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Ursprungsrechtsakt
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Erwägungsgründe

Richtlinie 2002/87/EG des Europäischen Parlaments und des Rates

vom 16. Dezember 2002

über die zusätzliche Beaufsichtigung der Kreditinstitute, Versicherungsunternehmen und Wertpapierfirmen eines Finanzkonglomerats und zur Änderung der Richtlinien 73/239/EWG, 79/267/EWG, 92/49/EWG, 92/96/EWG, 93/6/EWG und 93/22/EWG des Rates und der Richtlinien 98/78/EG und 2000/12/EG des Europäischen Parlaments und des Rates

DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT UND DER RAT DER EUROPÄISCHEN UNION -

gestützt auf den Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft, insbesondere auf Artikel 47 Absatz 2,

auf Vorschlag der Kommission(1),

nach Stellungnahme des Wirtschafts- und Sozialausschusses(2),

nach Anhörung des Ausschusses der Regionen,

nach Stellungnahme der Europäischen Zentralbank(3),

gemäß dem Verfahren des Artikels 251 des Vertrags(4),

in Erwägung nachstehender Gründe:

(1) Das geltende Gemeinschaftsrecht enthält umfassende Vorschriften für die Beaufsichtigung einzelner Kreditinstitute, Versicherungsunternehmen und Wertpapierfirmen sowie für die Beaufsichtigung von Kreditinstituten, Versicherungsunternehmen und Wertpapierfirmen, die Teil einer Banken-/Wertpapierfirmengruppe bzw. einer Versicherungsgruppe, d. h. einer Gruppe mit homogenen Finanztätigkeiten, sind.

(2) Neue Entwicklungen auf den Finanzmärkten lassen jedoch Finanzgruppen entstehen, die ihre Dienstleistungen und Produkte in verschiedenen Finanzbranchen anbieten, die so genannten Finanzkonglomerate. Bislang unterliegen Kreditinstitute, Versicherungsunternehmen und Wertpapierfirmen, die Teil eines solchen Konglomerats sind, keiner gruppenweiten Beaufsichtigung, was insbesondere für die Solvabilität und die Risikokonzentration auf Konglomeratsebene, die gruppeninternen Transaktionen, das interne Risikomanagement auf Konglomeratsebene und die Zuverlässigkeit und fachliche Eignung der Geschäftsleitung gilt. Einige dieser Konglomerate zählen zu den größten Akteuren auf den Finanzmärkten und bieten ihre Dienstleistungen weltweit an. Sähen sich solche Konglomerate, insbesondere die dazugehörigen Kreditinstitute, Versicherungsunternehmen und Wertpapierfirmen, finanziellen Schwierigkeiten ausgesetzt, so könnte dies die Stabilität des Finanzsystems ernsthaft gefährden und einzelnen Sparern, Versicherungsnehmern und Anlegern schaden.

(3) In ihrem Finanzdienstleistungs-Aktionsplan nennt die Kommission eine Reihe von Maßnahmen, die zur Vollendung des Binnenmarktes für Finanzdienstleistungen erforderlich sind, und kündigt zusätzliche Aufsichtsvorschriften für Finanzkonglomerate an, die Lücken in den geltenden branchenbezogenen Rechtsvorschriften schließen und zusätzliche aufsichtsrechtliche Risiken abdecken sollen, um für Finanzgruppen mit branchenübergreifenden Finanztätigkeiten eine solide zusätzliche Beaufsichtigung zu gewährleisten. Ein derart ehrgeiziges Ziel lässt sich nur schrittweise erreichen. Die Einführung einer zusätzlichen Beaufsichtigung der Kreditinstitute, Versicherungsunternehmen und Wertpapierfirmen eines Finanzkonglomerats stellt einen solchen Schritt dar.

(4) Auch andere internationale Gremien haben auf die Notwendigkeit angemessener Aufsichtskonzepte für Finanzkonglomerate hingewiesen.

(5) Um den gewünschten Erfolg zu erzielen, sollte die zusätzliche Beaufsichtigung der Kreditinstitute, Versicherungsunternehmen und Wertpapierfirmen eines Finanzkonglomerats alle Konglomerate, die in beträchtlichem Umfang branchenübergreifend tätig sind, was dann der Fall ist, wenn bestimmte Schwellen erreicht werden, unabhängig von ihrer Struktur erfassen. Die zusätzliche Beaufsichtigung sollte sich auf alle in den Branchenvorschriften genannten Finanztätigkeiten erstrecken und alle Unternehmen, einschließlich Vermögensverwaltungsgesellschaften, abdecken, die hauptsächlich diesen Tätigkeiten nachgehen.

(6) Bei der Entscheidung, ein bestimmtes Unternehmen aus dem Geltungsbereich der zusätzlichen Beaufsichtigung auszunehmen, sollte unter anderem berücksichtigt werden, ob das betreffende Unternehmen bereits im Rahmen der Branchenvorschriften einer Gruppenaufsicht unterliegt oder nicht.

(7) Die zuständigen Behörden sollten imstande sein, auf Gruppenebene die Finanzlage der Kreditinstitute, Versicherungsunternehmen und Wertpapierfirmen eines Finanzkonglomerats, insbesondere deren Solvabilität, zu beurteilen, und in diesem Zusammenhang die Mehrfachbelegung von Eigenkapital auszuschließen und Risikokonzentration und gruppeninterne Transaktionen zu überwachen.

(8) Finanzkonglomerate werden häufig auf Geschäftsbereichsbasis verwaltet, was sich nicht immer ganz mit den rechtlichen Strukturen des Konglomerats deckt. Um dieser Entwicklung Rechnung zu tragen, sollten die Anforderungen an die Geschäftsleitung, insbesondere was die Leitung der gemischten Finanzholdinggesellschaft anbelangt, weiter ausgeweitet werden.

(9) Für jedes Finanzkonglomerat, das der zusätzlichen Aufsicht unterliegt, sollte aus dem Kreis der zuständigen Behörden ein Koordinator benannt werden.

(10) Die Aufgaben des Koordinators sollten nicht die Aufgaben und Verantwortlichkeiten der zuständigen Behörden gemäß den Branchenvorschriften berühren.

(11) Die jeweils zuständigen Behörden - und vor allem der Koordinator - sollten über die notwendige Handhabe verfügen, um von den Unternehmen des Finanzkonglomerats oder von anderen zuständigen Stellen die für die zusätzliche Beaufsichtigung erforderlichen Informationen verlangen zu können.

(12) Die Zusammenarbeit zwischen den für die Beaufsichtigung von Kreditinstituten, Versicherungsunternehmen und Wertpapierfirmen zuständigen Behörden muss dringend verstärkt werden, wozu auch der Abschluss von Ad-hoc-Kooperationsvereinbarungen zwischen den an der Beaufsichtigung der Unternehmen eines Finanzkonglomerats beteiligten Behörden zählt.

(13) Kreditinstitute, Versicherungsunternehmen und Wertpapierfirmen mit Sitz in der Gemeinschaft können zu einem Finanzkonglomerat gehören, dessen Mutterunternehmen seinen Sitz in einem Drittland hat. Für diese beaufsichtigten Unternehmen müssen ebenfalls gleichwertige und zweckmäßige Regeln für die zusätzliche Beaufsichtigung gelten, die in ihrer Zielsetzung und ihren Ergebnissen den Bestimmungen dieser Richtlinie vergleichbar sind. In dieser Hinsicht sind die Transparenz der Regeln und der Informationsaustausch mit Drittlandsbehörden über alle relevanten Umstände von großer Bedeutung.

(14) Gleichwertige und zweckmäßige Regeln für die zusätzliche Beaufsichtigung können nur dann als vorhanden angenommen werden, wenn die Aufsichtsbehörden des betreffenden Drittlands einer Zusammenarbeit mit den betroffenen zuständigen Behörden in Bezug auf die Mittel und Ziele für die Durchführung der zusätzlichen Beaufsichtigung beaufsichtigter Unternehmen eines Finanzkonglomerats zugestimmt haben.

(15) Diese Richtlinie schreibt nicht vor, dass zuständige Behörden dem Finanzkonglomerateausschuss Auskünfte erteilen müssen, die nach dieser Richtlinie oder anderen Branchenrichtlinien dem Berufsgeheimnis unterliegen.

(16) Da das Ziel der vorgeschlagenen Maßnahmen, nämlich die Einführung von Vorschriften über die zusätzliche Beaufsichtigung der Kreditinstitute, Versicherungsunternehmen und Wertpapierfirmen eines Finanzkonglomerats, auf Ebene der Mitgliedstaaten nicht ausreichend erreicht werden kann und daher wegen des Umfangs und der Wirkungen der Maßnahmen besser auf Gemeinschaftsebene zu erreichen ist, kann die Gemeinschaft im Einklang mit dem in Artikel 5 des Vertrags niedergelegten Subsidiaritätsprinzip tätig werden. Entsprechend dem in demselben Artikel genannten Verhältnismäßigkeitsprinzip geht diese Richtlinie nicht über das für die Erreichung dieses Ziels erforderliche Maß hinaus. Da die Richtlinie nur Mindestvorschriften festlegt, bleibt den Mitgliedstaaten der Erlass weiter gehender Vorschriften freigestellt.

(17) Diese Richtlinie steht im Einklang mit den Grundrechten und folgt den Prinzipien, die insbesondere in der Charta der Grundrechte der Europäischen Union anerkannt werden.

(18) Die zur Durchführung dieser Richtlinie erforderlichen Maßnahmen sollten gemäß dem Beschluss 1999/468/EG vom 28. Juni 1999 zur Festlegung der Modalitäten für die Ausübung der der Kommission übertragenen Durchführungsbefugnisse(5) erlassen werden.

(19) Um neuen Entwicklungen auf den Finanzmärkten gerecht zu werden, kann es von Zeit zu Zeit erforderlich sein, technische Orientierungshilfe zu geben oder Durchführungsmaßnahmen für diese Richtlinie zu erlassen. Die Kommission sollte daher ermächtigt werden, Durchführungsmaßnahmen zu erlassen, sofern durch diese Maßnahmen die wesentlichen Bestandteile dieser Richtlinie nicht geändert werden.

(20) An den bestehenden Branchenvorschriften für Kreditinstitute, Versicherungsunternehmen und Wertpapierfirmen sollten Mindestanpassungen vorgenommen werden, insbesondere um eine Aufsichtsarbitrage zwischen den Branchenvorschriften und den Vorschriften für Finanzkonglomerate zu verhindern. Die folgenden Richtlinien sollten deshalb entsprechend geändert werden: die Erste Richtlinie 73/239/EWG des Rates vom 24. Juli 1973 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften betreffend die Aufnahme und Ausübung der Tätigkeit der Direktversicherung (mit Ausnahme der Lebensversicherung)(6), die Erste Richtlinie 79/267/EWG des Rates vom 5. März 1979 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften über die Aufnahme und Ausübung der Direktversicherung (Lebensversicherung)(7), die Richtlinie 92/49/EWG des Rates vom 18. Juni 1992 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Direktversicherung (mit Ausnahme der Lebensversicherung) (Dritte Richtlinie Schadenversicherung)(8), die Richtlinie 92/96/EWG des Rates vom 10. November 1992 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Direktversicherung (Lebensversicherung) (Dritte Richtlinie Lebensversicherung)(9), die Richtlinie 93/6/EWG des Rates vom 15. März 1993 über die angemessene Eigenkapitalausstattung von Wertpapierfirmen und Kreditinstituten(10), die Richtlinie 93/22/EWG des Rates vom 10. Mai 1993 über Wertpapierdienstleistungen(11), die Richtlinie 98/78/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. Oktober 1998 über die zusätzliche Beaufsichtigung der einer Versicherungsgruppe angehörenden Versicherungsunternehmen(12) und die Richtlinie 2000/12/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. März 2000 über die Aufnahme und Ausübung der Tätigkeit der Kreditinstitute(13). Die angestrebte weitere Harmonisierung lässt sich nur schrittweise erreichen und muss auf einer gründlichen Analyse aufbauen.

(21) Damit die Notwendigkeit einer künftigen Harmonisierung im Bereich der Behandlung von Vermögensverwaltungsgesellschaften nach den Branchenvorschriften beurteilt und eine etwaige Harmonisierung vorbereitet werden kann, sollte die Kommission über die Praktiken der Mitgliedstaaten in diesem Bereich Bericht erstatten -

HABEN FOLGENDE RICHTLINIE ERLASSEN: