaten müssen sich Ratingagenturen bei der Börsenaufsichtsbehörde (Securities and Exchange Commission, SEC) als „National Recognised Statistical Ratings Organizations“ (NRSRO) registrieren lassen, damit ihre Ratings für aufsichtsrechtliche Zwecke verwendet werden können. Anschließend werden sie von der SEC laufend überwacht. Die SEC verfügt über umfassende Aufsichtsbefugnisse zur Prüfung der Einhaltung der rechtlichen Verpflichtungen von Ratingagenturen. Dazu zählen der Zugang zu Unterlagen, die Möglichkeit zur Durchführung von Untersuchungen und Prüfungen vor Ort und der Zugang zu Aufzeichnungen von Telefongesprächen und elektronischer Kommunikation. Die SEC kann diese Befugnisse nicht nur in Bezug auf Ratingagenturen ausüben, sondern auch hinsichtlich anderer an Ratingtätigkeiten beteiligter Personen. Gemäß dem Regelungs- und Kontrollrahmen der Vereinigten Staaten ist die SEC verpflichtet, jede NRSRO mindestens einmal jährlich zu überprüfen und über die Ergebnisse dieser Prüfungen Bericht zu erstatten. Stellt die SEC fest, dass eine NRSRO eine Verpflichtung aus den einschlägigen Vorschriften nicht erfüllt, kann sie ein breites Spektrum von Aufsichtsmaßnahmen zur Beendigung des Verstoßes anwenden. Zu diesen Maßnahmen zählen der Widerruf der Registrierung, die Aussetzung der Verwendung der Ratings für Aufsichtszwecke und die Anordnung an Ratingagenturen, das rechtswidrige Verhalten abzustellen. Die SEC kann bei Verstößen gegen die einschlägigen Verpflichtungen zudem erhebliche Geldbußen gegen Ratingagenturen verhängen. Die NRSRO unterliegen daher laufend wirksamen Kontroll- und Durchsetzungsmaßnahmen. Die Kooperationsvereinbarung zwischen der ESMA und der SEC sieht einen Informationsaustausch zu den Durchsetzungs- und Kontrollmaßnahmen in Bezug auf grenzübergreifend tätige Ratingagenturen vor. |
(6) |
Gemäß der zweiten in Artikel 5 Absatz 6 der Verordnung (EG) Nr. 1060/2009 festgelegten Bedingung müssen die Ratingagenturen in dem Drittland rechtsverbindlichen Regelungen, die denen der Artikel 6 bis 12 und des Anhangs I der Verordnung (EG) Nr. 1060/2009 gleichwertig sind, unterliegen. Der Regelungs- und Kontrollrahmen der Vereinigten Staaten wird hinsichtlich der Bewältigung von Interessenkonflikten, der organisatorischen Abläufe und Verfahren, über die Ratingagenturen verfügen müssen, der Qualität von Ratings und Ratingmethoden, der Bekanntgabe von Ratings und der allgemeinen und regelmäßigen Bekanntgabe von Ratingtätigkeiten als mit der Verordnung über Ratingagenturen gleichwertig betrachtet. Er bietet somit einen gleichwertigen Schutz in Bezug auf Integrität, Transparenz und gute Unternehmensführung von Ratingagenturen sowie die Verlässlichkeit von Ratingtätigkeiten. |
(7) |
Gemäß der dritten in Artikel 5 Absatz 6 der Verordnung (EG) Nr. 1060/2009 festgelegten Bedingung muss das Regulierungssystem des Drittlandes eine Einflussnahme der Aufsichtsbehörden und anderer Behörden dieses Drittlandes auf den Inhalt der Ratings und die Methoden verhindern. Der SEC sowie jeder anderen Behörde in den Vereinigten Staaten ist die Einflussnahme auf den Inhalt der Ratings oder die Ratingmethoden gesetzlich untersagt. |
(8) |
Der Regelungs- und Kontrollrahmen der Vereinigten Staaten erfüllt nach wie vor die drei Bedingungen, die ursprünglich in Artikel 5 Absatz 6 der Verordnung (EG) Nr. 1060/2009 vorgesehen wurden. Mit der Verordnung (EU) Nr. 462/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates (3) wurden jedoch zusätzliche Anforderungen an in der Union registrierte Ratingagenturen eingeführt, um strengere Rechts- und Aufsichtsregelungen für solche Ratingagenturen festzulegen. Zu diesen zusätzlichen Anforderungen gehören rechtsverbindliche Vorschriften für Ratingagenturen über Ratingausblicke, den Umgang mit Interessenkonflikten, Anforderungen an die Vertraulichkeit, Änderungen der Ratingmethoden und die Präsentation und Bekanntgabe von Ratings. |
(9) |
Nach Maßgabe von Artikel 2 Absatz 2 Nummer 1 Buchstabe b der Verordnung (EU) Nr. 462/2013 gelten die zusätzlichen Anforderungen für die Zwecke der Bewertung der Gleichwertigkeit von Rechts- und Aufsichtsrahmen von Drittländern ab dem 1. Juni 2018. |
(10) |
Vor diesem Hintergrund ersuchte die Kommission am 13. Juli 2017 die Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde darum, mit Blick auf die zusätzlichen in der Verordnung (EU) Nr. 462/2013 eingeführten Anforderungen eine Stellungnahme zur Gleichwertigkeit verschiedener Regelungs- und Kontrollrahmen, unter anderem zum Regelungs- und Kontrollrahmen der Vereinigten Staaten, abzugeben, und forderte sie auf, zu bewerten, ob etwaige Unterschiede von wesentlicher Bedeutung sind. |
(11) |
In ihrem technischen Gutachten vom 17. November 2017 kam die ESMA zu dem Schluss, dass die Bestimmungen des Regelungs- und Kontrollrahmens der Vereinigten Staaten in Bezug auf Ratingagenturen ausreichen, um die durch die Verordnung (EU) Nr. 462/2013 eingeführten zusätzlichen Anforderungen zu erfüllen. |
(12) |
In Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe w der Verordnung (EU) Nr. 462/2013 wird der Ratingausblick definiert; mit der Verordnung (EG) Nr. 1060/2009 wurden bestimmte Anforderungen an Ratings nun auf Ratingausblicke ausgeweitet. Unter den Anwendungsbereich des Regelungs- und Kontrollrahmens der Vereinigten Staaten fallen auch „rating watches“, bei denen es sich um eine Art Ratingausblick im Sinne der Verordnung (EG) Nr. 1060/2009 handelt. |
(13) |
Um die Unabhängigkeit von Ratingagenturen gegenüber den bewerteten Unternehmen stärker herauszustellen, wird mit der Verordnung (EU) Nr. 462/2013 in Artikel 6 Absatz 4, Artikel 6a und Artikel 6b der Verordnung (EG) Nr. 1060/2009 der Anwendungsbereich der Regeln für Interessenkonflikte auf solche Interessenkonflikte ausgeweitet, die von Anteilseignern oder Mitgliedern verursacht werden, die innerhalb der Ratingagentur eine wesentliche Stellung einnehmen. In ähnlicher Weise enthält auch der Regelungs- und Kontrollrahmen der Vereinigten Staaten Schutzbestimmungen für den Fall, dass Anteilseigner von NRSRO Interessenkonflikte bei Ratingagenturen verursachen könnten. |
(14) |
In der Verordnung (EU) Nr. 462/2013 werden neue Bestimmungen eingeführt, um sicherzustellen, dass vertrauliche Informationen nur für Zwecke verwendet werden, die mit Ratingtätigkeiten in Zusammenhang stehen und vor Betrug, Diebstahl oder Missbrauch geschützt sind. Zu diesem Zweck sind Ratingagenturen nach Artikel 10 Absatz 2a der Verordnung (EG) Nr. 1060/2009 verpflichtet, sämtliche Ratings, Ratingausblicke und diesbezüglichen Informationen bis zur Offenlegung als Insider-Informationen zu behandeln. Laut dem Regelungs- und Kontrollrahmen der Vereinigten Staaten können nicht veröffentlichte Ratingmaßnahmen Insider-Informationen darstellen. NRSRO müssen über Strategien und Verfahren verfügen, durch die eine selektive, unangemessene Offenlegung wesentlicher, nicht öffentlicher Informationen, die im Zusammenhang mit der Erbringung von Ratingdiensten eingeholt wurden, vermieden wird. Es gibt somit einen glaubwürdigen Rahmen, der vor dem Missbrauch vertraulicher Informationen schützt. |
(15) |
Die Verordnung (EU) Nr. 462/2013 zielt darauf ab, den Grad an Transparenz und die Qualität von Ratingmethoden zu steigern. In Anhang I Abschnitt D Unterabschnitt I Nummer 3 der Verordnung (EG) Nr. 1060/2009 wird eine Verpflichtung für Ratingagenturen eingeführt, einem bewerteten Unternehmen die Möglichkeit einzuräumen, vor der Veröffentlichung des Ratings oder des Ratingausblicks auf sachliche Fehler hinzuweisen. Der Regelungs- und Kontrollrahmen der Vereinigten Staaten enthält zwar nicht die gleiche Anforderung, doch müssen NRSRO über Verfahren verfügen, durch die bewertete Schuldner und Emittenten von bewerteten Wertpapieren oder Geldmarktinstrumenten über Ratingentscheidungen und über Rechtsbehelfe für endgültige und noch ausstehende Ratingentscheidungen informiert werden. |
(16) |
Mit der Verordnung (EU) Nr. 462/2013 werden Schutzmaßnahmen in Artikel 8 Absatz 5a, Absatz 6 Buchstaben aa und ab und Absatz 7 der Verordnung (EG) Nr. 1060/2009 eingeführt, um sicherzustellen, dass Änderungen an Ratingmethoden nicht zur Verwässerung der Methoden führen. Nach dem Regelungs- und Kontrollrahmen der Vereinigten Staaten ist jede NRSRO verpflichtet, Strategien festzulegen, fortzuführen, durchzusetzen und zu dokumentieren, durch die auf sinnvolle Art gewährleistet wird, dass wesentliche Änderungen von Verfahren und Methoden auf einem leicht zugänglichen Bereich der NRSRO-Website veröffentlicht werden. Es gibt keine spezifische Verpflichtung zur Korrektur in einer Methodik festgestellter Fehler, sie ergibt sich jedoch aus allgemeineren Bestimmungen über die Qualität der Methoden. |
(17) |
Mit der Verordnung (EU) Nr. 462/2013 werden höhere Anforderungen an die Darstellung und Offenlegung von Ratings gestellt. Nach Artikel 8 Absatz 2 und Anhang I Abschnitt D Unterabschnitt I Nummer 2a der Verordnung (EG) Nr. 1060/2009 legt eine Ratingagentur bei der Offenlegung von Ratingmethoden, Modellen und grundlegenden Annahmen gleichzeitig Erläuterungen zu den Annahmen, Parametern, Grenzen und Unsicherheiten vor, die mit den bei Ratings verwendeten Modellen und Ratingmethoden verbunden sind; diese Erläuterungen müssen klar und leicht verständlich sein. Nach dem Regelungs- und Kontrollrahmen der Vereinigten Staaten muss sichergestellt werden, dass im Zusammenhang mit Ratingtätigkeiten und -methoden angemessene Orientierungshilfen bereitgestellt werden. Es gibt auch Anforderungen, um sicherzustellen, dass Ratings alle Informationen widerspiegeln, die als relevant betrachtet werden. |
(18) |
Um den Wettbewerb zu stärken und die Tragweite von Interessenkonflikten im Ratingsektor zu begrenzen, wird mit der Verordnung (EU) Nr. 462/2013 in Anhang I Abschnitt E Unterabschnitt II der Verordnung (EG) Nr. 1060/2009 eine Anforderung eingeführt, nach der Gebühren, die Ratingagenturen für die Bereitstellung von Rating- und Nebendienstleistungen in Rechnung stellen, diskriminierungsfrei sind und auf den tatsächlichen Kosten beruhen. Ratingagenturen sind zudem verpflichtet, bestimmte Finanzinformationen offenzulegen. Der Regelungs- und Kontrollrahmen der Vereinigten Staaten enthält allgemeine Verpflichtungen zur Aufzeichnung und Speicherung von Informationen über Gebühren und Kundenmitteilungen, die dazu beitragen, Transparenz, Wettbewerb und die Minderung von Interessenkonflikten zu gewährleisten, und verpflichtet NRSRO, jährlich eine Reihe von Finanzberichten bei der SEC zu hinterlegen. |
(19) |
Die Kommission bewertet den Regelungsrahmen von Drittländern gemäß dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit auf der Grundlage eines risikobasierten Ansatzes. Angesichts der gemeinsam untersuchten Faktoren und des technischen Gutachtens der ESMA ist festzustellen, dass der Regelungs- und Kontrollrahmen der Vereinigten Staaten für Ratingagenturen die Bedingungen von Artikel 5 Absatz 6 Unterabsatz 2 der Verordnung (EG) Nr. 1060/2009 erfüllt und weiterhin als dem mit dieser Verordnung geschaffenen Regelungs- und Kontrollrahmen gleichwertig betrachtet werden sollte. |
(20) |
Aus Gründen der Rechtssicherheit sollte ein neuer Durchführungsbeschluss erlassen und der Beschluss 2012/628/EU aufgehoben werden. |
(21) |
Die Kommission sollte die Entwicklung des Regelungs- und Kontrollrahmens für Ratingagenturen, die Marktentwicklungen und die Wirksamkeit der aufsichtlichen Zusammenarbeit bei der Überwachung und Durchsetzung in den Vereinigten Staaten von Amerika mit Unterstützung der ESMA weiterhin regelmäßig überwachen, um die kontinuierliche Einhaltung der Vorschriften zu gewährleisten. |
(22) |
Die in diesem Beschluss vorgesehenen Maßnahmen entsprechen der Stellungnahme des Europäischen Wertpapierausschusses — |
HAT FOLGENDEN BESCHLUSS ERLASSEN:
(1) ABl. L 302 vom 17.11.2009, S. 1.
(2) Durchführungsbeschluss 2012/628/EU der Kommission zur Anerkennung der Gleichwertigkeit des Regelungs- und Kontrollrahmens der Vereinigten Staaten von Amerika mit der Verordnung (EG) Nr. 1060/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates über Ratingagenturen (ABl. L 274 vom 9.10.2012, S. 32).
(3) Verordnung (EU) Nr. 462/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Mai 2013 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1060/2009 über Ratingagenturen (ABl. L 146 vom 31.5.2013, S. 1).