DURCHFÜHRUNGSBESCHLUSS DER KOMMISSION
vom 28. April 2014
zur Anerkennung der Gleichwertigkeit des Regelungs- und Kontrollrahmens Brasiliens mit den Anforderungen der Verordnung (EG) Nr. 1060/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates über Ratingagenturen
(Text von Bedeutung für den EWR)
DIE EUROPÄISCHE KOMMISSION —
gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union,
gestützt auf die Verordnung (EG) Nr. 1060/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. September 2009 über Ratingagenturen (1), insbesondere auf Artikel 5 Absatz 6,
in Erwägung nachstehender Gründe:
(1) |
Am 22. Oktober 2012 beauftragte die Kommission die Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (ESMA), sie bei der Bewertung des Regelungs- und Kontrollrahmens Brasiliens für Ratingagenturen fachlich zu beraten. |
(2) |
In ihrer technischen Stellungnahme vom 31. Mai 2013 gelangte die ESMA zu dem Ergebnis, dass der Regelungs- und Kontrollrahmen Brasiliens für Ratingagenturen zufolge mit dem in der Verordnung (EG) Nr. 1060/2009 festgelegten Rahmen vergleichbar sei. |
(3) |
Damit der Regelungs- und Kontrollrahmen eines Drittlandes als gleichwertig mit den Anforderungen der Verordnung (EG) Nr. 1060/2009 betrachtet werden kann, müssen gemäß Artikel 5 Absatz 6 Unterabsatz 2 der genannten Verordnung drei Bedingungen erfüllt sein. |
(4) |
Gemäß der ersten Bedingung müssen Ratingagenturen in dem Drittland zugelassen oder registriert werden und laufender wirksamer Kontrolle und Durchsetzung unterliegen. Der brasilianische Rechts- und Regulierungsrahmen für Ratingagenturen besteht aus der Verordnung ICVM 521 der brasilianischen Wertpapier- und Börsenaufsichtsbehörde (Comissão de Valores Mobiliários, CVM), die am 25. April 2012 aufgrund des Gesetzes Nr. 6 385 von 1976 erlassen wurde. Der Regulierungsrahmen verpflichtet die Ratingagenturen zur Einhaltung sämtlicher Anforderungen des Verhaltenskodexes der Internationalen Organisation der Wertpapieraufsichtsbehörden (IOSCO). Alle einschlägigen Gesetze und Verordnungen sind in Kraft getreten. Diesem Regulierungsrahmen zufolge müssen Ratingagenturen registriert sein und werden von der CVM laufend überwacht. Der brasilianische Regelungs- und Kontrollrahmen stattet die CVM mit umfangreichen Befugnissen aus, die dieser die Durchführung von Untersuchungen ermöglichen, um nachzuprüfen, ob die Ratingagenturen ihren rechtlichen Verpflichtungen nachkommen. Die CMV kann Buchungsaufzeichnungen, Bücher und Unterlagen sowie andere Akten prüfen und Auszüge daraus entnehmen; außerdem kann sie unbeschadet anderer Strafen unter Androhung einer Geldbuße Auskünfte oder Klarstellungen verlangen. Um eine wirksame Beaufsichtigung von Ratingagenturen und eine wirksame Durchsetzung zu gewährleisten, ist die CMV unter anderem auch befugt, mit oder ohne Ankündigung Prüfungen durchzuführen und bei Verstößen gegen die geltenden Bestimmungen Sanktionen gegen Ratingagenturen zu verhängen. Die CVM kann verschiedene Strafen gegen Ratingagenturen und alle am Ratingprozess direkt Beteiligten verhängen, von Verwarnungen, Geldbußen und vorübergehenden Verboten bis hin zur Löschung der Registrierung einer Ratingagentur. Sollte die CVM eine Straftat feststellen, muss sie die Sache der Staatsanwaltschaft (Ministério Público) übergeben. Auf Antrag kann die CVM auch bei Rechtsstreitigkeiten, die den Wertpapiermarkt betreffen, hinzugezogen werden; ihr Tätigwerden kann von der Beweismittelerhebung bis hin zur Abgabe von Rechtsgutachten reichen. Die Ratingagenturen müssen der CVM alljährlich ein Referenzformular sowie ereignisbasierte Informationen übermitteln, etwa wenn die Methode wesentlich verändert oder ein Rating eingestellt wird oder wenn ein Emittent bei der Offenlegung einer Transaktion einer vorläufigen Stellungnahme nicht gefolgt ist. Seit September 2013 hat die CVM von allen Ratingagenturen aktualisierte Referenzformulare erhalten; außerdem wurden ihr ereignisbasierte Informationen übermittelt. Die CVM hat die Unterlagen geprüft und eine Ratingagentur wegen eines ermittelten Interessenkonflikts um Klarstellung gebeten, die inzwischen erfolgt ist. Die Kooperationsvereinbarung zwischen der ESMA und der CVM sieht einen Informationsaustausch hinsichtlich der Durchsetzungs- und Kontrollmaßnahmen in Bezug auf grenzübergreifend tätige Ratingagenturen vor. Aufgrund dessen sollte davon ausgegangen werden, dass Ratingagenturen in Brasilien Zulassungs- oder Registrierungspflichten unterliegen, die jenen der Verordnung (EG) Nr. 1060/2009 gleichwertig sind, und die für Ratingagenturen geltenden Aufsichts- und Durchsetzungsmechanismen Brasiliens wirksam angewandt und durchgesetzt werden. |
(5) |
Gemäß der zweiten Bedingung müssen die Ratingagenturen in dem Drittland rechtsverbindlichen Regelungen unterliegen, die denen der Artikel 6 bis 12 und des Anhangs I der Verordnung (EG) Nr. 1060/2009 mit Ausnahme der Artikel 6a, 6b, 8a, 8b, 8c, und 11a, Anhang I Abschnitt B Nummer 3 Buchstabe ba und Nummern 3a und 3b der genannten Verordnung gleichwertig sind. Bei der Bewertung, ob diese Bedingung erfüllt ist, sollte Artikel 2 Absatz 1 der Verordnung (EU) Nr. 462/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates (2) hinsichtlich des Geltungsbeginns bestimmter Vorschriften der Verordnung (EG) Nr. 1060/2009 gebührend berücksichtigt werden. In Sachen Unternehmensführung schreibt der Regelungs- und Kontrollrahmen Brasiliens vor, dass Ratingagenturen im Rahmen des Registrierungsverfahrens eine Führungsstruktur mit mindestens zwei Direktoren vorweisen müssen, von denen einer unabhängig sein und die Verantwortung für die Einhaltung der Vorschriften übernehmen muss. Nach dem brasilianischen Regelungs- und Kontrollrahmen, der zur Einhaltung des IOSCO-Kodexes verpflichtet, müssen Ratingagenturen angemessene Vorkehrungen für den Umgang mit Interessenkonflikten treffen. Der Verhaltenskodex einer Ratingagentur muss die Einrichtung von Mechanismen zur Erkennung, Behebung, Handhabung und Offenlegung von Situationen vorsehen, in denen Interessenkonflikte auftreten könnten. Außerdem enthält der brasilianische Rahmen ausführliche Regelungen über Outsourcing, die Aufbewahrung von Aufzeichnungen und Vertraulichkeit. Ratingagenturen müssen eine Überprüfungsstelle einrichten, die die Ratingmethoden überprüft; außerdem enthält der brasilianische Rahmen weitreichende Offenlegungspflichten in Bezug auf Ratings und Ratingtätigkeiten, beispielsweise die Pflicht, Rating-Entscheidungen zeitnah bekannt zu geben und ein Dokument über die historische Treffsicherheit der Ratings sowie einen Jahresbericht unter anderem über die Tätigkeiten der Ratingagentur zu veröffentlichen. Mit dem brasilianischen Regelungs- und Kontrollrahmen dürften daher hinsichtlich der Handhabung von Interessenkonflikten, der organisatorischen Abläufe und Verfahren, über die Ratingagenturen verfügen müssen, der Qualität der Ratings und Ratingmethoden, der Offenlegung von Ratings und der allgemeinen und regelmäßigen Offenlegung der Ratingtätigkeiten dieselben Ergebnisse erzielt werden wie mit der Verordnung (EG) Nr. 1060/2009. Er dürfte einen gleichwertigen Schutz der Integrität, Transparenz und guten Unternehmensführung von Ratingagenturen sowie der Verlässlichkeit von Ratingtätigkeiten bieten. |
(6) |
Gemäß der dritten Bedingung muss das Regulierungssystem des Drittlandes eine Einflussnahme der Aufsichtsbehörden und anderer Behörden dieses Drittlandes auf den Inhalt der Ratings und die Methoden verhindern. Eine solche Einflussnahme liefe dem in der brasilianischen Verfassung verankerten Rechtmäßigkeitsgrundsatz zuwider, wonach die Behörden nur tätig werden dürfen, soweit dies gesetzlich vorgesehen ist. Soweit feststellbar, ist keine Rechtsvorschrift vorhanden, die der CVM oder einer anderen Behörde die Befugnis übertrüge, auf den Inhalt der Ratings und Methoden Einfluss zu nehmen. |
(7) |
Angesichts der untersuchten Faktoren ist davon auszugehen, dass der brasilianische Regelungs- und Kontrollrahmen für Ratingagenturen die Bedingungen des Artikels 5 Absatz 6 Unterabsatz 2 der Verordnung (EG) Nr. 1060/2009 erfüllt. Der brasilianische Regelungs- und Kontrollrahmen für Ratingagenturen sollte daher als gleichwertig mit dem durch die Verordnung (EG) Nr. 1060/2009 geschaffenen Regelungs- und Kontrollrahmen angesehen werden. Die Kommission, unterrichtet durch die ESMA, sollte die Entwicklung des brasilianischen Regelungs- und Kontrollrahmens für Ratingagenturen und die Erfüllung der Bedingungen, auf deren Grundlage dieser Beschluss gefasst wurde, weiterhin überwachen. |
(8) |
Die in diesem Beschluss vorgesehenen Maßnahmen entsprechen der Stellungnahme des Europäischen Wertpapierausschusses — |
HAT FOLGENDEN BESCHLUSS ERLASSEN:
(1) ABl. L 302 vom 17.11.2009, S. 1.
(2) Verordnung (EU) Nr. 462/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Mai 2013 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1060/2009 über Ratingagenturen (ABl. L 146 vom 31.5.2013, S. 1).