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Erwägungsgründe

DURCHFÜHRUNGSBESCHLUSS (EU) 2019/1277 DER KOMMISSION

vom 29. Juli 2019

zur Aufhebung des Durchführungsbeschlusses 2012/630/EU zur Anerkennung der Gleichwertigkeit des Regelungs- und Kontrollrahmens Kanadas mit der Verordnung (EG) Nr. 1060/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates über Ratingagenturen

(Text von Bedeutung für den EWR)

DIE EUROPÄISCHE KOMMISSION —

gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union,

gestützt auf die Verordnung (EG) Nr. 1060/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. September 2009 über Ratingagenturen (1), insbesondere auf Artikel 5 Absatz 6,

in Erwägung nachstehender Gründe:

(1)

In Artikel 5 Absatz 6 der Verordnung (EG) Nr. 1060/2009 wird der Kommission die Befugnis übertragen, einen Beschluss über die Gleichwertigkeit anzunehmen, in dem sie feststellt, dass der Regelungs- und Kontrollrahmen des betreffenden Drittlandes sicherstellt, dass Ratingagenturen, die in diesem Drittland zugelassen oder registriert sind, rechtsverbindliche Anforderungen erfüllen, die den Anforderungen gemäß dieser Verordnung entsprechen und in dem Drittland wirksam überwacht und durchgesetzt werden. Damit der Regelungs- und Kontrollrahmen als gleichwertig betrachtet werden kann, müssen mindestens die in Artikel 5 Absatz 6 der Verordnung (EG) Nr. 1060/2009 aufgeführten Bedingungen erfüllt sein.

(2)

Am 5. Oktober 2012 nahm die Kommission den Durchführungsbeschluss 2012/630/EU (2) an, in dem die betreffenden drei Bedingungen als erfüllt und der Regelungs- und Kontrollrahmen Kanadas für Ratingagenturen als den zu diesem Zeitpunkt geltenden Anforderungen der Verordnung (EG) Nr. 1060/2009 gleichwertig anerkannt wurden.

(3)

Der Regelungs- und Kontrollrahmen Kanadas erfüllt nach wie vor die drei Bedingungen, die ursprünglich in Artikel 5 Absatz 6 der Verordnung (EG) Nr. 1060/2009 vorgesehen wurden. Mit der Verordnung (EU) Nr. 462/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates (3) wurden zusätzliche Anforderungen an in der Union registrierte Ratingagenturen eingeführt, um strengere Rechts- und Aufsichtsregelungen für solche Ratingagenturen festzulegen. Zu diesen zusätzlichen Anforderungen gehören rechtsverbindliche Vorschriften für Ratingagenturen über Ratingausblicke, den Umgang mit Interessenkonflikten, Anforderungen an die Vertraulichkeit, die Qualität der Ratingmethoden und die Präsentation und Bekanntgabe von Ratings.

(4)

Nach Maßgabe von Artikel 2 Absatz 2 Nummer 1 Buchstabe b der Verordnung (EU) Nr. 462/2013 gelten die zusätzlichen Anforderungen für die Zwecke der Bewertung der Gleichwertigkeit des Regelungs- und Kontrollrahmens von Drittländern ab dem 1. Juni 2018.

(5)

Am 6. Juli 2017 veröffentlichte die kanadische Aufsichtsbehörde eine Bekanntmachung mit Änderungsvorschlägen zum nationalen Instrument 25-101 in Bezug auf benannte Ratingorganisationen („Notice with proposed amendments to National Instrument 25-101 regarding Designated Rating Organisations“), in der sie feststellte, dass Änderungen erforderlich sind, um den neuen Anforderungen an Ratingagenturen in der EU Rechnung zu tragen, damit die Union das kanadische Regulierungssystem weiterhin zu Regulierungszwecken in der Union als gleichwertig anerkennen kann.

(6)

Am 13. Juli 2017 ersuchte die Kommission die Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde („ESMA“) darum, mit Blick auf die zusätzlichen in der Verordnung (EU) Nr. 462/2013 eingeführten Anforderungen eine Stellungnahme zur Gleichwertigkeit verschiedener Regelungs- und Kontrollrahmen abzugeben, unter anderem zum Regelungs- und Kontrollrahmen Kanadas, und forderte sie auf, zu bewerten, ob etwaige Unterschiede von wesentlicher Bedeutung sind.

(7)

In ihrem technischen Gutachten vom 17. November 2017 kam die ESMA zu dem Schluss, dass die Bestimmungen des Regelungs- und Kontrollrahmens Kanadas in Bezug auf Ratingagenturen ausreichen, um die Ziele der durch die Verordnung (EU) Nr. 462/2013 eingeführten zusätzlichen Anforderungen zu erfüllen, sofern die vorgeschlagene Regulierungsänderung vor dem 1. Juni 2018 in Kraft tritt.

(8)

Am 29. März 2018 gab die kanadische Aufsichtsbehörde auf ihrer Website bekannt, dass die Beratungen über die während der Stellungnahmefrist eingegangenen Stellungnahmen weiter andauern und die Änderung des Instruments NI 25-101 auf einen späteren Zeitpunkt im Jahr 2018 verschoben werden soll. Den Dienststellen der Kommission teilte die kanadische Aufsichtsbehörde allerdings mit, dass eine Änderung des nationalen Instruments 25-101 in Bezug auf benannte Ratingorganisationen derzeit nicht weiter verfolgt wird, wobei kein neuer Zeitplan übermittelt wurde. Folglich werden bei der Bewertung, die dem vorliegenden Beschluss zugrunde liegt, etwaige zu erwartende Änderungen nicht berücksichtigt.

(9)

In Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe w der Verordnung (EU) Nr. 462/2013 wird der Ratingausblick definiert; mit der Verordnung (EG) Nr. 1060/2009 werden bestimmte Anforderungen an Ratings nun auf Ratingausblicke ausgeweitet. Im Rahmen Kanadas werden Ratingausblicke nicht als getrennte, vom eigentlichen Rating zu unterscheidende Bewertungen anerkannt, wobei es jedoch Verweise auf Maßnahmen, Stellungnahmen und Berichte gibt, die weit genug gefasst sind, um implizit auch Ratingausblicke zu umfassen.

(10)

Um die Unabhängigkeit von Ratingagenturen gegenüber den bewerteten Unternehmen stärker herauszustellen, wird mit der Verordnung (EU) Nr. 462/2013 in Artikel 6 Absatz 4, Artikel 6a und Artikel 6b der Verordnung (EG) Nr. 1060/2009 der Anwendungsbereich der Regeln für Interessenkonflikte auf solche Interessenkonflikte ausgeweitet, die von Anteilseignern oder Mitgliedern verursacht werden, die innerhalb der Ratingagentur eine wesentliche Stellung einnehmen. Der Rahmen Kanadas ist weniger detailliert und weniger präskriptiv als der in der Union geltende Rahmen. Wenngleich eine allgemeine Anforderung besteht, sinnvolle interne Mechanismen zu konzipieren, deren Angemessenheit und Wirksamkeit überwacht und bewertet werden sollen, um etwaige Mängel zu beheben, gibt es keine detaillierte, ausdrückliche Verpflichtung, Interessenkonflikte im Zusammenhang mit wesentlichen Anteilseignern anzugehen. Zudem ist es einer Ratingagentur nicht untersagt, ein Rating für ein Unternehmen abzugeben, wenn ein Mitglied des Leitungsorgans der Ratingagentur oder ein Anteilseigner, der mehr als 10 % der Anteile oder Stimmrechte an der Ratingagentur hält, auch mehr als 10 % der Anteile am bewerteten Unternehmen hält. Darüber hinaus ist es nicht untersagt, dass Einzelpersonen oder Unternehmen, die mehr als 5 % der Anteile oder der Stimmrechte einer Ratingagentur halten, Beratungsdienstleistungen für ein von dieser Ratingagentur bewertetes Unternehmen erbringen.

(11)

In der Verordnung (EU) Nr. 462/2013 werden neue Bestimmungen eingeführt, um sicherzustellen, dass vertrauliche Informationen nur für Zwecke verwendet werden, die mit Ratingtätigkeiten in Zusammenhang stehen und vor Betrug, Diebstahl oder Missbrauch geschützt sind. Zu diesem Zweck sind Ratingagenturen nach Artikel 10 Absatz 2a der Verordnung (EG) Nr. 1060/2009 verpflichtet, sämtliche Ratings, Ratingausblicke und diesbezüglichen Informationen bis zur Offenlegung als Insider-Informationen zu behandeln. Im Regelungs- und Kontrollrahmen Kanadas werden Insider-Informationen definiert, doch gelten Ratings und diesbezügliche Informationen nicht automatisch als solche Informationen.

(12)

Die Verordnung (EU) Nr. 462/2013 zielt darauf ab, den Grad an Transparenz und die Qualität von Ratingmethoden zu steigern. In Anhang I Abschnitt D Unterabschnitt I Nummer 3 der Verordnung (EG) Nr. 1060/2009 wird eine Verpflichtung für Ratingagenturen eingeführt, einem bewerteten Unternehmen die Möglichkeit einzuräumen, vor der Veröffentlichung des Ratings oder des Ratingausblicks auf sachliche Fehler hinzuweisen. Der Regelungs- und Kontrollrahmen Kanadas enthält eine Anforderung, nach der Ratingagenturen ein bewertetes Unternehmen vor der Veröffentlichung eines Ratings über die ausschlaggebenden Informationen und wichtigsten Erwägungen, auf die sich das Rating stützen wird, informiert; dabei wird jedoch weder spezifiziert, ob dies während der Geschäftszeiten erfolgen muss, noch wird ein zeitlicher Rahmen festgelegt, innerhalb dessen das bewertete Unternehmen darauf reagieren kann.

(13)

Mit der Verordnung (EU) Nr. 462/2013 werden Schutzmaßnahmen in Artikel 8 Absatz 5a, Absatz 6 Buchstaben aa und ab und Absatz 7 der Verordnung (EG) Nr. 1060/2009 eingeführt, um sicherzustellen, dass Änderungen an Ratingmethoden nicht zur Verwässerung der Methoden führen. Wenngleich der Regelungs- und Kontrollrahmen Kanadas vorschreibt, dass Ratings im Einklang mit strengen, systematischen, beständigen und einer Validierung unterliegenden Methoden abgegeben werden, gibt es keine explizite Anforderung, dass auch Änderungen von Ratings im Einklang mit den veröffentlichten Methoden abgegeben werden müssen. Die Ratingagenturen sind nicht verpflichtet, bei Änderungen der Methoden Marktteilnehmer zu konsultieren oder Fehler in ihren Methoden zu korrigieren. Es besteht außerdem keine ausdrückliche Verpflichtung, die Aufsichtsbehörde, andere Behörden oder betroffene Unternehmen über Fehler in einer Methode zu informieren, die Auswirkungen auf die Ratings haben könnten.

(14)

Mit der Verordnung (EU) Nr. 462/2013 werden höhere Anforderungen an die Darstellung und Offenlegung von Ratings gestellt. Nach Artikel 8 Absatz 2 und Anhang I Abschnitt D Unterabschnitt I Nummer 2a der Verordnung (EG) Nr. 1060/2009 legt eine Ratingagentur bei der Offenlegung von Ratingmethoden, Modellen und grundlegenden Annahmen gleichzeitig Erläuterungen zu den Annahmen, Parametern, Grenzen und Unsicherheiten vor, die mit den bei Ratings verwendeten Modellen und Ratingmethoden verbunden sind; diese Erläuterungen müssen klar und leicht verständlich sein. Nach dem Regelungs- und Kontrollrahmen Kanadas muss sichergestellt werden, dass im Zusammenhang mit Ratingtätigkeiten und -methoden angemessene Orientierungshilfen bereitgestellt werden. Darüber hinaus sind die Ratingagenturen nicht explizit dazu verpflichtet, hervorzuheben, dass es sich bei einem Rating um ihre Meinung handelt, auf die nur in begrenztem Umfang Verlass ist.

(15)

Um den Wettbewerb zu stärken und die Tragweite von Interessenkonflikten im Ratingsektor zu begrenzen, wird mit der Verordnung (EU) Nr. 462/2013 in Anhang I Abschnitt E Unterabschnitt II der Verordnung (EG) Nr. 1060/2009 eine Anforderung eingeführt, nach der Gebühren, die Ratingagenturen für die Bereitstellung von Rating- und Nebendienstleistungen in Rechnung stellen, diskriminierungsfrei sind und auf den tatsächlichen Kosten beruhen. Ratingagenturen sind zudem verpflichtet, bestimmte Finanzinformationen offenzulegen. Nach dem Regelungs- und Kontrollrahmen Kanadas sind Ratingagenturen nicht systematisch dazu verpflichtet, ihre Preisgestaltung gegenüber der Aufsichtsbehörde oder den bewerteten Unternehmen offenzulegen; die Aufsichtsbehörde kann diese Informationen allerdings im Rahmen einer Untersuchung anfordern. Darüber hinaus besteht keine Verpflichtung, dass die den Kunden berechneten Gebühren kostenbasiert und diskriminierungsfrei sind.

(16)

In Anbetracht der untersuchten Faktoren erfüllt der Regelungs- und Kontrollrahmen Kanadas nicht alle Bedingungen für die Gleichwertigkeit gemäß Artikel 5 Absatz 6 Unterabsatz 2 der Verordnung (EG) Nr. 1060/2009. Er kann daher nicht als gleichwertig mit dem durch die genannte Verordnung geschaffenen Regelungs- und Kontrollrahmen angesehen werden.

(17)

Der Durchführungsbeschluss 2012/630/EU sollte daher aufgehoben werden.

(18)

Die in diesem Beschluss vorgesehenen Maßnahmen entsprechen der Stellungnahme des Europäischen Wertpapierausschusses —

HAT FOLGENDEN BESCHLUSS ERLASSEN:


(1)  ABl. L 302 vom 17.11.2009, S. 1.

(2)  Durchführungsbeschluss 2012/630/EU der Kommission vom 5. Oktober 2012 zur Anerkennung der Gleichwertigkeit des Regelungs- und Kontrollrahmens Kanadas mit der Verordnung (EG) Nr. 1060/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates über Ratingagenturen (ABl. L 278 vom 12.10.2012, S. 17).

(3)  Verordnung (EU) Nr. 462/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Mai 2013 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1060/2009 über Ratingagenturen (ABl. L 146 vom 31.5.2013, S. 1).